MFG - Der Wachtelkönig wundert sich
Der Wachtelkönig wundert sich


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Der Wachtelkönig wundert sich

Text Sascha Harold
Ausgabe 03/2021

Die Wahlen sind geschlagen, der Gemeinderat hat sich neu konstituiert. Was geblieben ist, sind freilich eine Reihe von Themen, die bereits während des Wahlkampfes für Diskussionen sorgten – wie etwa die S 34.

Mit dem im Februar beendeten Naturschutz- und Landesstraßenverfahren kommt der lange geplante Bau der S 34 einen weiteren Schritt näher. Doch ist der politische Wille für das Projekt überhaupt noch da?
Fast dreißig Jahre ist es her, dass der St. Pöltner Gemeinderat erstmals eine definitive Willenserklärung zum Bau der S 34 abgegeben hat. Seitdem ist viel passiert, auch das MFG hat den Prozess über die letzten Jahre intensiv begleitet. Die neuesten Entwicklungen zum Bau des Großprojektes: Am 16. Jänner wurde über die Beschwerden gegen die positive Umweltverträglichkeitsprüfung am Bundesverwaltungsgerichtshof verhandelt und im Februar fand das Naturschutz- und Landesstraßenverfahren des Landes im VAZ statt. Dort brachten die Gegner des Projektes noch einmal ihre Bedenken zum Ausdruck – unter anderem mit den erheblichen Umweltauswirkungen des Straßenbaus begründet. Der Wachtelkönig war prominenter Zeuge der Verhandlung: „Die von Straßen ausgehende massive Verlärmung insbesondere im nieder- und tieffrequenten Bereich führt dazu, dass das Wachtelkönig-Männchen den Ruf in der Nähe von dauerhaftem Straßenlärm nicht mehr absetzen kann“, ließ Dietmar Schmidradler, Obmann des Vereins Verkehrswende.at, etwa per Presseaussendung wissen.

Alles auf Schiene
Für den Projektleiter der ASFINAG, Leopold Lechner, bleibt dagegen nach dem abgeschlossenen Verfahren alles beim Alten: „Es gab keine neuen Erkenntnisse, die lange Diskussion und die Argumente um den Wachtelkönig wurden von unseren Ornithologen als unzutreffend bewertet. Wir konnten aus unserer Sicht alle vorgebrachten Punkte entkräften.“ Die Entscheidungen zu beiden Verhandlungen werden mit April-Mai dieses Jahres erwartet – wobei der Bescheid des Landes noch einmal beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden könnte. Geht es nach den Plänen der ASFINAG, dann kann – positive Bescheide vorausgesetzt – im Herbst 2023 mit dem Bau des ersten Abschnittes begonnen werden. „Die nächsten Schritte wären Gespräche mit den Grundeigentümern, Bauvorbereitungen und die Errichtung der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen“, so Lechner. Mit Jahresende werde man klarer sehen, so der Projektleiter.
Doch passt ein Projekt wie die S 34 in die aktuelle Verkehrsstrategie von Bund und Land und ist angesichts zu erfüllender Klimaziele noch zeitgemäß? Beim Land hält man jedenfalls an dem Projekt fest und betont die Vorteile: „Die Umsetzung der S 34 hat für die Landeshauptstadt mehrere Vorteile: Sie erhöht die Verkehrssicherheit im untergeordneten Straßennetz in den Siedlungsgebieten, verbessert die Erreichbarkeit der geplanten Betriebsgebiete im Süden der Stadt sowie des Traisen- und Gölsentals und sie erhöht die Lebensqualität entlang der Stadtdurchfahrten durch weniger Verkehr, insbesondere auf der B 20“, so der zuständige Landesrat Ludwig Schleritzko. Auch das Argument, dass das Geld besser im Ausbau des öffentlichen Verkehrs angelegt wäre, lässt er nicht gelten: „Wir beteiligen uns nicht am Ausspielen von Straßen- und Schienenbau. Fakt ist: Beides ist notwendig, um die Bedürfnisse unserer Gesellschaft abzudecken.“

Politische Befürworter
Im St. Pöltner Gemeinderat ist die Stimmungslage gemischter. SPÖ und FPÖ, die ÖVP mit Abstrichen, stehen dem geplanten Projekt S 34 prinzipiell positiv gegenüber, bei NEOS und den Grünen ist man skeptisch bis ablehnend. FPÖ-Stadtrat Klaus Otzelberger argumentiert etwa, dass eine Entlastung des Verkehrs durch die Stadt dringend notwendig sei: „Staus und eine hohe Feinstaubbelastung sind in St. Pölten alltäglich. Es hätte bessere Varianten gegeben, die Experten haben sich jedoch für diese Variante entschieden. Für St. Pölten ist die Hauptsache, dass der Schwerverkehr aus der Stadt verschwindet.“ Für Vizebürgermeister Matthias Adl, ÖVP, steht ebenfalls fest, dass es eine zusätzliche Nord-Süd-Verbindung brauche, auch, um dem steigenden Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. Er wagt einen Blick in die Zukunft: „Auch E-Autos oder gar autonome Fahrzeuge werden Straßen benötigen. Ob ein Autobahnkreuz dieser Dimension notwendig ist oder es hier flächenschonendere Lösungen gibt, sollte aber geprüft werden.“ Bürgermeister Matthias Stadler, SPÖ, weist in seiner Stellungnahme auf das Verkehrskonzept der Stadt St. Pölten hin: „Auch wenn viele der vor allem gemäß Generalverkehrskonzept der Stadt St. Pölten ca. 35.000 Einpendler in die Stadt den zunehmend attraktiven öffentlichen Verkehr nutzen, ist die Zunahme im motorisierten Individualverkehr mit Einschränkungen der Lebensqualität für St. Pöltner Bürgerinnen und Bürger insbesondere entlang dieser Einfahrtsachsen verbunden.“ Die S 34 stelle deshalb, so Stadler weiter, einen wichtigen Baustein im Sinne des Generalverkehrskonzepts der Stadt dar.

Politische Gegner
NEOS-Gemeinderat Niko Formanek ist dagegen skeptisch. „Die S 34 wird am Ende ein Verkehrsprojekt sein, das nach seiner Umsetzung schon wieder veraltet und einer modernen Verkehrsplanung nicht mehr gerecht sein wird“, urteilt er. Er plädiert dafür, sich zu überlegen, wie der Verkehr der Zukunft aussehen könnte und entsprechende Konzepte dafür zu entwickeln. Bei der grünen Stadträtin Christina Engel-Unterberger herrscht Ärger über das Projekt vor, ihr Fazit ist eindeutig: „In Zeiten einer Klimakrise ist der Bau der S 34 unverantwortlich. Unsere Vision ist, dass Bund, Land und Stadt dieses Vorhaben mit vereinten Kräften stoppen und das Geld, das für den Bau der S 34 reserviert war (budgetiert ca. 208 Millionen Euro, Anm.), in Folge in den Ausbau klimaschonender Mobilität investiert wird.“
Trotz politischer Differenzen und Bedenken gegen das Projekt, kommt die Umsetzung der Straße näher. Ob der geplante Baubeginn mit Herbst 2023 gehalten werden kann, wird sich zeigen. Spannend ist jedenfalls die Reaktion aus dem, ebenfalls von den Grünen geführten, Umweltministerium. Dort will man die aktuellen Verhandlungen rund um die S 34 zwar nicht im Detail bewerten, lässt aber Folgendes wissen: „Das Bauprogramm der ASFINAG wird derzeit durch die ExpertInnen des Klimaschutzministeriums (BMK) und der ASFINAG gemeinsam evaluiert. Auch auf Landesebene wird es Gespräche geben. Diesem Evaluierungsprozess soll nicht vorgegriffen werden. Die Bauvorhaben werden gerade evaluiert und geprüft.“ Ein klares Commitment sieht jedenfalls anders aus.