MFG - Und ewig grüßt das Murmeltier
Und ewig grüßt das Murmeltier


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Und ewig grüßt das Murmeltier

Text Michael Müllner
Ausgabe 02/2015

Domplatz, SKW 83, SWAP-Geschäfte – dies sind die unangefochtenen Top drei Evergreens, die die heimische Politik zum Teil seit über zehn Jahren beschäftigen. Zufall oder bewusstes Schieben auf die lange Bank? Ein historischer Blick zurück und eine Bestandsaufnahme des Status Quo.

EVERGREEN I: SCHATTEN ÜBERM SONNENPARK
Beginnen wir unsere Reise durch die politischen Evergreens vielleicht beim ältesten offenen Thema, SKW 83. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die Adresse Spratzerner Kirchenweg 81-83, die in ihrer über 100-jährigen Historie schon viele Nutzungen erfuhr: Mühle, Sägenfabrik, Hackschnitzelwerk, Schrebergarten. 1983 erwarb es die Stadt St. Pölten als „Reservefläche“ für Wohnungsbau mit dementsprechender Widmung. Seither lag die Liegenschaft – mit Ausnahme der zwischenzeitigen Nutzung als Flüchtlingshaus während des Jugoslawienkrieges – mehr oder weniger brach, bis sie die Stadt 1999 jungen Bands und Künstlern (die sich in Folge als LAMES konstituierten) bis auf Widerruf in Form eines mündlichen Nutzungsrechtes zur Verfügung stellte, nachdem man diese zuvor aus dem Frostl-Areal beim Bahnhof hinauskomplementiert hatte.
Spätestens als 2007 der Gemeinderat einen Vorvertrag mit einer Genossenschaft über die Veräußerung eines Großteils des Areals um 1,75 Millionen Euro abschloss, wurde der prekäre Status der künstlerisch-kreativen Nutzung wieder evident. Im Vorfeld des Wahlkampfes 2011 bildete sich die Initiative „St. Pölten braucht Park-Platz“ (Verein Sonnenpark), welche wie LAMES – in diesem Fall mehr aus dem ökologisch-gärtnerischen Lager kommend – für einen Erhalt des SKW 83 eintritt. Zuletzt etablierte sich das Gemeinschaftsgartenprojekt „GRUND“ ebendort.
„Wir bleiben am Ball“
LAMES-Obmann Andreas Fränzl spricht von einem „unveränderten Status“ und weist vor allem auf den Prozesscharakter des SKW 83 hin – die letzten 15 Jahre hätte sich viel entwickelt, was in den Augen der Involvierten und Sympathisanten absolut erhaltenswert ist: „Zugegeben: Es ist manchmal schon auch mühsam unter diesen Umständen die Motivation und Ruhe zu behalten, aber wir glauben nach wie vor an diesen Ort und konnten in den letzten Jahren einiges realisieren!“ Fränzl verweist diesbezüglich auf diverse Symposien und Feste, ebenso auf die Förderung durch Bund, Land und Stadt sowie immer wieder neue Inputs. „Es schaut so aus, als ob sich zusätzlich zum Verein Sonnenpark, dem Gemeinschaftsgartenprojekt ‚Grund‘ und LAMES eine weitere Initiative von Nachbarn und jungen Menschen bildet, die sich für ein Weiterbestehen dieses einmaligen Ortes stark macht. Insofern sind wir zuversichtlich und freuen uns auf unser nächstes Gespräch mit dem Bürgermeister!“, so Fränzl.
Klare Ansagen von Grün und Blau
Ob diese Zuversicht begründet ist, bleibt fraglich. Bislang versucht die Stadt eine klare Entscheidung so lange wie möglich hinauszuzögern, und man wird den Eindruck nicht los, dass man insgeheim darauf hofft, dass die Genossenschaft ihr Recht einfordert und zu bauen beginnt. Die Genossenschaft ihrerseits – durch die Entwicklungen unfreiwillig zwischen die Fronten geraten – will sich in der Causa aber völlig zurecht nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen und harrt deshalb so wie die Initiativen am SKW 83 einer klaren politischen Ansage ...
Eine solche erhält man aber nur von FPÖ und Grünen. Während Klaus Otzelberger (FPÖ) betont :„Dem Verein wurde nie in Aussicht gestellt, dass er für immer auf diesem Areal bleiben kann, außerdem wurde ein Alternativ­areal angeboten. Wir begrüßen es jedenfalls, dass auf diesem Areal neuer Wohnraum geschaffen wird“, wollen die Grünen „den Sonnenpark in der jetzigen Form erhalten. Wir denken, es gibt ausreichend andere Bauflächen, die bebaut werden können.“ Zumal der Sonnenpark aus ihrer Sicht „weit mehr als eine Grünoase mitten in der Stadt ist. Er ist ein autarkes Projekt in Richtung Graswurzelbewegung, Eigeninitiative, urbane Renaturalisierung und gemeinsames gesellschaftliches Schaffen.“
Entweder UND oder
Deutlich schwerer tun sich die Großparteien mit einem Outing, wohl im Wissen, dass man sich – egal wie man sich entscheidet – sowieso die Finger verbrennt und für eine Seite zum Buhmann wird. Ein Momentum, das gerade in Vorwahlzeiten Unbehaglichkeit verbreitet. Die ÖVP erklärt sich deshalb am liebsten gleich überhaupt für nicht zuständig. „Die Frage ist dem Bürgermeister zu stellen. Ohne sein Zögern und Zaudern wäre es nie zu dieser verworrenen Situation gekommen. Er hat die Verantwortung in dieser Causa endlich eine Lösung herbeizuführen – egal, wie diese schlussendlich aussieht“, so Vizebürgermeister Matthias Adl. Angesichts des Umstandes, dass die ÖVP für gewöhnlich genau diesen Ausschluss aus Entscheidungsprozessen und Alleingängen des Bürgermeisters anprangert, eine zumindest „interessante“ Einstellung. Dass sich die Situation gegenüber jener vor 15 Jahren geändert hat, ist man sich bewusst. „Fakt ist: In den letzten Jahren hat sich der SKW 83 zu einer fixen Größe in der St. Pöltner Kulturszene entwickelt. Ob nun das Projekt der Wohnbaugenossenschaft umgesetzt wird, oder der Sonnenpark bleibt, es braucht für den jeweils anderen eine gute Alternative.“ Wie eine solche ausschauen könnte, bleibt man freilich schuldig, dafür bringt man auf Nachfrage, ob man nun für oder gegen einen Erhalt des Areals in seiner aktuellen Form ist, eine zusätzliche „Entscheidungsebene“ ins Spiel: „Unserer Meinung nach ist dies eine Frage, die den betroffenen Anrainerinnen und Anrainern gestellt werden sollte, die sollten hier das letzte Wort haben.“
Noch schwerer mit der „heißen“ Kartoffel tut sich die SPÖ, denn natürlich liegt die Letztentscheidung bei den mit absoluter Macht ausgestatteten Roten. Vizebürgermeister Franz Gunacker bleibt sodenn vage und gibt die klassische „Entweder UND oder Antwort“: „Es gibt gültige Verträge und seit langer Zeit Gespräche über eine vernünftige Lösung für beide Seiten.“ Ob das jetzt ein Ja oder Nein ist, lässt er auf Nachfrage ebenso offen, wie die Antwort darauf, wie so „eine vernünftige Lösung“ denn aussehen könnte.
Wenig verwunderlich, dass ob solch tiefschürfender Informationspolitik die Gerüchteküche heftig am Brodeln ist. So schwirrt – was Gunackers Ansatz sogar bestätigen würde – das Gerücht einer Mischform durch den Äther: Also Wohnbau, etwa in Form jungen Wohnens, UND Kreativoase. Oder betreutes Wohnen, also Senioren, mit jungen Kreativen in der Nachbarschaft. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, was aber wirklich passiert, bleibt bis auf Weiteres offen.
EVERGREEN II: PLATZ DES HIMMLISCHEN WARTENS Wir schreiben das Jahr 2008. Der Gemeinderat fasst den Grundsatzbeschluss zur Neugestaltung des Domplatzes. 2009 wird via St. Pölten konkret eine – aufgrund der Beliebigkeit der Fragen eher als „Alibihandlung“ einzustufende – Befragung der Bevölkerung zum Thema durchgeführt. 2010 beginnen – ohne dass ein konkretes Konzept zur Platzgestaltung vorliegt – die vorgeschriebenen archäologischen Ausgrabungen. 2011 beauftragt der Gemeinderat eine Planungsgemeinschaft mit der Konzeptionierung der Platzneugestaltung. Deren erster vager Vorentwurf, quasi als Testballon in den Äther geschickt, sorgt für wilde Auseinandersetzungen, die sich v. a. um die Frage der Notwendigkeit um fixe Parkplätze entzünden. Danach verliert sich die Spur, so dass auch nach knapp sieben Jahren noch immer kein konkreter Gestaltungsentwurf am Tisch liegt, die Grabungskosten sich aber mittlerweile auf rund 4,5 Millionen Euro belaufen. Und jedes Jahr kommen ca. 850.000 Euro dazu, was den Druck, dass die mit 2,5 Millionen Euro anvisierte Oberflächengestaltung unbedingt ein großer, nachhaltiger Wurf werden muss, noch erhöht.
Gretchenfrage Parkplätze
Was in dieser Zeit freilich sehr wohl passierte, ist eine Metamorphose der politischen Falllinien. Ließ Bürgermeister Matthias Stadler 2008 noch wissen „Als Parkplatz ist mir der Domplatz zu schade“, hat sich die SP-Position seither unübersehbar aufgeweicht. Aus dem Munde von Vizebürgermeister Franz Gunacker klingt das dann so: „Nach einer Fertigstellung  können nicht alle Wünsche und Überlegungen umgesetzt sein. Es ist halt so wie im Leben, man muss Kompromisse schließen, um möglichst viele Ideen unter einen Hut zu bringen.“ Wie diese Kompromisse im Fall des Domplatzes genau aussehen sollen, bleibt offen.
Eindeutiger ist die ÖVP, die – wie alle – für „Multifunktionalität“ eintritt, dabei aber v. a. die Erhaltung möglichst vieler Parkplätze (diesbezüglich wurden im Vorjahr als Minimalforderung 100 Stellplätze gefordert, was wohl zwei Drittel des neuen Platzes einnehmen würde, Anm.) einfordert. Vizebürgermeister Matthias Adls Aussage „Wir brauchen keine Betonwüste nach rot-grünen Plänen, welche Kunden und Besucher aus der Innenstadt fernhält“ entbehrt daher keines gewissen Widerspruchs, zumal etwa gerade die Grünen ganz dezidiert gegen Parken und mehr Freiraum eintreten. Rückendeckung für ihre Parkplatzforderung leitet die ÖVP aus einer Unterschriftenliste aus dem Jahr 2011 mit rund 2.500 Gegnern eines autofreien Domplatzes sowie aus der „St. Pölten weiterdenken“-Befragung ab. Aus Letzterer schließt man – bei einem Rücklauf von ca. 700 Fragebögen durchaus kühn – dass sich „75% der St. Pöltner“ gegen einen autofreien Domplatz aussprechen. Dass die Befragungen von der SPÖ postwendend bezweifelt wurden, liegt in der parteipolitischen Natur der Sache. Dass die Fragestellung zum Domplatz aber tatsächlich eindeutig suggestiv gestellt wurde, nämlich in Verneinung („Der Domplatz soll nicht autofrei werden“, Anm.), ist ebenso wenig von der Hand zu weisen. Von einer – in diesem Sinne objektiveren – verbindlichen Bürgerbefragung etwa nach dem Modell der Wiener Befragung zur Erweiterung der Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße hält die ÖVP nichts. „Der Gemeinderat hat mit großer Mehrheit gegen einen autofreien Domplatz gestimmt. Was fehlt ist Mut seitens des Bürgermeisters diese Entscheidungen auch in Pläne zu gießen, keine weitere Befragung.“ Weil man vor deren Ausgang Angst hat – die Mehrheit der Bürger doch für autofrei plädieren könnte? Adl winkt ab und fügt auf Nachfrage hinzu: „Wir fürchten eine solche Befragung aber auch nicht!“
Für Parkplätze am Domplatz macht sich ebenso die FPÖ stark und wähnt die Macht der Logik auf ihrer Seite: „Dass es einen Bedarf für Parkplätze am Domplatz gibt, merkt man daran, dass dort immer sehr viele Autos parken“, lässt Fraktionsvorsitzender Klaus Otzelberger wissen. Dass man diesen Winkelzug freilich an Markttagen auch so abwandeln könnte „Dass es keinen Bedarf für Parkplätze am Domplatz gibt, merkt man daran, dass dort an Markttagen auch keine Autos parken dürfen“, ist nicht Teil der FPÖ-Erörterung. Auch das Argument, dass wissenschaftliche Studien belegen, „dass Parkplätze, die weiter als fünf Minuten von den Geschäften entfernt sind, von den Leuten nicht mehr angenommen werden“, betet Otzelberger nach wie vor mantraartig herunter. Dass der Rathausplatz (als angenommenes Zentrum) aber bereits jetzt de facto von jeder Seite kommend in besagten fünf Minuten per pedes zu erreichen ist, wird vom Mandatar ignoriert, und so bleibt die FPÖ dabei: „Es ist blanker Wahnsinn, die von Innenstadtkunden in Anspruch genommenen Parkplätze am Domplatz zu reduzieren.“
Das sehen die Grünen wiederum genau umgekehrt und fordern deshalb einen „autofreien Domplatz in einer autofreien Innenstadt.“
Wie die ÖVP für, so sammeln die Grünen Unterschriften gegen Parkplätze am Domplatz – schon im Vorjahr kündigte man großspurig einen diesbezüglichen Initiativantrag im Gemeinderat an. Eingebracht wurde dieser bis heute nicht – offensichtlich hat man sich der Dynamik des Ausgrabungsprozesses angepasst, der „zaht“ sich nämlich gewaltig.
Lange Grabungen
Warum, erklärt Landeskonservator Hermann Fuchsberger vom Bundesdenkmalamt so: „Die Dokumentation und Freilegung der Befunde hat nach nationalen und internationalen Standards zu erfolgen und ist dementsprechend aufwendig.“ Bezüglich eines genauen Zeitplans verweist er an den Magistrat weiter: „Die Zeitplanung obliegt der Stadtgemeinde St. Pölten.“
Dort führt der zuständige Baudirektor Kurt Rameis drei Aspekte an, von denen die Grabungslänge abhängt: „Erstens im Falle des Domplatzes von den Bestattungen des jahrhundertelang genutzten Friedhofs, deren fachgerechte Bergung sehr viel Zeit in Anspruch nimmt – viel mehr Zeit, als müssten ‚nur‘ die Bauwerksreste im Untergrund untersucht und gesichert werden. Zweitens vom archäologischen Personaleinsatz und drittens vom Budget.“
Aus der Hoffnung des Bürgermeisters aus dem Jahr 2012, „dass die Neugestaltung des Domplatzes bis Ende 2015 abgeschlossen ist“, kann man sich jedenfalls getrost verabschieden. Baudirektor Rameis holt alle, die auf baldiges Flanieren am Domplatz hoffen, brutal – und in diesem Ausmaß durchaus überraschend – auf den Boden der Realität zurück. So schätzt er, „dass aus den bisherigen Erfahrungen mit mindestens noch drei Jahren Grabungen gerechnet werden muss.“
Erst dann kann überhaupt erst mit der Neugestaltung dieses „Kernthemas des Masterplanes“, wie es oft heißt, begonnen werden. Und was sagt dessen „Gralshüter“, der Plattform-Obmann Joe Wildburger, zur Causa prima: „Ein der Wirtschaft der Innenstadt in ihrer Summe entsprechendes Entwicklungskonzept für das Dom- und Marktviertel sieht einen befahrbaren und belieferbaren Domplatz vor, der aber außer für Ausnahmen (z. B. Behinderte, Aus- und Einsteigen, besondere kirchliche Ereignisse, Einsatzfahrzeuge, …) stellplatzfrei sein muss, um sinnvoller Nutzung zur Verfügung zu stehen! Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung kann sich nicht an dem von Parteipolitikern empfundenen Klientelnutzen Einzelner orientieren, sondern muss das Ganze im Auge haben. Dieser Ansatz ist meiner Erfahrung nach auch der mit der größten Zustimmung des Bauherrn, nämlich der Bürgerschaft und der Wirtschaft.“
Ob diese Sichtweise seitens der Politik berücksichtigt werden wird? Jedenfalls ist man es der Bevölkerung schuldig, dass noch VOR den nächstjährigen Wahlen ein konkreter Gestaltungsentwurf zum Domplatz auf den Tisch gelegt wird.
EVERGREEN III: NUR NED HUDELN, HERR RAT!
Hat St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler gemeinsam mit seinem damaligen Finanzdirektor Ernst Knoth zum Nachteil der Stadtbürger hochspekulative Finanzgeschäfte geschlossen? Oder hat die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (RLB) die Stadt eiskalt abgezockt?
Eine juristische Antwort könnte das Handelsgericht Wien geben. Dort wird seit 2012 verhandelt, nachdem St. Pölten die Bank geklagt hatte. Das SWAP-Geschäft 707843 wurde am 30.09.2007 mit einer zwanzigjährigen Laufzeit abgeschlossen. Wäre der Kurs des Schweizer Frankens zum Euro auf dem damaligen Kurs geblieben, so hätte die Stadt wohl 3,5 Millionen Euro innerhalb der ganzen Laufzeit erzielen können. Doch es kam anders. Die Kurse hielten sich nicht an den Plan und plötzlich musste die Stadt zahlen, anstatt aus dem Geschäft Zinsen zu lukrieren.
Keine ganz neue Situation. Die Stadt hatte zuvor schon etliche Spekulationsgeschäfte abgeschlossen – und je nach Verlauf auch vorzeitig geschlossen. Das eingeklagte Geschäft brachte etwa eine Vorauszahlung von rund 1,5 Millionen Euro für die Stadt, eine Summe die ziemlich genau dem Verlust entsprach, der St. Pölten aus zwei kurz zuvor geschlossenen Geschäften entstanden war. Unterm Strich also ein Nullsummenspiel, jedoch holte sich St. Pölten mit dem Cash aus der Vorauszahlung auch die Pest in Form hohen Risikos an Bord.
Im Nachhinein ist man immer klüger. So fällt es heute leicht zu sagen, der Bürgermeister hätte Anfang 2008 aus dem Geschäft bei „nur“ 4 Millionen Euro Verlust aussteigen sollen. Immerhin ist der aktuelle Streitwert bei rund 70 Millionen Euro. Mittlerweile wird seit Jahren gestritten, Geschäftsbeziehung und Zahlungen der Stadt an die Bank wurden eingestellt, diese antwortete mit der Schließung des Geschäfts und einer Widerklage gegen die Stadt. Doch seit Mai letzten Jahres ruht das Verfahren, Richter Martin Ogris durfte keine weiteren Schritte setzen. Stadt-Anwalt Lukas Aigner hatte ihm nämlich mangelnde Objektivität vorgeworfen. Der Versuch, den Richter per „Ablehnungsantrag“ loszuwerden schlug in erster Instanz fehl, die letzte Instanz sollte bald entscheiden (siehe Seite 24).
Doch abseits der aktuellen Richter-Posse – warum ging generell so wenig weiter? In den mündlichen Verhandlungen diskutierte Aigner mit Ogris intensiv um Details, aber große Fortschritte waren nicht zu sehen. Mehrfach forderte der Richter die Streitparteien zu einem Vergleich auf – und stieß auf taube Ohren. Über die Natur des Geschäftes wird wohl ein Gutachter Aufschlüsse liefern müssen, von einer Beauftragung sind wir aber noch weit entfernt. Bis dato wurde über den tatsächlichen Zeitpunkt von Zahlungen der Stadt an die Bank gestritten – und davon abgeleitet, ob sich St. Pölten nicht mit dem Einbringen der Klage zu lange Zeit gelassen habe und darum beispielsweise eine Irrtumsanfechtung schon verjährt sei.
Doch das Verfahren ist eben eines am Zivilgericht. Es geht um den Streit von zwei Parteien über einen zwischen ihnen geschlossenen Vertrag. Die politischen Implikationen daraus, die moralische Frage, ob man so überhaupt in einem entwickelten Land öffentliche Haushalte „bewirtschaften“ darf, die wird uns kein Gericht klären. Die beklagte Bank schweigt eisern, obwohl schon der bisherige Prozessverlauf und die dabei gemachten Zeugenaussagen interessante Fragen aufwerfen. Fragen, denen sich ein Unternehmen nicht weiter entziehen sollte. An einen Vergleich glaubt niemand, ein erstes Urteil ist nicht in Sicht, da kann man ruhig noch Gras über die Sache wachsen lassen – so scheint die PR-Strategie.
Ahnungslose und Nestbeschmutzer
Auch St. Pölten hat eine Strategie. Nach anfänglichem Mauern, erkannte man Dank medialem Druck die Chance, das Verfahren – natürlich im eigenen Sinne – offen zu kommentieren. Und da die Bank nicht kontert, läuft es in der öffentlichen Wahrnehmung gut für Stadler. Hand aufs Herz: Fremdwährungsgeschäfte und Bankenkrise, wer würde denn da nicht glauben, dass die Bank die naiven Stadtbeamten über den Tisch gezogen hat? Dass sie bei ersten Verlusten die Stadt aufgefordert haben, jetzt nur die Ruhe zu bewahren und nicht unüberlegt „unnötige Verluste zu realisieren.“ Blöd nur, dass man mit absoluter Mehrheit im Gemeinderat nun auch die absolute Verantwortung schultern muss. Super aber, dass man (zumindest bis zu einem ersten Urteilsspruch) auch die anfangs aufmüpfige Opposition im Griff hat.
Denn für diese, allen voran die St. Pöltner ÖVP, ist es ein schwieriges Spiel. Kritisieren sie Entscheidungen der Stadt oder unvollständige bzw. intransparente Berichte an den Gemeinderat, so laufen sie Gefahr der SPÖ als Nestbeschmutzer ins Messer zu laufen. Jeder Angriff auf den Bürgermeister, so scheint es, stärkt die Position der Bank. War Finanzdirektor Knoth wirklich so ahnungslos über das massive Risiko, wie gerne argumentiert wird? Oder hat Knoth um einen realen Verlust zu kaschieren, genau in dieser Höhe ein Geschäft mit der nötigen Vorauszahlung bei der Bank „bestellt“, damit eben im Stadtbudget alles super ausschaut? Bereits im November 2013 forderten die Oppositionsparteien geschlossen einen Sonderausschuss im Gemeinderat zur Untersuchung der Spekulationsgeschäfte – dieser solle seine Arbeit aber erst aufnehmen, wenn die Gerichte Recht gesprochen haben. Womit die politischen Akteure diesen komplexen Haufen an Fragen und Vorwürfen wohl noch lange vor sich herschieben.
Wer profitiert(e)?
In den letzten Monaten wurde es ruhig um die Causa. Und das, obwohl sie aus juristischer Sicht größtmöglich eskaliert ist. Die Stadt stellte die Zahlungen mit dem Argument ein, das Geschäft sei gar nie korrekt zustande gekommen. Dafür hätte nämlich der Gemeinderat zustimmen müssen. St. Pöltens Bürgermeister habe das Geschäft aber selber abgeschlossen – auf Basis eines Gemeinderatsbeschlusses, der den Bürgermeister dazu explizit ermächtigt habe. Als St. Pölten nicht mehr zahlte, schloss die Bank das Geschäft und realisierte angeblich knapp 70 Millionen Euro Verlust – diesen klagt sie nun ein. Zugleich ist das Klima zwischen Stadtanwalt Aigner und Richter Ogris so schlecht, dass Aigner ihn loswerden will.
Doch auch auf der politischen Front ist die Causa nicht gänzlich eingeschlafen. FPÖ-Obmann Klaus Otzelberger wiederholt mantrahaft, dass er schon immer gegen Finanzspekulationen aufgetreten sei, dafür von der SPÖ aber nur ausgelacht wurde. Und die Grundsatzbeschlüsse seien zu einer Zeit gefasst worden, als die FPÖ nicht im Gemeinderat vertreten war und „diesen Wahnsinn somit nicht verhindern konnte.“ Dumm nur, dass just zu jener Zeit der heutige FPÖ-Stadtrat Hermann Nonner im Gemeinderat vertreten war – als damaliger Ex-FPÖler trat er mit einer Bürgerliste an. Otzelberger stellt auch die Frage in den Raum „wer in der Stadt von dieser Millionenspekulation profitiert und Provisionen kassiert hat?“ Hört man da konkrete Verdachtsmomente heraus, dass Dritte unberechtigerweise an den Spekulationen mitgeschnitten haben? Hat er Hinweise, dass sich jemand bereichert hat? Otzelberger schwächt ab: „Nein, konkrete Kenntnisse dazu habe ich nicht. Aber es liegt im Bereich des Möglichen. Wir werden die ganze Wahrheit wohl nie erfahren.“ Grünen-Obfrau Nicole Buschenreiter betont, dass „wir nach dem Verfahren die Verantwortlichen für dieses Desaster zur Rede stellen werden. Spekulationen mit Steuergeldern seien aus Sicht der Grünen noch nie zulässig gewesen, darum hat unsere Fraktion auch nie einer Durchführung dieser Geschäfte zugestimmt.“ ÖVP-Obmann Matthias Adl betont, dass „wir nicht in dieser Situation wären, wenn sich Stadler an alle Rahmenbedingungen des Gemeinderats gehalten hätte. Der Einspruch der Stadt gegen die Richtersenatsentscheidung lässt nicht darauf schließen, dass es rasch ein Ergebnis geben soll.“ Für die SPÖ hält Vizebürgermeister Franz Gunacker fest, dass die Stadt „der Rechtsanwaltskanzlei die Vollmacht übertragen habe und der Zeitablauf Sache des Gerichts sei, die Stadt habe in keiner Weise Einfluss“. So einfach kann man es sich natürlich auch machen.