Klangfarben + Farbtöne
Text
Thomas Fröhlich
Ausgabe
05/2025
Der Begriff Vielseitigkeit beschreibt sein Tun nur unzureichend. Mit ungehemmter Neugier begibt er sich auf unterschiedlichste Terrains und findet in all dem immer seinen persönlichen roten Faden. Und Gott im Alltag.
Popfans kennen Marcus Hufnagl noch als Mitglied der Band I Am Cereals, Freunde Alter Musik als Mastermind der Capella Incognita. Seit er in seinem sechsten Lebensjahr vom Großvater für die Welt der Musik begeistert werden konnte, lernte er das Klavierspiel, übte sich in elektronischer Musik, entwickelte ein Interesse an Alter Musik, studierte und spielt Orgel, stellt als bildender Künstler wiederum Bezüge zur Musik her und vermittelt Kunst in Schulen sowie in der Evangelischen Pfarrgemeinde, woselbst er als Organisator tätig ist. Er liefert Arbeiten als Maler, Grafiker, Designer und Innenarchitekt ab. Eine Frage stellt sich also ganz massiv: Schläft Marcus Hufnagl irgendwann?
Lapidare Antwort: „Ja.“ Schon in der Schulzeit war er an so Vielem interessiert, dass er die Möglichkeit einer ausschließlichen Spezialisierung bald aufgegeben hatte. „Ich kann nichts außergewöhnlich gut, aber vieles so gut, dass ich das machen kann.“ Den ersten Teil des Satzes darf man getrost streichen – jeder, der Hufnagl schon einmal an der Orgel gehört, ein Bild von ihm gesehen oder einer kunstvermittelnden Einführung zu einem (von ihm organisierten) Konzertabend beigewohnt hat, weiß um die umfassende Qualität seines Oeuvres. „Es fließen die Dinge ja zusammen.“ Es gehe um die Themenaufbereitung: „Da entsteht viel Arbeit. Ich weiß allerdings nicht, was ich weglassen soll, um mir etwas zu ersparen.“ In seinem Beruf als Lehrer, der für ihn auch Berufung darstellt, „kann ich etwas weitergeben, weitervermitteln, was mir wichtig ist.“ Klar bedeute dies auch Termine, Vorbereitung, Kommunikation, Werbung und sonst noch einiges. Zur Malerei komme er „eher blockweise, nicht jeden Tag ein bisschen“. Er arbeite gern in Serien, „um mich an einem Thema in verschiedenen Variationen abzuarbeiten“. Schließlich: „Bruckner und Mahler haben auch nur in den Ferien komponiert.“
In seiner Familie waren Kunst, Musik, Malerei „normal“. Klavier lernte er früh, „aber das fand ich eher fad. Der Knopf ging auf beim Orgelspiel – da war ich zwölf. Die Klänge haben mir getaugt. So wie darauf elektronische Musik und Alte Musik.“ Es gehe darum, Klänge miteinander zu verbinden: „Bei einem Bild ist’s ähnlich: Ich bleibe in einem Ton oder ich lege Dinge übereinander. Es heißt ja auch ‚Klangfarbe‘ und ‚Farbtöne‘.“ Sein Großvater war Maler. Dessen Begräbnis fand ohne das Beisein des damals etwa Siebzehnjährigen statt, da dieser zu diesem Zeitpunkt an einer Rippenfellentzündung litt. So verbrachte er die Zeit am Fenster der großelterlichen Wohnung, betrachtete die Aussicht und setzte diese in seinem Kopf in ein Bild um, wie es vielleicht sein Großvater gemalt haben mochte. „Und ich sagte mir: Das mach‘ ich jetzt ernsthaft!“ An der Kunstakademie wurde er allerdings fürs Erste abgelehnt – „es war wirklich noch ziemlich unausgegoren“, wie er mittlerweile zugibt. Damals war Hufnagl allerdings ziemlich wütend. Der Maler Herwig Zens, der seinen Furor spürte, meinte daraufhin zu ihm: „Nutzen Sie das und arbeiten Sie das künstlerisch auf. Schmier’n Sie sich Ihren Frust von der Seele!” Hufnagl tat es – und im nächsten Jahr klappte es.
Dass er dann Lehramt absolvierte, war eine rein pragmatische Entscheidung. Wie üblich übt er sich in Understatement, wenn er meint: „Eigentlich habe ich das aus Faulheit gemacht. Auf einem Instrument bis zur Verblödung nach Noten spielen – das wollte ich nicht.“ Und dann wuchs er so richtig rein ins Lehrerleben, „was mir sehr taugt. In der Schule geht’s ja viel um Sprache. Und die Schüler sollen lernen, unser kulturelles Erbe rezipieren.“ Marcus Hufnagl – ein Traditionalist? „Eigentlich ja. Alles, was man tut, ist ja eingebettet. Von da aus kann ich Dinge anschauen und beurteilen.“ Regelmäßig organisiert er Veranstaltungen in der evangelischen Kirche beziehungsweise in der Pfarrgemeinde: „Das hat sich zufällig ergeben. Ich habe da und dort Orgel gespielt; und eines Tages wurde ich gefragt, ob ich in der evangelischen Kirche aushelfen könnte.“ Da war er etwa zwanzig und er erkannte: „Die Musik steht dort für sich und dient nicht der Untermalung von Inszenierungen, wie in der römisch-katholischen Kirche.“ So konvertierte er vom Katholizismus zum Protestantismus. „Erst dann habe ich mich wirklich mit dem Glauben beschäftigt. Gott begleitet mich im Alltag. Und daher bin ich auch sehr entspannt, weil ich nicht unbedingt der Chef sein muss – und andere übrigens auch nicht.“
In der Pfarrgemeinde gebe es zudem Menschen, die er sonst womöglich nicht in seinem Bekanntenkreis hätte. „Mit kulturellen Anliegen bin ich dort eher ganz vorn an der Front. Wenn mich jemand fragt, muss ich Antworten finden.“ Anders als in der Bubble, in der sowieso alle das Gleiche denken. Seit Kurzem sei er auch Mitglied des Künstlerbundes und St. Pölten werde er als Wohnort auch weiterhin treu bleiben, „da ich das, was ich tue, hier gut machen kann. Es gibt Nischen, in die ich reinproduzieren kann und eine Auswahl an Leuten, die das wahrnimmt.“ Die Größe der Stadt sei gerade richtig.
Was er definitiv nicht anstrebe, sei eine Partnerschaft: „Ich bin so ausgefüllt. Ich wäre nicht gut darin, eher eine Zumutung.“ Interessen hingegen habe er genug: Politik, Geschichte, Architektur, Film. Was Marcus Hufnagl sich wünscht? „Es wäre schön, wenn jeder ein bissl mehr gewillt wäre, sich mit Dingen zu beschäftigen, teilzunehmen, wo hinzugehen. Da ist noch Luft nach oben.“
Möge der Wunsch in Erfüllung gehen. Mit etwas Gottvertrauen …