MFG - Die Expedition
Die Expedition


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Die Expedition

Text Eva Seidl
Ausgabe 10/2009

„Die Reise beginnt“ lautete Joachim Schloemers Motto zum Auftakt seiner ersten Festspielhaus-Saison. Tatsächlich möchte er sein Publikum auf eine Reise schicken. Hat man diesbezüglich schon mit der Eröffnung des Cafés Publik ein kräftiges Lebenszeichen gesetzt, steht nunmehr das Festival Jugendklub/300 ante portas, und auch das Künstlerkollektiv raumlaborberlin hat seine Arbeit aufgenommen: Es plant im wahrsten Sinne des Wortes eine Expedition mit den St. Pöltnern. Auf zu neuen Ufern!

Joachim Schloemer umschreibt seinen Grundansatz folgendermaßen: „Bei der Arbeit mit Jugendlichen geht es nicht darum, ihnen einen Spiegel der Gesellschaft vorzuhalten, nicht um einen pädagogisch-reflektorischen Ansatz – den haben sie zur Genüge in der Schule – sondern es ist gerade ein umgekehrter Vorgang, es geht darum, gleichsam Energiezelte aufzubauen, wo die Jugendlichen offen reingehen, wo sie ihre Akkus aufladen können. Deshalb gehen Jugendliche ja auch so gerne auf Konzerte. Nicht die Rezeption vorort ist entscheidend, sondern zunächst das Erleben, die Energie.
Mit dem Programm, wie wir es anbieten, wollen wir nicht, wie es immer so platt heißt, verführen oder  erobern – das ist Käse! Wir wollen auch vordergründig keine Antworten geben, sondern wir wollen Raum für Fragen bieten. Hier muss der Ort sein, wo Fragen gestellt werden dürfen, auf die es vielleicht ad hoc auch gar keine Antworten geben muss! Mehr kann Theater fürs Erste nicht machen.“
Jugendklub/300
Speziell für Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren steht gleich ein ganzes Festival auf dem Plan. Von 29. bis 31. Oktober werden beim „Jugendklub/300“ Workshops aus den unterschiedlichsten künstlerischen Themenbereichen wie Musik, Schauspiel, Tanz etc. angeboten. Workshopleiter sind viele Künstler, mit denen Joachim Schloemer bereits zusammengearbeitet hat. Auch eine Reihe von St. Pöltner Local Heroes geben ihr Wissen weiter. Dazu gehören unter anderem Bauchklang oder Michael Kloiber und Markus Walzel von der Austrian Freestyle Foundation, die den Workshop „Parkour und Freerunning“ leiten.
„Vor allem lokale Künstler aus St. Pölten und Umgebung sind für uns wichtig für die nächsten drei Jahre“, erklärt Organisatorin Susanne Hofer. „Unser Ziel ist es, eine Beziehung zu schaffen zwischen Künstler und Publikum, die über Bühne und Applaus hinaus geht. Über die Arbeit an Projekten soll ein Vertrauensverhältnis zum Publikum aufgebaut werden.“
Dabei wird den Jugendlichen nicht nur Fachwissen im jeweils gewählten Bereich vermittelt: „Es geht darum, Hemmschwellen abzubauen, einen Zugang zu Kunst und Kultur zu schaffen, eine künstlerische Form für sich zu entdecken“, so Hofer. „Die Jugendlichen sollen eine Beziehung zum Haus und zu unseren künstlerischen Inhalten aufbauen, das wäre mein Wunschziel! Und natürlich, dass sie gestärkt und mit Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aus dem Workshop hinausgehen.“
Am 29. Oktober startet das Festival mit einem großen Check-in. Freie Plätze in den Workshops werden auch dann noch an Interessierte vergeben. Preis: 15 Euro (inkludiert ist der gewählte Workshop sowie der Eintritt zum Abendprogramm, das die Programmpunkte Trommel mit Mann, 1001 / flash of civilization sowie Mañana me chanto umfasst). Weitere Informationen auf der Festspielhaus-Homepage: www.festspielhaus.at
Die Expedition
Ein Beispiel für die Öffnung des Festspielhauses nach außen hin ist die „Expedition“. Drei Jahre lang will das raumlaborberlin mit der St. Pöltner Bevölkerung einen Plan für eine Expedition entwickeln. Markus Bader, Benjamin Foerster-Baldenius, Andrea Hofmann, Jan Liesegang, Matthias Rick wandeln auf Humboldt‘s Spuren: Auch dessen Expedition nach Südamerika, zu der er 1799 aufbrach, gingen drei Jahre intensive Planung voraus. Startschuss für das Projekt war bereits am 26. September. Eine offizielle Forschungsgesellschaft wurde gegründet, der Verein „Freunde der Expedition e.V.“. Auf dem Rathausplatz wurde offiziell das Vereinsstatut unterzeichnet. „Ein bürokratischer Akt“, erklärt Matthias Rick, „aber es war uns wichtig, die Gründung öffentlich zu machen, da wir die Expedition ja öffentlich entwickeln wollen“.
Bisher hat sich die Idee leider noch nicht im Bewusstsein der St. Pöltner festgesetzt. Etwa 15 St. Pöltner haben beim ersten öffentlichen Voting mitgemacht, Studenten der Fachhochschule St. Pölten bilden ein Dokumentationsteam, das die Veranstaltungen filmisch begleitet. Matthias Rick plant bereits weitere Maßnahmen: „Jeder unserer Veranstatungstage muss klarer und gruppenspezifischer vermittelt werden. Die Idee des Pölterabends, wo St. Pöltener ihre eigenen Entdeckungsreisen präsentieren können, muss bis in die Wohnzimmer vordringen.“
Die Mitglieder des raumlaborberlin sind neu in St. Pölten. Matthias Rick gefällt es immer besser: „St. Pölten hat eine hohe Lebensqualität, nette Menschen, bisher meistens gutes Wetter und vor allem viele Kontraste, die Spannungen erzeugen, die die Arbeit für uns besonders interessant machen.“ Ausgangspunkt für das Projekt war die Identitätssuche der Stadt: „In unseren ersten Recherchen ist uns aufgefallen, das St. Pölten schon lange auf der Suche ist, eben aber nicht genau definieren kann, wonach.“ Der Kulturbezirk sei nach 13 Jahren immer noch ein Fremdkörper. Joachim Schlömer will das Festspielhaus zur Stadt öffnen, dies seien „die idealen Ausgangsbedingungen für dieses Projekt, das gemeinsam mit den St. Pöltnern entwickelt werden soll“.
Aber beim Plan bleibt es nicht: Die Expedition wird durchgeführt. Doch das Ziel ist hier nicht nur die Reise, sondern der Weg bis zum Abreisetag. Diesen können alle St. Pöltner mit dem raumlaborberlin gemeinsam gehen. Auf der Webseite www.die-expedition.com können Interessierte den Prozess verfolgen.