MFG - Alles beim Alten
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St. Pöltens gute Seite

Alles beim Alten

Text Matthias Steinperl
Ausgabe 10/2006

Man stellt sich irgendwann unweigerlich die Frage: Was war eigentlich damals anders, zu Zeiten eines Aelium Cetium (wie Sankt Pölten in grauer Vorzeit vor der Hauptstadtwerdung hieß)? War es anders?

Wir werden ungewollterweise Ohrenzeugen eines Gesprächs auf dem Kapitol, dem Amtssitz des Statthalters von Aelium Cetium, zwischen Hirsus Absolutus und seinen besten politischen Freunden innerhalb der Familie (allen beiden). Mit von der Partie: Sein Schreiber Petrus Aurus und sein Lehrmeister der Philosophie Willus Antiquus. In diesem Moment stürzt ein Bote in den Palast:

Der Bote: Ave, Hirsus! Ich überbringe eine wahrhaft frohe Botschaft! Sie sind auserwählt!
Petrus Aurus: Das muss ich gleich in mein »Aelium Cetium Concretum« ritzen!
Hirsus Absolutus: Du solltest mir Neuigkeiten berichten, Bote! Dass ich auserwählt bin, weiß ich dank meines väterlichen Freundes, Willus Antiquus, selbst. Veni, vidi, willi, sag ich da nur. Und das mit der Wählerei, wollte ich ohnehin gerade ansprechen. 60 Prozent, pah. Wie konnte das passieren? Zum Diktieren zu wenig, zum Tachinieren zu viel. Werft den Boten den Hasen zum Fraße vor!
Willus Antiquus: So freue er sich doch, dass ihn so viele gewählt haben und sich nicht schämen, die purpurne Toga nach draußen zu tragen.
Hirsus Absolutus: Ite cacatum!* Muss man euch hier alles erklären?! Erstens einmal: ein Drittel des Volkes war anscheinend wandern oder ist in das pulsierende Leben von Aelium Cetium eingetaucht. Und überhaupt: Die haben nicht mich gewählt, sondern die anderen nicht gewählt. Ich meine, Homosassus zum Beispiel, der ist ja die fleischgewordene Resignation vor der Wahlniederlage. Da kränkt mich ja sogar noch die eine Vorzugsstimme, die er sich selbst gegeben hat.
Petrus Aurus: Aber die haben alle weiter nichts zu melden. Ist das nicht toll, so eine Demokratie?
Hirsus Absolutus: Ich frage mich, ob das ganze Gewähle überhaupt noch dafür steht bei solchen Ergebnissen. Ich glaube, ich werde mich zum Kaiser krönen.
Willus Antiquus: Nicht so schnell, werter Hirsus. Was gedenkst du mit den anderen zu tun?
Hirsus Absolutus: Da hab ich mir schon was überlegt. Nonnus Singulus mache ich zum Verbündeten und übertrage ihm die wichtige Aufgabe, Streitwagenwege zu pflastern. Silvia Hortensia wird zur Streitwagenfahrerin. Das kommt ihrem Naturell entgegen, und der Umwelt kann sie ohne Katalysatus auch was Gutes tun. Germanus Extremus Dexter verkaufen wir am Sklavenmarkt nach Afrika, oder verschenken ihn.
Petrus Aurus: Welcher Sklavenmarkt? Ich krieg wieder mal nihil mit.
Hirsus Absolutus: Ich erzählte euch doch im Senat vom neuen Konzept für das Forum Peslianum. Was ich mich aber trotzdem frage: Warum konnte ein Germanus Extremus Dexter überhaupt Zuspruch erhalten? Bei uns landen doch wirklich keine fremden Besucher.
Willus Antiquus: Ich glaube, er meinte auch eher den Zuzug aus den benachbarten Barbarenprovinzen. Und warum hier keiner stehen bleibt, nährt eine Vermutung. Mich dünkt nämlich, wir haben uns etwas verplant. Ich hörte, dass ein paar Meilensteine weiter nördlich von hier ein großer Fluss an uns vorüberfließt.
Hirsus Absolutus: Wahrlich?! Wir brauchen umgehend eine Via Appia Rapida!
Petrus Aurus: Aber dann fährt doch das Leben noch schneller an uns vorbei!
Hirsus Absolutus: Papperlapapp. Ich befehle Schritttempo für Personensänften.
Während im fernen Vindobona Rapid regiert und im noch ferneren Rom Valentinian III., steht die Provinz Noricum unter der Herrschaft des berüchtigten Feldherrn Proellius Absolutus.

Proellius Absolutus: Absolute für Absolutus?! Die werden einfach nicht weniger!
Lupus Sobotus: Wir schon.
Proellius Absolutus: Mit so was macht man keine Witze! Sorge lieber dafür, dass es auch sie erwischt und erspar mir deine halblustigen Sentenciae. Wo bleiben deine genialen Ideen jetzt!
Lupus Sobotus: Sieh, Imperator. Das Provinzlazarett nennen wir unser eigen. Aber dort ist der Schoß noch fruchtbar für die Legionäre des Hirsus. Daher werden wir in Zukunft alle Sklaven des Lazaretts auf Hautrötungen prüfen und sie gegebenenfalls am Markt freisetzen. Denn solche Rötungen sind der Anfang unseres Endes.
Proellius Absolutus: Du bist ein Genius, Lupus!
Lupus Sobotus: Außerdem beschenken wir alle Kinder mit gelben Plastiktogen, auf denen groß geschrieben steht: »Proellius optimus est!«.
Proellius Absolutus: Nur geschrieben? Schade.
Im Palast zu Cetium ist Hirsus mittlerweile ins Schwärmen gekommen.
Hirsus Abolutus: Was ich der Plebs alles bringen will, möchtest du wissen? Tavernen für die Ewigkeit zum Beispiel. Ich verspreche dir,
diese Gaststätten werden in 2.000 Jahren noch genauso dastehen. Weiters will ich mein Volk mit der Cloaca Maxima beschenken. Auf dass es dort sich säubere  – außer Montags, da will ich die römische Therme für mich. Und die Halle C wie Caesar im Circus Maximus soll wieder zu dem werden, was sie einmal war.
Petrus Aurus: Ackerland?
Hirsus Absolutus: Oh, Saturn! Vergib ihm! Natürlich nicht! Zu einem großen Forum für Gladiatorenkämpfe aller Art.
Willus Antiquus: Hast du da konkret an irgendetwas gedacht?
Hirsus Absolutus: Naja, den Robbie Spartacus werden wir wohl nicht kriegen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass vielleicht Rainus Cocus seine Weisen zum Besten gibt.
Willus Antiquus: Schrecklich! Blutrünstig! Das Volk wird dich lieben, wenn du den gefürchtetsten aller Gladiatoren Noricums in die Arena holst!
Hirsus Absolutus: Nur dann?
Wissen tut nicht weh
Aelium Cetium war unter den Römern das, was St. Pölten heute unter den Roten ist. Ursprünglich nur eine einfache Siedlung, wurde sie von Kaiser Hadrian (117-138 n.Chr.) zum Municipium Aelium Cetium erhoben und hat sich seither nicht mehr vom Feiertaumel erfangen können.