MFG - Tangente - halbvoll? Halbleer?
Tangente - halbvoll? Halbleer?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Tangente - halbvoll? Halbleer?

Text Johannes Reichl
Ausgabe 11/2024
Zum Geleit
Im Grunde genommen mutet(e) es wie ein Kampf gegen Windmühlen an: Das Tangente Festival im Nachgang zu beleuchten ist so komplex, dass man wohl nie alle Aspekte einfangen kann, zumal mit dem Anspruch, es vor allem ausgewogen zu tun, was angesichts der teils diametral entgegengesetzten Wahrnehmungen zum Scheitern verurteilt scheint. Wir versuchten es trotzdem – immerhin war die Tangente Teil des, wie es die Politik formulierte, „größten Regionalentwicklungsprojekt seit der Landeshauptstadt“ und mit 17 Millionen Euro Budget definitiv das bislang hochdotierteste Festival, das diese Stadt je erlebt hat. 

Vier Aspekte stellten wir in den Fokus: Was sagen die schnöden (uns zugänglich gemachten) Zahlen aus? Wie haben aktive Besucher – darunter explizite Kulturaficionados ebenso wie ansonsten bekennende Kulturmuffel – rein subjektiv das Festival erlebt? Inwieweit konnten die von der Politik ausgerufenen (und in ihrer Selbstdarstellung erreichten) Ziele – nämlich Stärkung der Wahrnehmung St. Pöltens nach außen hin einerseits, Förderung der heimischen Kulturszene nach innen andererseits – tatsächlich erfüllt werden? 

Was im Zuge der Recherche frappierend auffiel, insbesondere in der Gruppe der Künstler und Veranstalter: Etliche winkten ab und wollten sich entweder „gar nicht“ oder bestenfalls „anonym“ äußern, entweder aus Furcht vor möglichen Nachteilen in der künftigen Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen oder, wie es ein Kulturdoyen der St. Pöltner Gesellschaft formulierte, „weil ich niemandem weh tun möchte.“ Viele Persönlichkeiten waren aber unserer Einladung dankenswerterweise nachgekommen (bisweilen über viele Seiten). Das Einschätzungsspektrum reichte dabei von höchstem Jubel bis tiefster Verdammnis. Schließlich erreichten uns auch einige Zusendungen unaufgefordert von Personen, die Wind von unserer Recherche bekommen hatten und auch etwas dazu sagen wollten. Alle diese Statements im Heft wiederzugeben hätte den Rahmen um ein Vielfaches gesprengt, Sie finden aber alle eingegangenen Statements online auf www.dasmfg.at zum Nachlesen und Schmökern. Es lohnt!

... analoge Beiträge:

Foto Nasnunt - stock.adobe.com

Dies zum einen, weil man den Terminus Kulturhauptstadt als möglichen Affront gegenüber Bad Ischl hätte (fehl)interpretieren können und nicht als schlechter Verlierer dastehen wollte. Zum anderen wurde der Claim „Kultur St. Pölten 2024“ erst so richtig forciert, als das neu im Entstehen befindliche Festival Tangente mit dem Abgang des künstlerischen Leiters nicht einmal ein Jahr vor dem offiziellen Start für schlechte Schlagzeilen sorgte. In der Wahrnehmung der Bürger war die  ...


Foto rdnzl - stock.adobe.com

Nach dem Blick von außen, interessierte uns natürlich auch der Blick der heimischen Kulturszene auf das Tangente-Festival. Dazu baten wir zahlreiche Künstler und Veranstalter um ein Statement (nicht alle wollten eines abgeben), so dass ein Stimmungsbild entstand – ein sehr inhomogenes. Bisweilen konnte man den Eindruck gewinnen, hier wird nicht von einem, sondern von verschiedenen Festivals gesprochen. Was der Tangente aber im Künstler- und Veranstalterbereich  ...


Foto SAMYA - stock.adobe.com

Sie hat ein bisserl gefremdelt die Tangente, sagen die St. Pöltner. Nein, nicht, weil importierte Organisatoren und Projektgestalter fürs Programm gesorgt haben. Auch nicht, weil – wenige – heimische Künstler nur im Abspann des Fes­tivals für Gegenwartskultur mitmachen durften. Gefremdelt hat die Tangente, weil sie mit nieder­österreichischer Gegenwartskultur wenig Schnittmenge hatte, nicht angedockt hat an die Menschen in der Stadt. Wenn ich begeistern will, wenn ich Menschen  ...


Foto Margo_Alexa

Ein explizites Ziel der Politik bestand darin, mittels der Tangente die Außenwahrnehmung und das Image St. Pöltens zu heben. Um herauszufinden, ob dies gelungen ist, nahmen wir nicht nur die nackten Zahlen näher unter die Lupe, sondern wollten von renommierten (Kultur)Redakteuren wissen, ob die Tangente über das Jahr hinweg Thema im überregionalen Feuilleton geblieben war, ob das Festival in der Kulturszene wahrgenommen worden war und ob eine nachhaltige positive  ...


Foto Byron Moore - stock.adobe.com

Der kulturelle Hobbyflieger
Unser anonymer Tester ist männlich, mittleren Alters. Er hat seine Gattin zu einigen Tangente-Veranstaltungen begleitet. Seine persönliche Einschätzung des Festivals: 
„Es waren großteils sehr ungewohnte Veranstaltungen, eher für ein Nischenpublikum geeignet und insgesamt zu umfangreich für die Einwohnerzahl St. Pöltens. Positiv formuliert: Es war mal was Neues in der Stadt.“ Angesehen hat sich unser kultureller Hobbypilot  ...


Foto Nijat - stock.adobe.com

Unterm Strich und erst recht am ersten Blick sind Zahlen oft beeindruckend. Wir haben uns deshalb näher mit den Zahlen, Daten und Fakten rund um das Tangente Festival beschäftigt und nachgefragt. Bei der Abschlusspressekonferenz wurde etwa stolz darauf hingewiesen, dass von den mehr als 2.000 Künstlerinnen und Künstlern beinahe 60 Prozent lokale Künstler waren. Über tausend Künstler aus St. Pölten und Umgebung? Das hat uns überrascht, also haben wir nachgefragt,  ...