In was für einer Stadt leben wir eigentlich ...
Ausgabe
... in der sich, wie es dieser Tage oft die Runde macht, „der alte Leiner im Grab umdrehen würde.“ Das einst von ihm aufgebaute St. Pöltner Möbelimperium kika/Leiner, das vor seinem Verkauf an die Steinhoff Gruppe 2013 noch 7.500 Mitarbeiter an 73 Standorten zählte, steht möglicherweise endgültig vor dem Aus. Dazwischen konnte man ein Sterben auf Raten verfolgen. 2018 übernahm René Benkos Signa, vier Filialen wurden geschlossen, 1.100 Mitarbeiter verloren ihren Job. 2019 wurden die 22 ausländischen Standorte an XXXLutz abgestoßen. 2020 lag der Mitarbeiterstand bei 4.500 Personen. Als Benko 2023 die Immobilien sowie das operative Geschäft veräußert, zählt man noch 3.900 Mitarbeiter, wobei der neue Eigentümer erstmals Insolvenz beantragt: 23 der 40 Standorte werden geschlossen, 1.900 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Und nun die neuerliche Zahlungsunfähigkeit. Verbindlichkeiten in Höhe von über 110 Millionen Euro (im Liquiditätsfall sogar fast 140 Millionen) stehen zu Buche, und 1.400 Mitarbeiter bangen einmal mehr um ihren Arbeitsplatz. „Unterm Leiner hätts das nicht gegeben“, glauben viele. Der würde ebenso über das dahinsiechende Stammhaus am St. Pöltner Rathausplatz den Kopf schütteln. Leiner war ein Bodenständiger, mit der Zockermentalität nachkommender Unternehmergenerationen hatte er wenig am Hut.
... in der St. Pölten eisern an der Lustbarkeitsabgabe festhält und damit zum letzten Mohikaner der Landeshauptstädte wird, schafft doch mit 1. Jänner 2025 auch die Stadt Salzburg die Steuer gänzlich ab. In Niederösterreich wiederum hebt Wiener Neustadt bereits seit 1. August 2024 (mit Ausnahme für Filmvorführungen) keine Lustbarkeitsabgabe mehr ein. Ein Wettbewerbsnachteil? „Die Realität zeigt, dass die Lustbarkeitsabgabe keineswegs zu einem Wettbewerbsnachteil für St. Pölten führt“, argumentiert man mit Hinweis auf ein Plus an Veranstaltungen seitens der Stadt, wofür man auch öffentliche Investionen etwa in Locations wie das VAZ St. Pölten ins Treffen führt. Richard Hörmann, Geschäftsführer des größten Veranstalters Österreichs Barracuda Music GmbH, hingegen weiß aus der Praxis anderes zu berichten. „Die Lustbarkeitsabgabe ist natürlich definitiv ein Grund, uns als Veranstalter für oder gegen einen Standort zu entscheiden.“ Eine weitere Skurrilität: Die von der öffentlichen Hand getragenen Kulturbetriebe in St. Pölten sind von der Lustbarkeitsabgabe ausgenommen, was auch stadtintern zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. „Gerecht wäre daher, die Steuer entweder für alle Veranstaltungen und Veranstalter in der gleichen Höhe einzuheben, oder wie anderswo ganz zu kippen“, ist VAZ-Geschäftsführer René Voak überzeugt.
... in der Autor Karl Vogd ein längst überfälliges Buch über eine der beeindruckendsten Persönlichkeiten der Stadt geschrieben hat: Karl Rottenschlager.
Mit viel Liebe und Akribie hat Vogd in Gesprächen mit Rottenschlager sowie dessen Weggefährten das Portrait eines Mannes herausgearbeitet, der als überzeugter Christ das Gebot der Nächstenliebe immer radikal ohne Wenn und Aber gelebt hat. „Es gibt keinen hoffnungslosen Fall, weil es für Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt“, ist die Maxime des Theologen und ehemaligen Sozialarbeiters, der 1982 die Emmausgemeinschaft in St. Pölten gründete. Zu Beginn ein Auffangnetz für Haftentlassene, um Hilfe am Weg zurück in die Gesellschaft zu bieten, entwickelte sich daraus St. Pöltens größtes Sozialprojekt, das heute Wohnheime, Notschlafstellen, Tageszentren und eine Gärtnerei umfasst. Geholfen wird sozial Benachteiligten, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Jugendlichen in Problemsituationen oder obdachlosen Frauen. Selbst die Gründung des Sozialmarktes geht auf Rottenschlager zurück. Vogd zeigt sich von dessen Lebenswerk beeindruckt. „In diesen Jahren haben über 2.500 Gäste Aufnahme gefunden und vorsichtig die ersten Schritte auf dem Weg zurück begonnen, nachdem sie ganz tief nach unten gefallen waren.“ Für Rottenschlager waren sie immer eines: der Nächste.