MFG - In was für einer Stadt leben wir eigentlich ...
In was für einer Stadt leben wir eigentlich ...


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In was für einer Stadt leben wir eigentlich ...

Ausgabe 09/2020
… in der manch schwer getroffener Kulturbetrieb aus der Not quasi eine Tugend machte. So hoben etwa das VAZ St. Pölten und das Hollywood Megaplex Ende Mai das AutoKunstKino aus der Taufe. Dies bot nicht nur sicheren Kulturgenuss im eigenen Auto, sondern insbesondere den heimischen Künstlern endlich wieder Auftrittsmöglichkeiten. Unterstützt von Stadt und Land wurden an insgesamt 79 Spieltagen 165 Programmpunkte geboten, davon 115 Filme sowie auf der STP Stage 50 Kunst- und Kulturacts mit 128 Künstlern! Insgesamt lockte das AutoKunstKino rund 18.000 Besucher an. Das Echo war so durchschlagend, dass man an eine Fortsetzung denkt: „Gemeinsam haben wir etwas Einzigartiges und Neues geschaffen, das – zeitlich komprimiert – ein neues Veranstaltungsrufzeichen der Stadt werden könnte!“, ist VAZ Geschäftsführer René Voak überzeugt.
… in der Politiker mit verdrehten Fakten gegen die unabhängige Jus­tiz polemisieren. So verurteilte das Landesgericht St. Pölten einen 26-Jährigen (nicht rechtskräftig) wegen Nötigung und sexueller Belästigung zu acht Monaten Haft, zwei davon unbedingt (maximaler Strafrahmen: ein Jahr). Eine strenge Strafe, berücksichtigt man die Strafzumessungsgründe, wie auch die Richterin in ihrer Urteilsbegründung anmerkte. FPÖ und Kronenzeitung dichten im Doppelpack der „Kuscheljustiz“ dennoch ein „mildes Urteil für Attacke auf Frau“ an, wozu die St. Pöltner FPÖ die Fakten sogar soweit verdrehte und dem „Afghanen“ und „Asylwerber“ eine versuchte Vergewaltigung vorwarf. Die hätte einen Strafrahmen von zehn Jahren, war aber nicht angeklagt. Der Vergleich von Äpfeln und Birnen war erfolgreich: Die Bürger kotzten sich über unwürdige Richter aus und redeten der Selbstjustiz das Wort.
… in der sich der Rathausplatz heuer an lauen Sommerabenden in eine grandiose italienische Piazza zu verwandeln schien. Schuld daran war – um Corona einmal etwas Positives abzugewinnen – insbesondere die erlaubte Vergrößerung der Schanigärten, was die gesamte Innenstadt in ein einzig großes Wohnzimmer verwandelte. Angesichts des unvergleichlichen Flairs ist auch die Durchführung des heuer ausgefallenen Kulturfestivals in Diskussion geraten. Vielleicht ergeben sich für die ehemals despektierlich titulierte „Fressmeile“ ja alternative Standorte oder sie findet in abgeschlankter Form statt. Den ohne Fest gut, ja besser funktionierenden Rathausplatz sollte man jedenfalls in seiner Natürlichkeit belassen, weil er keine Künstlichkeit braucht. Im Umkehrschluss heißt dies auch die Schanigärten in der City nicht mehr zu redimensionieren: Es wäre ein großer Verlust!