MFG - Angeschwärzt?
Angeschwärzt?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Angeschwärzt?

Text Florian Kogler
Ausgabe 11/2006

Sieht man unseren Körpern an, wie regelmäßig wir Ärger machen? Ist etwas dabei, wenn man Ausländern Lokalverbot erteilt? Sind wir alltägliche Szene-Rassisten? Und: Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Es ist Feierabend und Sie gehen mit alten Freunden Abendessen. Die Stimmung passt, und so wechseln Sie in ein zweites Lokal, das besser zur fortgeschrittenen Stunde passt. Dort angekommen gehen Sie zur Eingangstür, Ihre Freunde gehen voraus, plötzlich tritt Ihnen der Türsteher in den Weg und lässt Sie nicht vorbei. Das einzige, was Sie von Ihren Freunden unterscheidet, ist Ihre Herkunft. Es liegt nicht an Ihrem Benehmen, es liegt nicht an Ihrer Kleidung. Sie sind weder zu jung, noch zu alt. Sie sind einfach ein „Ausländer“. Die Staatsbürgerschaft spielt dabei übrigens keine Rolle, die sieht man Ihnen nämlich nicht an. Es gibt nichts, was Sie ändern könnten. Und somit auch nichts, was Sie dafür könnten. Willkommen in St. Pölten. Mitten in Europa. Nicht irgendwann in der Vergangenheit, denn: das passiert heute Abend!
Nur ein Satz
Es ist kein Geheimnis, dass manche Lokale keine Ausländer reinlassen. Zumindest nicht gern, und wenn dann eher ausnahmsweise. Es ist auch kein Geheimnis, dass es beim Nachtleben schon mal zu Reiberein kommt. „Die Frage Ausländer und Lokalverbot stellt sich wohl schon so lange, so lange es Lokale und Ausländer gibt“, meint der städtische Jugendkoordinator Wolfgang Matzl. Acht Jahre leitete er ein Jugendzentrum und sammelte dabei viel Erfahrung, vor allem mit türkisch-stämmigen Jugendlichen. „Sie sind sicher nicht aggressiver, aber sie sind lauter, das wirkt auf uns dann bedrohlicher. Zudem lassen sie sich aufgrund ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Normen sehr viel leichter provozieren. Da reicht ein Satz über die Schwester und schon sprechen die Fäuste. Gibt es in ihren Reihen einen Unruhestifter, so halten sie zusammen, in jeder Lage. Das macht es für Lokalbetreiber natürlich sehr schwer und führt dann wohl zu den kollektiven Verboten“, so Matzl. Angesprochen auf Schwarzafrikaner meint Matzl: „Das ist meiner Meinung nach reiner Rassismus. Weder habe ich gehört, dass von diesen ein höheres Aggressionspotential ausgeht, noch dass das oft thematisierte ‚Drogenthema’ mit Fakten begründbar wäre.“
Generell impulsiver
Die gebürtige Serbin Dali Koljanin ist Leiterin des Hollywood Megaplex und zudem für das Lokal Mundos verantwortlich, in welchem mit der Balkan Night auch regelmäßig ganz bewusst „ausländisches“ Publikum angesprochen wird. Sie sieht die Fortgeh-Situation in St. Pölten eher entspannt: „Bei unseren Partys wird niemand schief angeschaut, da feiern Bosnier, Serben, Kroaten, Türken, Tschechen, Polen – und natürlich Österreicher, damit die mal sehen, was eine gscheite Party ist! Aber wir sind alle Menschen, trinken mitunter zuviel, da passiert schon mal was, aber bis jetzt noch nie was Grobes. Viel erschreckender finde ich aber, dass die Menschen seit der letzten FPÖ-Plakatkampagne – etwa ‚Daham statt Islam’ – schon auffallend rassistischer geworden sind.“
Das Kinozentrum und die dort angesiedelten Lokale haben in der heimischen Fortgehlandschaft einen besonderen Status, liegen sie doch in einer polizeilichen Schutzzone, wodurch die Polizei leichter eingreifen kann. Hugo Schläger vom Wachzimmer Traisenpark: „Aus polizeilicher Sicht hat sich die Situation durch die Schutzzone massiv gebessert. Es ist auch richtig, dass Jugendliche mit ausländischem Hintergrund generell impulsiver sind, das ist ihre Mentalität, brutaler sind sie dadurch aber keinesfalls. Die Tatsache, dass bei einem Streit gleich zehn Leute beisammenstehen, macht die Arbeit der Polizei halt nicht gerade leichter.“
Alle Menschen sind gleich?
Norbert Bauer betreibt die Clubs Maquie und Warehouse. Er führt es auf das unterschiedliche Musik-Programm zurück, dass ausländisch-stämmige Gäste eher im Pottenbrunner Maquie als im Warehouse anzutreffen sind. Bauer: „Bei uns ist jeder willkommen - außer Besucher, die in der Vergangenheit bereits negativ aufgefallen sind, etwa durch Stänkereien. Ob Ausländer oder Inländer ist dabei egal. Im Maquie haben wir sicher das multikulturellste Publikum im Fortgeh-St. Pölten!“
Aber auch dort kommt es zu Komplikationen: „Vielleicht werfen die vereinzelten Lokalverbote ein schlechtes Licht auf uns Betreiber, sie sind aber dennoch berechtigt. Ich bin mir zu 99% sicher, dass nur Leute mit Lokalverbot keinen Einlass fanden. Schwierig wird es nur dann, wenn jemand mit einer ‚vorbelasteten’ Gruppe unterwegs ist.“ Und warum sind Ausländer öfter vom Lokalverbot betroffen, als Inländer? Bauer: „Unsere Erfahrung zeigt, dass türkischstämmige Besucher öfters Ärger machen. Dabei spielt vor allem die Gruppenbildung eine Rolle. Es gibt ja auch die andere Seite. Leute, die sich bei mir beschweren, es seien zu viele Ausländer im Maquie. Aber davon halte ich nichts! Alle Menschen sind gleich. Klingt zwar dumm, ist aber so.“
100 Euro Strafe?
Abgesehen von der Realität. Wie steht es um das Gesetz? Erfährt eine Person wegen ihrer Herkunft oder Religion eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person, so liegt unmittelbare Diskriminierung vor (Art IX Abs 1, Z 3 EGVG). Zeugen bzw. Opfer können solche Fälle bei der Bezirksverwaltungsbehörde (BH bzw. Magistrat) anzeigen. Theoretisch wäre auch die Polizei verpflichtet solche Fälle automatisch an die BH weiterzuleiten – es handelt sich um ein sogenannten „Offizialdelikt“, d.h. die Beamten müssten einschlägige Sachverhalte unaufgefordert an die zuständige Behörde weiterleiten. Mag. Wolfgang Zimmer, Jurist des Vereins ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit): „Beim Erstbegehungsfall wird wohl eine bescheidene Strafe von rund 100 Euro fällig, im Wiederholungsfall sind maximal 1.090 Euro Strafe möglich. Theoretisch könnte ein diskriminierender Gastronomiebetrieb sogar die Gewerbeberechtigung verlieren, aber so ein Fall ist uns nicht bekannt. Durch die relativ geringe Strafandrohung kann man davon ausgehen, dass sich ein Lokal ‚ausrechnen’ kann, wie lange es sich rentiert, rassistisch zu sein.“ ZARA dokumentiert Alltagsrassismus-Fälle, ist dabei auf Zeugen bzw. Betroffene angewiesen. Repräsentative Statistiken zur Thematik der rassistischen Türpolitik gibt es nicht, jedoch können qualitative Aussagen getroffen werden. Im Rahmen des ‚Lokal Rassismus Test’ wurde etwa festgestellt, dass von elf getesteten Lokalen, nur bei drei Lokalen „Araber“ und „Afrikaner“ einer Testgruppe auf die selbe Weise behandelt wurden wie „weiße“ Personen. Der Verein berät darüber Betroffene: „Die Anzeige an die BH hat den Vorteil, dass man kein Prozesskostenrisiko trägt, der gravierende Nachteil ist aber, dass man keine Parteistellung hat und somit weder eine offizielle Benachrichtigung über den Ausgang des Verfahrens bekommt, noch irgendeine Form von ‚Wiedergutmachung’“.
Zivilrechtlich kann man seit der letzten Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes (GIBG) die durch Diskriminierung erlittene Beeinträchtigung als Opfer einklagen. §34 Absatz 1 Ziffer 4 verbietet es, Menschen auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit (dies umfasst auch die Hautfarbe) vor der Inanspruchnahme einer Dienstleistung, die der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, auszuschließen. Negativer Aspekt: das erhebliche Prozesskostenrisiko. Angesprochen auf das Recht eines Lokalbetreibers, selber zu entscheiden, wer denn sein Lokal betreten darf, antwortet Zimmer: „Man kann sich seine Gäste nach gewissen Kriterien der ‚Zielgruppe’ aussuchen, etwa nach Alter oder Kleidung. Wenn man aber zusätzlich nach Aspekten der Herkunft jemanden ausschließt, so ist das eindeutig verbotene Diskriminierung!
Betroffene im O-Ton:
Partnerstädte unerwünscht?
„Im Juli dieses §Jahres fand in St. Pölten ein Jugendkongress mit Teilnehmern aus drei Partnerstädten (Clichy, Brünn, Heidenheim) statt. Am Ende eines Tages begab man sich auf Anfrage der Delegation aus Clichy ins La Boom. Unsere Gruppe umfasste ca. 15 Leute, von denen alle anstandslos Einlass fanden, bis auf unsere vier Freunde aus Clichy. Von diesen war einer afrikanisch-stämmig, die andern drei aus dem Maghreb. Erst als man den T§ürstehern „ausdeutschte“, man sei für „die Stadt“ unterwegs und habe morgen ein Treffen mit dem Bürgermeister, ließen die Türsteher unsere vier französischen Gäste in das §Lokal.“
Du bist Ausländer…
Nach einer Studentenparty machten wir uns auf in Richtung La Boom. Dort betraten einige von uns ohne nennenswerten Kommentar das Gebäude. Mit den Worten “Du bist Ausländer...“ verwehrte ein Türsteher aber einem unserer Kollegen, der einen dunkleren Hautteint als die meisten anderen hat, den Eintritt. Auf Nachfragen meinerseits bestätigte er mir, dass unser Begleiter allein wegen seiner Hautfarbe das Gebäude nicht betreten durfte. Auf unser Verlangen den Besitzer zu sprechen, wurde uns nur forsch geantwortet, dass sich dieser nicht im Haus befinde…“