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St. Pöltens gute Seite

Alles oder nichts

Ausgabe 09/2011

Aktuell sorgt die Pfarrer-Initiative „Aufruf zum Ungehorsam“ für gehöriges Rumoren im Gebälk der Katholischen Kirche. Schon über 400 Pfarrer bekennen sich zu den Forderungen und gehen damit auf Konfrontationskurs zu Rom und ihren Bischöfen.

Irgendwie gewinnt man den Eindruck, dass Teilen der Priesterschaft – salopp formuliert – der Kragen geplatzt ist. Nach Jahren des Hinhaltens, in dem jedes noch so kleine Reformpflänzchen von den trägen Mühlen der offiziellen Kirche zermahlen wurde, wollen sie den in ihren Augen offensichtlichen Stillstand sowie überkommene Dogmen in der Katholischen Kirche nicht mehr länger mittragen bzw. mitverantworten. „Die römische Verweigerung einer längst notwendigen Kirchenreform und die Untätigkeit der Bischöfe erlauben uns nicht nur, sondern sie zwingen uns, dem Gewissen zu folgen und selbständig tätig zu werden“, heißt es hierzu in der Präambel des Aufrufs. So bekennen sich die Priester u. a. dazu, dass sie sämtlichen gutwilligen Gläubigen die Eucharistie nicht verweigern, also auch nicht den Geschieden-Wiederverheirateten. Sie wollen das Predigtverbot für gut ausgebildete Laien missachten, können sich „priesterlose Eucharistiefeiern“ vorstellen und werden fortan auch öffentlich für die Zulassung von Frauen und Verheirateten zum Priesteramt eintreten. Neu klingt das freilich alles nicht. „Es geht seit Jahren um die gleichen Forderungen der kirchlichen Reformbewegungen, die von Rom und von unseren Bischöfen nicht ernst genommen werden. Der ‚Aufruf zum Ungehorsam‘ der österreichischen Priesterinitiative hat jetzt ein weltweites Echo, und das ist gut so“, konstatiert diesbezüglich Georg Kopetzky, Vorstandsmitglied des Forum XXIII sowie Aktivist der Plattform „Wir sind Kirche“, die als Sprachrohr der reformwilligen Gläubigen gilt. Und diese stärken den Priestern demonstrativ den Rücken. „Wir stehen voll hinter der Erklärung der Priester-Initiative!“, stellt Kopetzky sodenn klar und fügt hinzu: „Für mich hat der Gehorsam gegenüber den Evangelien Vorrang vor dem Gehorsam gegenüber einem versteinerten Kirchenrecht.“ Dass sich die Katholische Kirche mit Reformen seit jeher einigermaßen schwer tue, begründet Kopetzky damit, „dass es um die Erhaltung der Macht klerikaler Strukturen geht, die wir Menschen im 21 Jahrhundert aber nicht mehr verstehen und akzeptieren.“ Nachsatz: „Die Menschen haben sich entwickelt und dies soll auch die Kirche tun!" Dabei signalisiert selbst Bischof Klaus Küng indirekt Bedarf für Reformen, wähnt im Aufruf zum Ungehorsam aber einen „Todeskeim“: „Führen denn diese Forderungen zur Erneuerung? Tragen nicht Ungehorsam und noch mehr die Aufforderung dazu einen Todeskeim in sich, der unfruchtbar macht, auch wenn etwas eigentlich gut gemeint ist?“ Die Forderungen der Initiative hält er für kontraproduktiv und dem Glauben abträglich. „Ich wünsche mir brennend Initiativen in unseren Pfarren – aber solche, die die Menschen in ihrem Glaubensleben stärken und sie näher und tiefer zu Gott bringen.“ Insgesamt habe er den Eindruck, dass es den Forderungen an echter Perspektive fehle. Seit Jahren würden sie von manchen vertreten und teilweise trotz Ermahnungen auch umgesetzt werden. „Dort, wo von einem Pfarrer gewisse Dinge seit langem ‚großzügig‘ gewährt werden, habe ich bis jetzt keine großartigen Aufbrüche feststellen können. Auch in diesen Pfarren geht die Zahl der Gottesdienstbesucher zurück und fällt die Jugend ab einem bestimmten Alter weitgehend aus. Aufbrüche finden sich – auch unter jungen Menschen – eher dort, wo der Blick auf das Wesentliche, die Gottesbeziehung gerichtet ist und wo die Disziplin der Kirche beachtet wird.“ Die Fronten scheinen verhärtet. Zwar signalisieren die Bischöfe im Hinblick auf bestimmte Forderungen Gesprächsbereitschaft, doch die Pfarrer-Initiative geht diesmal quasi aufs Ganze: Ein Aufschnüren des „Pakets“ wurde von Initiator Helmut Schüller dezidiert ausgeschlossen.
Schon schwirrt das Wort „Spaltung“ durch den Raum, wirft die offizielle Kirche die suggestive Frage auf, ob nicht bereits eine freiwillige Spaltung durch die Initiative stattgefunden habe. Die Pfarrer-Initiative weist dies zurück und schließt eine Abspaltung ihrerseits aus, dreht den Spieß aber um: Die offiziellen Gremien müssen sich dazu deklarieren.
Feststeht, dass die Auseinandersetzung um Kirchenreformen in Österreich mit der Pfarrer-Initiative eine völlig neue Dimension erreicht hat. Diesmal gehen die Forderungen nämlich nicht von der Basis, also den Kirchgängern selbst aus, deren Ansinnen stets mit dem Verweis auf das ferne, dogmatische Rom abgeblockt bzw. verschleppt wurden, nein, diesmal verweigern die Angestellten selbst den Gehorsam. Damit hat man die Bischofskonferenz in ein Dilemma gestürzt. Das Prinzip „Ignorieren und Aussitzen“ ist ob der Größe der Bewegung nicht mehr möglich. Sanktionen oder gar Suspendierungen scheinen ebenfalls widersinnig, denn kann man sich Kirchen ohne Pfarrer vorstellen? Zudem hieße dies in letzter Konsequenz tatsächlich die Spaltung – und die möchte keine Seite. Also doch Reformen? Die Katholische Kirche Österreichs ist an einem Scheideweg angelangt: Der Ausgang dieses Konflikts wird entscheiden, in welche Richtung sie in Zukunft geht. Meinugnen zum Thema:
Bischof Klaus Küng:
„Tragen nicht Ungehorsam und noch mehr die Aufforderung dazu einen Todeskeim in sich?“
Georg Kopetzky, Forum XXIII:
„Für mich hat der Gehorsam gegenüber den Evangelien Vorrang vor dem Gehorsam gegenüber einem versteinerten Kirchenrecht.“