MFG - An der Betreuungsfront
An der Betreuungsfront


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St. Pöltens gute Seite

An der Betreuungsfront

Text Anne-Sophie Müllner
Ausgabe 12/2010

12 afghanische Burschen im Alter von 15 bis 18 Jahren wohnen im Haus der Jugendbetreuung UMF im Norden St. Pöltens. Kriegswirren sowie Verfolgung durch die Taliban zwangen sie zur Flucht aus ihrer Heimat Afghanistan, für Kinder laut UN das derzeit gefährlichste Land der Welt. Von einem Leben ohne Eltern und einer Hoffnung namens Österreich.

Die Jungen sind in Österreich ganz auf sich alleine gestellt. Ihre Eltern haben sie entweder im Krieg oder auf der Flucht verloren – viele kennen Vater und Mutter nicht einmal. Über das Asylzentrum Traiskirchen sind sie in St. Pölten bei UMF gelandet, einer Einrichtung der Emmausgemeinschaft. „Die Burschen sind alle noch minderjährig. Bei uns erhalten sie umfassende Betreuung, die wirklich alle Bedürfnisse abdeckt“, umreißt Franziska Pernthaner den Sinn der Einrichtung. Schulbildung bringen die Jugendlichen selten mit, und wenn doch, dann zumeist ohne Abschluss. „Außerdem kann man zehn Jahre Schulbesuch in Afghanistan nicht mit zehn Jahren bei uns vergleichen. Die Jugendlichen haben daher oft Nachholbedarf“, erklärt Gerold Voglauer. „Sie sind aber sehr wissbegierig. Viele machen hier die Externistenprüfung! Sie sehen den Hauptschulabschluss als ein Geschenk“, fügt Pernthaner, sichtlich erfreut über die positive Einstellung der Jugendlichen, hinzu. Erst kürzlich hat einer ihrer Schützlinge „mit ausgezeichnetem Erfolg“ abgeschlossen. „Da waren wir alle happy. Das motiviert dann auch die anderen!“
Die Sache mit der Sprache
Sprachprobleme sind eher selten, meistens können die Jugendlichen bereits ein bisschen Deutsch. „Kommt darauf an, wie lange sie davor schon in Traiskirchen waren“, so Pernthaner. „Und Englisch geht meistens auch. Und wenn nicht, dann brauchen wir halt am Anfang einen Dolmetscher oder die anderen Jugendlichen helfen beim Übersetzen. Aber die Burschen sind wirklich voll motiviert Deutsch zu lernen!“ Auch ansonsten verläuft das Leben im Wohnheim problemlos: Es gibt Dienste und bestimmte Strukturen, an die sich die Bewohner halten müssen. Zwiste kommen selbstverständlich auch vor, aber „das ist normal, dass Konflikte geregelt werden müssen“, meint Voglauer. „Prinzipiell sind sie aber sehr friedlich, auch untereinander.“ Das bestätigen auch die Nachbarn, „die oft fragen, wo denn die Jugendlichen sind, weil es immer so ruhig ist.“ Die Integration in die Gesellschaft verläuft jedoch manchmal schwierig. Vorurteile stehen an der Tagesordnung, „z.B. werden die Jugendlichen manchmal auf der Straße gefragt ‚Bist du auch ein Terrorist?’ Für die Burschen ist es natürlich schwierig, mit dieser Situation umzugehen. Sie haben oft Hemmungen alleine hinauszugehen.“ Daher unternimmt man viel gemeinsam. Im Niemandsland
Auch bei der Wohnungs- und Arbeitssuche bleiben Vorurteile nicht aus, weshalb die Vermittlung manchmal schwer fällt. Zudem ist da die stete Unsicherheit, ob und wie lang man bleiben darf. Pernthaner: „Die Jugendlichen leiden sehr unter dieser Unsicherheit, stehen unter dauerndem psychischem Druck. Dazu kommt noch die traumatische Vergangenheit. Viele können nicht schlafen oder haben Albträume.“ Was nicht minder an den Nerven zehrt ist das Verstricken im Bürokratiedschungel der Asylpolitik, den sie nur zu gut kennt: „Es ist halt einfach schlimm, dass bei der Beurteilung, ob jemand Asyl erhält, die Mühe der Integration in Wahrheit nicht berücksichtigt wird. „Es gibt Fälle, wo man hundertmal sagen kann, dass sich jemand wirklich gut integriert hat und das auch von vielen Seiten bestätigt wird – aber das ist dem Gericht egal, denn bleiben darf nur, wer auch einen ‚guten Grund’ dazu hat, also dass er noch nicht in sein Land zurück kann, z.B. weil dort noch Krieg herrscht. Ich wünsche mir, dass bei der Asylentscheidung endlich auch die gute Integration beachtet werden würde.“
Flüchtlingsberatung der Caritas
An anderer „Front“ ist Rodríguez Toral tätig. Seit 2003 hilft sie als Flüchtlingsberaterin der Caritas Flüchtlingen und Migranten in asyl- und fremdenrechtlichen Fragen weiter. Es kommen sowohl Einzelpersonen als auch ganze Familien. „Im letzten Jahr sind Flüchtlinge aus 49 Ländern in unsere Beratungsstelle gekommen“, erzählt sie. Die meisten von ihnen haben Verfolgung in ihrer Heimat erfahren und sind oft traumatisiert und krank.
Die Asylwerber wohnen entweder in einer organisierten Unterkunft (Gasthaus, Pension, Heim) oder in privaten Mietwohnungen. „Sprachprobleme sind natürlich vorhanden, daher sind Deutschkurse sehr begehrt. Vertrauenspersonen und Freunde, die bereits über Deutschkenntnisse verfügen, helfen da sehr oft weiter“, erzählt Rodríguez aus der Praxis, wie sie überhaupt die Bedeutung von Sprache unterstreicht. „Sprachunterricht sollte als wesentlicher Bestandteil jeder Integrationsstrategie gut zugänglich, bezahlbar und sobald wie möglich nach der Ankunft verfügbar sein! Außerdem sollte ein chancengleicher Zugang zum Arbeitsmarkt gegeben sein und die berufliche Integration durch Anerkennung ausländischer Abschlüsse sowie dem Zugang zu berufspezifischen Bildungsmaßnahmen ermöglicht werden.“ Die Asylwerber sind besonders in der Anfangsphase ihres Aufenthalts oft mit einer Reihe sozialer, wirtschaftlicher und rechtlicher Nachteile konfrontiert und überfordert. „Gerade diese Empfangsphase hat aber einen großen Einfluss auf die spätere Integration von Menschen, deren Flüchtlingsstatus anerkannt wird.“ Einerseits müsse man stets berücksichtigen, dass Flüchtlinge „gewöhnliche Menschen in ungewöhnlichen Umständen“ sind und jede Person ihre individuelle Lebensgeschichte hat“, anderseits aber auch bedenken, dass „Flüchtlinge als Gruppe besondere Bedürfnisse haben, weil sie ihre Fluchterfahrungen vor eine Reihe von Integrationsbarrieren stellen.“
Rückkehrberatung
Im Falle einer Abschiebung bietet die Caritas der Erzdiözese Wien Rückkehrberatung an. „Im Zentrum der Beratung steht die Abklärung der Perspektiven in Österreich bzw. im Heimatland. Bei erfolgter Rückkehrentscheidung werden die Menschen bei ihrer Heimreise organisatorisch und finanziell unterstützt“, so die Flüchtlingsberaterin.  Der von gewissen Kreisen gern gestreuten Mär von Flüchtlingshelfern als eine Art Kumpanen, die Tipps zum Austricksen des Rechtssystems geben, erteilt sie eine klare Absage. „Uns geht es rein um den Schutz gefährdeter Menschen, deren Unterstützung in einer Notsituation sowie im Falle einer Abschiebung der Stärkung ihrer Freiwilligkeit und Eigenverantwortung. Es ist wichtig, dass diese Menschen die Entscheidung über ihre weitere Zukunft selbst treffen. Nur dann kann die Rückkehr nachhaltig sein. In Fällen, in denen eine Abschiebung nicht zu vermeiden ist, ist hohe Professionalität und Sensibilität erforderlich.“