Die Passante
Text
Beate Steiner
Ausgabe
Sie hat ein bisserl gefremdelt die Tangente, sagen die St. Pöltner. Nein, nicht, weil importierte Organisatoren und Projektgestalter fürs Programm gesorgt haben. Auch nicht, weil – wenige – heimische Künstler nur im Abspann des Festivals für Gegenwartskultur mitmachen durften. Gefremdelt hat die Tangente, weil sie mit niederösterreichischer Gegenwartskultur wenig Schnittmenge hatte, nicht angedockt hat an die Menschen in der Stadt. Wenn ich begeistern will, wenn ich Menschen herlocken will, dann dürfen meine Ideen und ihre Realisierung nicht aufgesetzt sein. Wenn ich wirklich will, dass mich Leute auf einer Kulturreise begleiten – und ein Festival ist eine Reise zu einem Thema – dann muss ich sie dort abholen, wo sie stehen, muss ein bisserl darüber wissen, wie die Leute leben in der Stadt – raus aus meiner Blase, rein in die anderen Welten, zuhören, lernen. Denn Kultur ist das, was eine Gesellschaft ausmacht – ihre gemeinsamen Werte, Normen, Traditionen. Kunst spricht unsere Sinne an, sie bereichert und erweitert die Kultur, indem sie Neues anbietet, zu Diskussionen anregt. Ja, klar wurde diskutiert über die etwas eigenartigen Proportionen des hölzernen Florian auf dem Domplatz, und auch über die Nachfolge-Installation, die den Marktbesuchern Schatten gespendet hat – beide „Kunstwerke“ haben den kulturellen Horizont der St. Pöltner nicht wirklich erweitert, weil sie nicht „tangiert“, nicht berührt, haben. Geärgert schon. Weil sich die St. Pöltner für ihr Geld keine Passante verdient hätten, sondern ein mit der Stadt lebendes Festival.