MFG - Altlasten
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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Altlasten

Text Herbert „Hebi“ Binder
Ausgabe 05/2012
Den Lueger-Ring in Wien benennen sie jetzt um, der Herr sei ja ein grauslicher Antisemit gewesen. Na ja, 100 Jahre zurück haut sich’s leicht. Die Krypta im Äußeren Burgtor mit dem Epitaph von Wilhelm Frass, St. Pöltens wohl bedeutendstem Bildhauer nach der Barockzeit, kam auch ins Gerede. Der war tatsächlich ein wilder Nazi. Aber die ganze Stadt wimmelt halt nur so von seinen Werken – vom Rathausplatz über jenen neben der BH bis zur Büste des legendären roten Stadtvaters Schnofl, der von der Aquacity sinnend Richtung ÖVP-Haus blickt.
Bei uns geht man ja mit der Vergangenheit etwas versöhnlicher um: In der Ahnengalerie des Rathauses hängt der Systemzeit-Bürgermeister Heinrich Raab problemlos neben seinem von der Roten Armee eingesetzten Kollegen Käfer. Auch die ideol­ogischen „Lager“ wurden eher zu nostalgischen Freundeskreisen. Der Turnerbund rettete seine Jahn-Turnhalle mit Türkenhochzeiten finanziell über die Jahre (das eine oder andere Mitglied soll man auch schon in Medjugorje gesehen haben). Auf 100 besitzbürgerliche Sozis findest du kaum mehr einen halberten schiachen ÖVP-Kapitalisten. Ein Stück original Berliner Mauer wird von der Stadt auf einem Parkplatz versteckt, offenbar weil man sich der missratenen Verwandtschaft schämt. Und selbst Altbischof Krenn, weiland ein echtes Ungustl, wartet seit Jahren mitten unter uns in Frieden auf seinen Herrgott.
Aber niemand sollte sich zu sicher sein, dass nicht auch hierorts kritisches Vergangenheitsbashing einziehen könnte. Wohnte ich etwa in der Dr. Karl Renner-Promenade, würde ich Visitenkarten nur mehr in begrenzter Auflage nachdrucken – man bedenke, wie dieser Herr 1938 für den Anschluss an Hitler-Deutschland getrommelt hat …