MFG - Umwelt-Aktivismus in STP
Umwelt-Aktivismus in STP


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Umwelt-Aktivismus in STP

Text Beate Steiner
Ausgabe 05/2023

Die Bürgerplattform Pro St. Pölten stellt sich neu auf – mit der studierten Forstwirtin und Bau-Fachfrau Susanne Formanek als neuer Präsidentin und mit neuen Ideen, wie sich die St. Pöltner bei der Stadtentwicklung einbringen könnten.

Sie haben einiges gemeinsam, die in umtriebigen Jahrzehnten gereiften Mitglieder der Plattform Pro St. Pölten und die jungen Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“: Sie wollen gegen den Klimawandel und für eine städtische Umwelt in ihrem Sinne kämpfen. Nein, die lebenserfahrenen St. Pöltner kleben sich nicht auf die Mariazeller Straße, um die S 34 zu verhindern, aber die ehemalige VP-Stadträtin Ulli Nesslinger kündigt schon mal an, dass sie sich an Bäume kettet, damit diese nicht den Baggern zum Opfer fallen. Die haben im Altoona-Park die Baugrube für das KinderKunstLabor ausgehoben. Apropos KiKuLa: Das städtische Leuchtturmprojekt für das Kulturjahr 2024 ist auch eines der Leuchtturmprojekte der Bürgerplattform im Kampf gegen die städtische Umweltpolitik. Zielgruppenfokussiert: Pro-St. Pölten-Mitstreiter Friedl Nesslinger erzählt etwa, dass die betagten Bewohner des angrenzenden Wohnhauses ihre gewohnten Spazierwege verlieren, weil im Park ein Kinder-Haus gebaut wird „gegen das wir ja grundsätzlich nichts haben, nur gegen den Standort.“ 
Grundsätzlich verteidigt die Bürgerplattform die Biodiversität, bäumt sich gegen jede geplante Bodenversiegelung auf und beklagt jeden umgeholzten Baum in der Stadt. Jetzt unter fachkundiger Führung: Susanne Formanek ist seit Kurzem Präsidentin des Vereins.
Die studierte Forst- und Holzwirt­in fürchtet um den Mammutbaum im Altoona-Park. „Der Verlust an Biodiversität dort ist immens. Wenn wertvolle Bäume zu Schaden kommen, welche für uns Menschen eine so wichtige Bedeutung spielen, wird Volksvermögen vernichtet und Schaden angerichtet, wogegen wir die Stadt klagen könnten.“ Die Stadt tue viel zu wenig für die Einhaltung der Klimaziele und damit für ein lebenswertes St. Pölten in der Zukunft, ist Formanek überzeugt. In der von der Stadtentwicklung gemeinsam mit externen Experten erarbeiteten Klimarahmenstrategie sieht Formanek „vage Inhalte, weil u. a. eine Microklima-Analyse und Kennwerte fehlen. Ohne Kennwerte keine Umwelt- und Klima-Ziele.“ Auch der in Bau befindliche Promenadenring, für den die Stadt den VCÖ-Mobilitätspreis erhielt, wird in seiner Gesamtheit nicht umgesetzt werden und damit zur klimaneutralen Zukunft St. Pöltens keinen Beitrag leisten können, ist Formanek überzeugt.
Stichwort „Bauen“: Böden versiegeln und mit neuen Straßen den Verkehr und das Klima anheizen sind Reizwörter für Pro St. Pölten. „Jedes kleine Fuzzerl, das zubetoniert wird, nimmt die Möglichkeit, Wasser zu speichern“, so Formanek.  Aktuellste Vorhaben, die so gesehen St. Pöltens Klimaneutralitätsziele konterkarieren, sind die Polizeikaserne am Eisberg und das geplante REWE-Zentrallager im Süden. Abgelehnt wird eigentlich jedes kommende Bauwerk. Soll die Stadt nicht wachsen? Doch, sagt Ulli Nesslinger, „aber es gibt doch freie Wohnungen und Leerstände, die genutzt werden könnten.“ 
Bereits „verbockt“ wurde der Domplatz, meint Susanne Formanek: „Grüne Pflanzen und Bäume fehlen am Platz. Es hätte Möglichkeiten dafür gegeben. Beispielsweise könnte man über einem Bodendenkmal einen versickerungsoffenen Belag gestalten.“ Mit einer Mobilitätswende und generellen Absage ans Auto in der Innenstadt kann sich Ulli Nesslinger noch nicht abfinden. Sie beklagt, dass am Domplatz schon jetzt keine Autos mehr zufahren können – „das sollte doch erst mit einer fertigen Domgarage passieren. Die Gastronomen am Herrenplatz und die Wirtschaft in der Innenstadt leiden darunter.“ 

Bürgerbeteiligung mit digitaler Aufrüstung
Wie also will die neue Präsidentin die Bürgerplattform in die Zukunft führen? „Pro St. Pölten wird Projekte suchen, finden, finanzieren und umsetzen, die eine nachhaltige Umweltpolitik unausweichlich machen“, so Formanek. Finanziert werden soll durch Förder-Calls auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene.
Formanek stellt sich dabei eine besondere Art der Bürgerbeteiligung vor. „Nicht reduziert auf Unterschriften“, spielt die Plattform-Präsidentin auf 1.800 Unterschriften gegen das KiKuLa an, die im Rathaus keine Wirkung zeigten. Ihre Vision: Eine interaktive Citizen Science App, die mit dem Start-up Spotteron für St. Pölten entwickelt wird, soll den Menschen Gehör verschaffen. „Damit können sie Beobachtungen zu verschiedenen Stadtthemen abgeben, Daten sammeln, diese visualisieren und sich vernetzen.“
Verschränkt werden soll die App mit interaktiven Karten wie der Heatmap von Geoville. Diese Karte habe bei einer Messung im Sommer 2022 St. Pölten als heißesten Ort Österreichs definiert, sagt Formanek: „Wir geben damit den Menschen ein Instrument in die Hand, mit dem sie selbst sehen können, welche Einflüsse die unkontrollierten Bodenversiegelungen haben.“ Mit diesem Wissen könnten die Bürger die Politik unter Druck bringen: „Dann werden sie auch massiv Änderungen fordern und die Politik wird handeln müssen.“

SUSANNE FORMANEK
„Ich liebe die Wissenschaft“, sagt Susanne Formanek. Die Baufachfrau, Jahrgang 1966, hat an der BOKU Forst- und Holzwirtschaft studiert, ist Geschäftsführerin des Innovationslabors GRÜNSTATTGRAU, Vorstand des Innovationslabors RENOWAVE.AT sowie Präsidentin des Österreichischen Instituts für Baubiologie und -ökologie IBO. 
Susanne Formanek ist mit dem Stand-up-Comedian, Moderator und NEOS-Gemeinderat Niko Formanek verheiratet, hat in Kalifornien, Hamburg, Luxemburg und Wien gelebt und in NÖ für Ecoplus gearbeitet. Die Mutter der Artistin Charlotte und des Studenten Severin selbst hat eine eineiige Zwillingsschwester, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Susanne Formaneks Schwester Evelyn Huber-Reitan unterstützt die Bürgerplattform Pro St. Pölten als Schriftführerin.