MFG - Neverending Story
Neverending Story


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Neverending Story

Text Althea Müller
Ausgabe 11/2024

Ein Hundewelpe, viel zu früh von seiner Mama getrennt, angeblich gefunden in einem Plastiksackerl. Knapp 40 verwahrloste, kranke Katzen aus einer einzigen Großabnahme. Oder die behördliche Abnahme von zahlreichen, nicht-artgerecht gemeinsam gehaltenen Goldhamstern, die sich als strikte Einzelgänger fast zerfleischt hätten. In diesem Sinne: Willkommen beim Tierschutzverein St. Pölten.

 
Beim Lokalaugenschein im November laufen immer noch die Renovierungsarbeiten im Tierheim St. Pölten in der Gutenbergstraße: Am 4. Oktober, dem internationalen Welttierschutztag, hätte hier am großen Tag der Offenen Tür eigentlich der neue Umbau des Areals präsentiert werden sollen. Fast alle Bauarbeiten an den Räumlichkeiten sind nach zwei Jahren bereits fertiggestellt – möglich gemacht durch ein großartiges Zusammenspiel vom Team des Tierschutzvereins, der Bevölkerung und den Bau-Trupps.
Am Hochwasser-Wochenende Mitte September kommt dann aber auch hier die Flut: Teile des Umbaus werden überschwemmt, genauso wie das wertvolle Futter-Lager. Die geplanten Feierlichkeiten sind bis auf weiteres verschoben. Grundsätzlich aber gibt es für die wackere Truppe aus Mitarbeiter:innen und Ehrenamtlichen nicht besonders viel zu feiern. Denn das Thema Tierschutz zieht sich durch alle Lebensbereiche – und die Kette an tragischen Tier-Schicksalen reißt niemals ab.

Backstage im TSV STP
Als Erhalter und Betreiber des Viertelstierheimes ist der Tierschutzverein St. Pölten (TSV STP) für ein Einzugsgebiet von knapp 600.000 Niederösterreicher:innen und der Tiere zuständig. Rund eintausend tierische Schützlinge werden hier jedes Jahr aufgenommen, medizinisch behandelt, liebevoll beherbergt und betreut – und im besten Fall in ein neues Für-Immer-Zuhause vermittelt.
Verantwortlich für die Entwicklung des Tierheims war in den letzten zwei Jahrzehnten dabei vor allem Willi Stiowicek: Als Vorsitzender vom St. Pöltner Tierschutzverein leistete er rund 10.000 Stunden an ehrenamtlicher Arbeit für den Tierschutz. „Rund 8 Millionen Euro an Budget musste für die Unterbringung und Versorgung der Tiere in dieser Zeit aufgestellt werden. Große Unterstützung gibt es seit jeher von Stadt und Land, aber ohne die Hilfe der Tierfreund:innen aus der Region könnten wir das nicht stemmen“, hält Stiowicek fest.

Kein Happy End im Tierschutz
„Trotz zahlreicher weiterer ehrenamtlicher Helfer:innen musste in dieser Zeit auch die Anzahl der Mitarbeiter:innen im Tierheim auf neun Vollzeit-Dienstposten ausgebaut werden, um den steigenden Anforderungen und Tierzahlen gerecht werden zu können“, so Thomas Kainz. Er tritt – nach jahrelangem Engagement als Vorstandsmitglied und Obmann-Stellvertreter – seit der Generalversammlung im August als neuer Obmann auf. „Wir haben ein tolles ehrenamtliches Team im Vorstand und bei den Helfer:innen“, streicht der neue Obmann das Positive heraus, „und unser Tierheim-Team ist Tag und Nacht im Einsatz, um den Tieren zu helfen.“ Ausblenden lässt sich der Realismus, den es im Tierschutz braucht, trotzdem nicht: „Ob behördliche Abnahmen und besonders in den letzten Jahren vermehrt Großabnahmen aufgrund von Animal Hoarding-Fällen oder etwa die Schicksale aus – oft auch noch illegalen – Qualzuchten heraus: Tierleid ist eine never-ending story, das hört nie auf“, so Kainz. „Wir sind jetzt zwar gut aufgestellt, werden aber auch in Zukunft jede Unterstützung brauchen.“
Neben den Kosten für Unterbringung, Futter und Spezial-Futter sowie medizinische Betreuung hängt sich schließlich auch das gesamte Team plus Ehrenamtlichen mit vollem Einsatz rein – nicht selten sogar 24/7, wenn es um Tod oder Leben geht. Wie bei der versuchten Rettung von sieben Flaschen-Kätzchen Ende September: „Wir haben nach unserer Verständigung über die mutterlosen Kitten unter einem Holzstoß die stark unterkühlten und unterernährten Kleinen geborgen und ins Tierheim gebracht – mit Wärmeflaschen bereits beim Transport und höchster Vorsicht“, erzählt Tierheim-Leiterin Victoria Bischof sichtlich bewegt. Danach teilte sich das engagierte Team auf, um die einzelnen Kätzchen zu wärmen und mindestens stündlich mit Fläschchen zu füttern. „Aber über drei Tage hinweg haben wir leider trotzdem alle Kitten verloren“, erinnert sich Bischof mit Wehmut und auch Wut daran. Denn: „An unkontrolliertem Nachwuchs gerade bei freilaufenden Hauskatzen und heimatlosen Streunern hängt so viel Tierleid, das mittels Kastration zu verhindern wäre“, appelliert sie zum sicher tausendsten Mal im Rahmen ihrer jahrelangen Arbeit im Zeichen des Tierschutzes.

Dringender Appell: Lasst eure Katzen kastrieren und impfen!
Gerade die Kastrationspflicht für eigene Freigänger-Katzen führt Bischof nochmals erklärend aus: „Ganz egal, wie jung oder alt eure Katze ist und egal, ob sie ‚doch nur im Garten ist‘ – wirklich jede Katze, die die eigenen vier Wände verlässt, muss kastriert sein“, betont sie eindringlich. Die Populationen von Streunerkatzen sind auch hierzulande im Steigen begriffen. Die Anzahl kranker und schwerverletzter Babykatzen steigt jedes Jahr. „Je mehr unkastrierte Katzen herumlaufen, desto mehr Nachwuchs kommt auf die Welt, der dann bereits nach wenigen Monaten wieder Nachwuchs produzieren kann“, stellt Bischof eine drastische Rechnung auf. Sie weiß, wovon sie spricht: Kaum eine gesunde Katze kommt ins Tierheim, fast alle sind von ansteckenden Krankheiten betroffen, benötigen umfassende medizinische Betreuung und eine lange Genesungszeit. Jeder Mensch, der Katzen mit Freigang hält, steht darum in der Pflicht, diese kastrieren – und auch impfen – zu lassen. 

Menschengemachtes Tierleid
Auch Alexandra Leitold, Geschäftsführerin des Tierschutzvereins, weiß einiges aus ihrem beinahe lebenslangen Engagement für die Tiere zu erzählen. Etwa, dass das Tierleid um uns herum ganz klar in allen Bereichen menschengemacht ist.
Die Wildtiere kämpfen mit der Verkleinerung von natürlichen Lebensräumen sowie dem Einsatz von Umweltgiften. Die Nutztiere – oft unter widrigsten Bedingungen gehalten – werden rücksichts- und anstandslos über weite Strecken transportiert, um zum Zielort ihrer Schlachtung zu kommen – damit wir im Supermarkt zu allen tierischen Produkten greifen können. „Und was etwa als Haustiere gehaltene Exoten angeht“, holt Leitold aus, „stellen diese sehr hohe Anforderungen an eine artgerechte Haltung dar, über die dann auch noch viele Falschinformationen kursieren. Für all das sind wir Menschen direkt oder indirekt verantwortlich.“ – „Und deshalb sehen wir Tierschutz in der Zuständigkeit von allen Menschen“, fügt Bischof hinzu.
Auf den Hund gekommen
Übrigens: Das selbstständige Durchgehen oder auch die laufende Führung durch die Hundezwinger, wie vor vielen Jahren noch in Tierheimen üblich, gibt es heute längst nicht mehr. „Das bedeutet für die sensiblen und sowieso schon sehr nervösen Hunde nur noch mehr Stress, Angst und Aufregung“, erklärt Bischof. „Weiters sind wir immer mehr mit ‚schwierigen Hunden‘ konfrontiert. Hunde werden aus dubiosen Quellen übernommen und sollen dann ein bis zwei Jahre später ins Tierheim, weil sie nicht mehr händelbar sind.“ Bei Interesse für einen Vergabe-Schützling auf der Website tsvstp.at wird nach der Kontaktaufnahme mit dem Tierheim ein individueller Kennenlern-Termin rein nur mit diesem einen Hund vereinbart.
Thomas Kainz, früher über viele Jahre hinweg selbst engagierter Hundehalter, appelliert hier eindrücklich: „Bitte übernehmt Hunde aus seriösen Quellen – adoptiert sie aus namhaften Tierschutzvereinen, sucht euch eine:n gute:n Züchter:in, wenn es unbedingt ein Rassehund sein soll – und informiert euch vorab über die Haltung und das bedürfnisorientierte Training.“ Auch bei letzterem gilt es, achtsam zu sein: In Österreich ist „Hundetrainer:in“ kein geschützter Beruf, jede:r kann sich so nennen. Offizielle Gütesiegel wie z.B. „Tierschutzqualifizierte:r Hundetrainer:in“ oder entsprechende Vereine können hier bei der Auswahl behilflich sein.

Tierisches Klassenzimmer 
Alexandra Leitold war es, die das Konzept vom „Tierischen Klassenzimmer“ in Deutschland entdeckt und für so gut befunden hat, um in ähnlicher Form auch in St. Pölten präventiven Tierschutz voranzutreiben. Im Zuge des Umbaus wurde darum eine entsprechende Räumlichkeit adaptiert. Ab voraussichtlich Anfang 2025 wird hier ein Ort der Wissensvermittlung sein – eine Plattform für den Tierschutz von Kindesbeinen an oder auch von der Pike auf. Die aktuell in der Planungsphase stehenden Kurse, Workshops, Vorträge und Schulungen richten sich im ersten Schritt vorwiegend an Schulen ab der 3. Volksschulklasse sowie – mit ausgewählten Spezialthemen – an Privatpersonen.
„Unter Tierliebe verstehen wir den Wunsch, Tieren ein so schönes Leben wie möglich zu ermöglichen“, erklärt Leitold, als sie uns die neuen Kleintiergehege zeigt, die Teil des Tierischen Klassenzimmers sein werden. „Dazu, sich über die Bedürfnisse und Körpersprache des jeweiligen Tieres im Klaren zu sein, und die Tiere dabei zu unterstützen, gehört auch, sich selbst als Mensch mitunter zurückzunehmen – und den Tieren auch eine freie Wahl zu lassen. Zum Beispiel, ob sie Körperkontakt wünschen oder nicht. Schlussendlich, ganz ehrlich, kann ‚Liebe zum Tier‘ auch bedeuten, sich aktiv gegen ein eigenes Haustier zu entscheiden.“
Aber auch in diesem Fall – also, wenn eine Adoption nicht infrage kommt – kann den Hunden, Katzen und Kleintieren im Tierheim trotzdem geholfen werden. Etwa mit dringend benötigten Geld-, Sach- und Futterspenden oder mit der Übernahme einer Patenschaft.
Abschließend ist sich das Tierheim-Team einig: Egal, wie schwierig der Arbeitsalltag mitunter auch sein mag – die schönsten Momente sind immer dann, wenn ein Tier glücklich vermittelt wird. Und in sein Für-Immer-Zuhause einzieht.

INFOS
Der Tierschutzverein St. Pölten bedankt sich im Namen seiner zahlreichen tierischen Schützlinge ganz herzlich bei allen Menschen, die mit ihren Spenden, durch die Übernahme von Patenschaften oder Einkäufe im Shop auf der Website unterstützen. Alle Spenden kommen zu 100 % den Tieren in der Region zugute. Übrigens: Der neue, wieder besonders liebevoll gestaltete Kalender für 2025 ist bereits im Shop zu bestellen.

Spendenkonto Tierschutzverein
IBAN AT20 2025 6000 0061 6193

https://tsvstp.at