MFG - Respektierlich
Respektierlich


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St. Pöltens gute Seite

Respektierlich

Text Michael Müllner
Ausgabe 06/2015
Politiker, die Mutter-Vater-Kind als „Leitbild“ sehen, aber „natürlich auch andere Formen des Zusammenlebens respektieren.“ Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ für diese Großzügigkeit! Ein Leitbild formuliert einen Zustand, den man erreichen möchte. Natürlich soll sich die Politik einer kinderfreundlichen Gesellschaft verschreiben. Aber wenn die Exklusivität der Ehe für Heteros damit begründet wird, dass Eheleute Kinder zeugen, dann sind wir beim jahrhundertealten Konzept der Ehe als Instrument von Kirche und Obrigkeit um das Volk nach ihren Vorstellungen zu verwalten. Denkt man dies zu Ende, dann sind wir bei Kinderlosigkeit als Ehe-Ausschlussgrund. Und wer seine eigene (Hetero-)Ehe durch eine andere (Homo-)Ehe entwertet sieht, der sollte sowieso Hilfe in Anspruch nehmen. Dennoch mühen sich Politiker mit Scheinargumenten ab und reden uns ein, kinderzeugende Eheleute seien jenes „Leitbild“, das es zu fördern gelte – just indem man anderen (Schwulen, Lesben) die Gaude einer echten Hochzeit verwehrt. Wie bescheuert.
Noch ärmer wird es, wenn dann noch der „Generationenvertrag“ ins Spiel gebracht wird, weil: Kinder als Zahler der zukünftigen Pensionen, Blabla. Just von Berufspolitikern, die seit Jahren das Pensionssystem mit Klientelpolitik und Populismus an die Wand fahren und nach jedem Wahlsonntag ihr Glück gar nicht fassen können, dass sich dennoch wieder eine Mehrheit ausgeht.
Natürlich hängt das Glück dieser Welt nicht daran, ob man heiraten darf. Aber wenn die Politik bei den großen Themen schon so konsequent und katastrophal scheitert, dass selbst die Lautesten der Dümmsten dem Volk noch als echte Wahlalternative erscheinen, dann könnte man uns doch zumindest an diesen kleinen Nebenschauplätzen mit Gestaltungswillen überraschen?