MFG - Ist unabhängiger Journalismus noch zu retten?
Ist unabhängiger Journalismus noch zu retten?


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St. Pöltens gute Seite

Ist unabhängiger Journalismus noch zu retten?

Text Georg Renner , Jakob Winter
Ausgabe 11/2024
GEORG RENNER
Der Wilhelmsburger ist freier Journalist bei der Wiener Zeitung und DATUM.

Wenn Journalisten über Medien und Medienpolitik schreiben, hat das einen gewaltigen Vorteil: Sie, liebe Leserinnen und Leser, wissen ganz genau, dass wir da ein gewisses Eigeninteresse haben. 
Nachdem wir das festgestellt hätten: Niederösterreich im Ganzen und St. Pölten im Besonderen hat da gegenüber unserem kleinen Nachbarn Wien ein Problem. Während dort eine vielfältige Medienszene herrscht – neben ORF und klassischen Zeitungen gibt es inzwischen eine recht lebendige Auswahl an Community-Magazinen, lokalen Portalen, Startups usw. –, ist unser schönes Heimatbundesland eher eintönig, was professionell gemachte Medien angeht. 
Manches davon ist strukturell bedingt: Wirtschaftliche Ökosysteme ziehen weitere Einwohner an, das heißt: Wo es schon viele Medien gibt, entstehen auch eher neue. Dann sind da die Distanzen: Obwohl Nieder­österreich fast so viele Einwohner wie Wien hat, leben sie viel weiter verstreut – das macht Berichterstattung aufwendiger und Werbeverkauf schwieriger. 
Manches hat sich derweil auch gebessert, etwa die Ausbildungssituation: Die FHs in St. Pölten und Wiener Neustadt bieten eigene Lehrgänge für Journalisten und Medienmacher an – nicht zuletzt mit der Idee, die Branche in Niederösterreich zu stärken.
Aber neben solchen strukturellen gibt es auch einen hausgemachten Faktor, warum die Medienszene in der Bundeshauptstadt weit dynamischer ist als außerhalb: Das schnöde Geld. Wien nimmt für seine „Medieninitiative“ jährlich rund drei Millionen Euro in die Hand, um Journalisten und Medienprojekte in der Stadt nach einer Jurybeurteilung zu unterstützen. Vergleichsweise wenig Geld mit großem Effekt: Wer in dem aktuellen Transformationsprozess – wie, ehrlich gesagt, ich – überlegt, wo er ein neues Produkt starten soll, zuhause in Nieder­österreich oder doch in Wien, für den kann das durchaus einen Unterschied machen. Mit der Folge, dass ein paar Jahre später dann wieder großes Erstaunen herrscht, dass sich Medienmarken alle in Wien konzentrieren.

JAKOB WINTER
Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.

Es ist das gute Recht jeder Bundesregierung, sich ein paar fähige PR-Auskenner in die Kabinette zu setzen und die Message zu kontrollieren. 
Es ist der Job von Journalismus, genau das zu durchschauen, die richtigen Fragen zu stellen, Probleme zu analysieren und unvoreingenommen nach Lösungen zu suchen. 
Blöd nur, dass den meisten Medien von allen Seiten die Einnahmequellen wegbrechen. Abozahlen sinken genauso rapide wie die Werbeerlöse, die sich zunehmend zu den großen Digitalkonzernen verschieben. Kündigungswellen sind die Folge. In diesem Land steht immer weniger Recherche-Power immer mehr PR-Personal gegenüber. Wie kommen wir da wieder raus? 
Einfache Antworten gibt es nicht. Der naheliegende Ruf nach der Regierung ist heikel, denn natürlich kann eine Erhöhung der Presseförderung den ökonomischen Druck kurzfristig mildern oder – eher selten – sogar finanziellen Spielraum für Innovation schaffen. Dieses Geld wird es für eine Übergangsphase sicher brauchen.
Bloß birgt das eine nicht unerhebliche Gefahr: Jede öffentliche Förderung erhöht die Abhängigkeit der Medien von denen, die sie eigentlich kontrollieren sollen. Nicht weil es für das Geld irgendwelche Gegenleistungen gibt, sondern weil jede öffentliche Förderung meist auch wieder gestrichen werden kann. Wer sein Geschäftsmodell auf Zuwendungen aufbaut, macht sich verwundbar. 
Öffentlich-rechtlichen Medien wie dem ORF und der „Wiener Zeitung“ ist dieses Bedrohungsszenario gut bekannt. Nicht falsch verstehen: Wir brauchen sie. Es ist wichtig, dass es sie gibt. Aber wir müssen uns ihrer Vulnerabilität bewusst sein. Negativ-Vorbilder wie Ungarn haben gezeigt, wie schnell sich Mächtige ein paar kritische Fragensteller vom Hals schaffen können.
Wer sich unabhängigen Journalismus wünscht, kann daraus nur einen Schluss ziehen: die eigenen Lieblings-Medien auch finanziell zu unterstützen. Vielleicht gibt es doch eine einfache Antwort – und die fängt bei Ihnen an.