Helmut Schwarzl – „Der FC32 war ein Glückstreffer!“
Text
Thomas Schöpf
Ausgabe
Seit Mai 2017 leitet Helmut Schwarzl als Präsident die Geschicke des SKN St. Pölten. Eine herausfordernde Ära: 2021 erfolgte der Abstieg aus der Bundesliga, und ihren mit negativem Eigenkapital prall gefüllten Rucksack konnten die „Wölfe“ bis heute nicht loswerden. Wie da der australische Investor „FC32“ helfen soll und warum er sich das Amt überhaupt noch antut, darüber sprach Schwarzl mit MFG – Das Magazin.
Warum hat der australische Investor „FC32“ eine St. Pöltner Gruppe an Investoren ausgestochen und sitzt nun beim SKN drin?
Im Prinzip hat die langfristige Perspektive entschieden, die Chance, den SKN wieder in die höchste Liga zu Dafür brauchst du gewisse budgetäre Voraussetzungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du es mit lokalen Investoren wieder nach oben schaffst, ist schwierig bis unmöglich, ohne zwei drei richtig große Sponsoren, die dir stets die Treue halten. Mit dem FC32 war der Fortbestand des Vereins gesichert und auch die Perspektive, dass wir sportlich wieder angreifen können. Wir sehen uns langfristig nicht in der 2. Liga. Ziel muss es sein, so rasch wie möglich rauf zu kommen.
Sie haben den Fortbestand des SKN angesprochen – bestand Gefahr im Verzug?
Ja, weil es darum ging, dass wir überhaupt die Lizenz bekommen. Dank FC32 ist das gelungen. Und mit FC32 können wir die Altlasten in den nächsten Jahren sicherlich beseitigen. Am Ende der Saison 2022/23 hatten wir minus 1,3 Millionen Eigenkapital. Wenn du da keine Perspektive hast und das negative Eigenkapital reduzierst, bekommst du keine Lizenz. Da war es nach dem Ausstieg von Wolfsburg nötig, dass wir jemanden haben, der uns unterstützt.
Hat man in der Vergangenheit vielleicht zu viel Risiko genommen, um wieder aufzusteigen?
Nein. Ich habe den Verein schon mit einem hohen negativen Eigenkapital übernommen. Wir haben es nicht geschafft, das runterzubringen und in die schwarzen Zahlen zu kommen. Unter Minus 800.000 sind wir nicht gekommen, haben also immer einen Rucksack mitgeschleppt. Wir haben auch nicht mehr die großen Sponsoren, die wir früher hatten. Und Wolfsburg wollte ja nicht an Bord kommen, um irgendwelche Altlasten von uns zu beseitigen, sondern um Spieler zu entwickeln. Deshalb muss man ihnen hoch anrechnen, dass sie auch nach dem Abstieg zunächst dabei geblieben sind. Das war unglaublich fair. Der Ausstieg erfolgte letztlich mit dem Argument, dass sie keine Spieler überzeugen können, in die zweite österreichische Liga zu gehen. Wobei ich behaupte, dass man sich hier auch erst einmal beweisen muss. So schwach ist diese Liga nicht.
Für wie lange ist das Engagement von FC32 eigentlich anberaumt?
Es ist nicht befristet. FC32 ist beteiligt an der SKN St. Pölten GmbH und somit auch Miteigentümer. Der Verein war bisher 100 Prozent Eigentümer der GmbH, der FC32 hat nun 49 Prozent und wir halten weiter 51 Prozent. Wir sind der erste von künftig wohl sieben Vereinen, an denen sich FC32 in Europa beteiligen will. Ziel ist es, in dieser Multi-Klub-Strategie junge Talente entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu entwickeln, sie zu guten Fußballern auszubilden, um sie am Ende gewinnbringend am Transfermarkt zu verkaufen. Über diese Transfer-Erlöse soll sich damit das Investment langfristig rechnen, ähnlich, wie es Salzburg mit Leipzig bzw. Liefering praktiziert. Mit professioneller, sportwissenschaftlicher Arbeit kann man junge Sportler optimaler betreuen und entwickeln. Der FC32 hat hier eine hervorragende Expertise, wie auch in der Daten-Analyse und beim Scouting. Da unterstützen sie unseren hauptamtlichen Sportdirektor Christoph Feiertag durch ihre Ressourcen und ihr Netzwerk.
Sie haben die Multi-Klub-Strategie angesprochen. Der SKN ist der erste Verein, wann sollen weitere unter das Dach des FC32 folgen?
Es sind aktuell mehrere Klubs im Gespräch, da hat FC32 schon eine klare Strategie. In den nächsten zwei, drei Jahren soll das Ziel erreicht werden. Es gibt viele Vereine, bei denen die Türen sozusagen offenstehen. Das werden natürlich keine Top-Klubs mit Budgets von 50 Millionen Euro oder mehr sein. Der FC32 will ja sportlich auch mitbestimmen können. Grundsätzlich bin ich guter Hoffnung, dass sie dieses Ziel erreichen werden.
Im Fokus liegt dabei aktuell Europa, oder täuscht das?
Das Engagement ist bislang europäisch, aber es sind auch Kooperationen mit afrikanischen Schulen angedacht. Über diesen Weg wird auch der afrikanische Markt hinsichtlich des Scoutings von Talenten genutzt werden. Didier Drogba wirkt da als Berater von FC32 mit und wird mit seiner großen Erfahrung und seinem afrikanischen Netzwerk unterstützen.
Warum verlief der Saisonstart so holprig, und warum wurden fast nur ausländische Spieler verpflichtet?
Der FC32 ist erst im Herbst letzten Jahres gegründet worden, wollte eigentlich erst später einsteigen. Aufgrund der Lizenzfrage ist dann aber alles sehr schnell gegangen, die Zusammenarbeit musste vertraglich fixiert werden und wir konnten dadurch erst spät am Transfermarkt aktiv werden. Das hatte den Nachteil, dass interessante österreichische Spieler, die für uns auch leistbar gewesen wären, nicht mehr verfügbar waren. Dass wir nun so viele Ausländer im Kader haben, ist also einerseits der Zeit geschuldet, aber andererseits vor allem auch dem Anspruch, Spieler mit Perspektive zu verpflichten. Ablösen konnten wir nicht bezahlen, dennoch ist es gelungen, interessante Spieler an Bord zu holen. Ramiz Harakate etwa ist aus der fünften französischen Liga gekommen. Auf so einen Spieler kommst du normal nicht. Aber er hat schon gezeigt, was er zu leisten imstande ist. Am Ende muss man schon auch sagen: erfolgreicher Fußball ist heutzutage international.
In der 2. Liga gibt es aber durchaus Vereine mit mehreren „local heroes“.
Aber können die aufsteigen? Ich glaube nicht. Es gibt nur eine Handvoll Klubs, die aufsteigen können. Die Österreicher sind nun einmal teurer, weil der Markt sehr überschaubar ist. Am Ende ist es unser Ziel, möglichst rasch wieder sportlich erfolgreich zu werden, dafür braucht es Qualität im Kader und eine konsequente und professionelle Arbeit.
Ein Name, der zuletzt wieder präsenter in St. Pölten war, ist Frank Schreier. Gehört er zu FC32, oder hat er nur für eine Provision vermittelt?
Frank Schreier hat nur vermittelt und gehört nicht zu FC32, er ist nach wie vor ein erfolgreicher Spielerberater.
Von ihm haben Sie aktuell gleich acht Spieler im Kader, ist das nicht eher unüblich?
Das ist reiner Zufall. Frank hat keine andere Situation als jeder andere Spielerberater bei uns. Wir sind da komplett offen, es gibt keinerlei Bevorzugung. Er ist sehr vernetzt und am internationalen Markt gut vertreten. Beispielsweise hat auch Wolfsburg immer sehr gut mit ihm zusammengearbeitet. Sein Interesse mit dem SKN zusammenzuarbeiten beschränkt sich ausschließlich auf die Rolle als Spielerberater.
Kommen wir zum Sportlichen. Während es zuhause nach wie vor miserabel läuft, sind zuletzt fünf Auswärtssiege in Folge beachtlich.
Ja, der Aufschwung in den letzten Wochen freut uns. Aber im Prinzip ist ein Heimsieg wichtiger, vor eigenem Publikum ist ein Sieg wesentlich höher zu bewerten. Das habe ich dem Trainerteam auch als oberstes Ziel ausgegeben.
Sportlicher Erfolg als Grundbooster für Identifikation – die hat die letzten Jahre ja sehr gelitten.
Es ist wichtig, den SKN generell wieder attraktiv für unsere Fans und Partner zu machen, da braucht es neben den sportlichen Erfolgen auch ein professionelles Marketing. In diesem Bereich kann uns ebenfalls FC32 aufgrund seiner Expertise sehr helfen, etwa auf Social Media.
Entscheidend dafür ist aber auch die Nachwuchsarbeit, sie stärkt die Regionalität und sie generiert auch die Fans von morgen.
Viele befürchteten mit dem Einstieg des Investors ja eine Art Aufgabe der eigenen DNA.
Wir werden die Identität sicher nicht ablegen und der SKN St. Pölten bleiben, egal was passiert. Im Gegenteil, mit diesem Partner haben wir viele Chancen und Möglichkeiten. Sie haben uns nicht nur in einer schwierigen Phase nach dem Ausstieg von Wolfsburg geholfen, die Zusammenarbeit ist vielmehr eine Chance für die Zukunft des SKN St. Pölten.
Paul Francis identifiziert sich voll mit dem Verein und St. Pölten, selbst seine Frau und seine Kinder fühlen sich hier außerordentlich wohl. Paul ist sehr häufig in St. Pölten, diese Bindung ist also viel mehr, als einfach nur Geld zu investieren und zu erwarten, dass es mehr wird. Wir wollen gemeinsam mehr erreichen, daher können wir nicht auf einem Budget-Niveau von rund zwei Millionen Euro jahrelang, wie viele andere Klubs, in der 2. Liga spielen. Das ist nicht unser Anspruch. FC32 war deshalb ein Glückstreffer!
Wie ist eigentlich aktuell die Stimmung innerhalb des Vereins nach diesem großen Einschnitt? Manche sind ja im Streit ausgeschieden. Umgekehrt gibt’s viele neue Gesichter.
Die Grundstimmung ist positiv, zerstritten sind wir nicht. Die sportliche Situation kostet naturgemäß viel Energie, das ist belastend. Aber die aktuell handelnden Personen arbeiten gerne für den SKN und müssen jetzt neu zusammenwachsen. Die Sportabteilung zum Beispiel ist ja komplett neu aufgestellt worden, einige sind nicht aus Österreich. Es lernen aber alle intensiv Deutsch. Trainer Tugberk Tanrivermis spricht fünf verschiedene Sprachen fließend! Das ist natürlich ein großer Vorteil. Wir wollen jedenfalls, dass alle Akteure in St. Pölten leben und hier gesehen werden, um am Ende die Identifikation der Bevölkerung mit dem SKN wieder zu fördern. Und natürlich hoffen wir, dass aus diesem Kader wieder einmal einer richtig aufzeigt und zur Identifikationsfigur wird. Das tut auch den Spielern gut und fördert die Leistungsfähigkeit. Jeder Spieler, der gut performt, steigert natürlich seinen Wert, das soll er idealerweise möglichst lange bei uns machen, bevor er dann den nächsten Karriereschritt setzt.
War Cheikhou Dieng, der 2017 zu Basaksehir wechselte, der bislang einzige Abgang mit einem sechsstelligen Transfererlös?
Rio Nitta, Franz Stolz und Jaden Montnor haben wir auch um sechsstellige Beträge verkauft. Aus der zweiten Liga heraus ist es natürlich sehr, sehr schwer, gute Summen zu lukrieren.
2019, als wir Sie interviewten, wähnten wir nach der Transfersperre den SKN in der Krise und lamentierten über „nur“ 3.400 Zuschauer. Seither gings noch weiter bergab – gibt’s manchmal Momente, in denen Sie sich denken: Warum tu ich mir das eigentlich an?
Bereut habe ich es noch nie. Aber es ist schon eine Hochschaubahn. Es ist prinzipiell belastend, dass du im Fußball nie alle Fäden selbst in der Hand haben kannst. Damit kann sich eine positive Situation rasch ins Gegenteil verkehren, wenn du zum Beispiel, wie es uns passierte, einen Erfolgstrainer, wie Kühbauer hast, der weg will und du ihn nicht halten kannst.
Und das Geld spielt im Fußball eine ganz wesentliche Rolle, diesbezüglich ist es in den letzten Jahren nicht leichter geworden – besonders auch durch die Pandemie und die wirtschaftliche Situation im Allgemeinen. Mit dem Abstieg ist es dann wie mit einer fallenden Aktie, du kannst es nicht mehr aufhalten. Bei einem Abstieg in Österreich wird dir quasi die komplette finanzielle Grundlage entzogen.
Natürlich habe ich oft nachgedacht, ob dieser freiwillige Einsatz mit allem Für und Wider noch dafürsteht. Andererseits ist es nicht mein Grundprinzip, in einer schwierigen Phase einfach zu gehen. Ich glaube nach wie vor fest daran, dass wir es schaffen können, absehbar den Verein wieder auf die Erfolgsspur zu bringen und den Meisterteller in der Hand zu halten. Dieser Moment kommt, davon bin ich hundertprozentig überzeugt und dafür lohnt es sich zu kämpfen!