Mit "Nenti" geht der letzte echte Vseler
Text
Thomas Schöpf
Ausgabe
Als Bub ist er allein mit dem Bus aus Weissenkirchen zum St. Pöltner Bahnhof gefahren und dann zu Fuß zum Voith-Platz gepilgert. Die Bundesliga-Sendung hat er sich derweil aufgezeichnet, damit er sich die VSE-Spiele dann noch mehrmals anschauen hat können. Bis Thomas Nentwich es selbst (via SV Würmla und BNZ St. Pölten) zum VSE-Kicker brachte. Nun hat er seine Karriere – wie es sich für einen echten „Wolf“ gehört – in St. Pölten beendet.
Keiner hat in St. Pölten jemals so perfekte Pässe geschlagen wie Mario Kempes beim VSE. Keiner hat die Kugel derart gestreichelt wie Lajos Detari beim FCN. Keiner hat das Spiel der Gegner dermaßen kompromisslos zerstört wie Hans Peter Frühwirth. Es gab Haudegen wie Leopold Rotter, Schlitzohre wie Ernst Ogris, Raketen wie Slobodan Brankovic und Sirs wie Franz Zach. Aber es gab nur einen, der sowohl für den VSE, den FCN als auch für den SKN kickte und das Theater um Flash St. Pölten miterlebte: Thomas Nentwich.
Er war es auch, der nach der Flash-Posse um den mysteriösen Investor aus den USA den Scherbenhaufen aufräumen ließ. Der vermeintliche Strohmann Benjamin Englisch hatte sich bekanntlich als Märchenonkel entpuppt, die versprochenen 300 Millionen Schilling pro Saison für die Champions League waren (s)ein Hirngespinst gewesen. Nentwich, Kapitän des FCN, brachte folglich bei Gericht einen Konkursantrag gegen den schon länger zahlungsunfähig dahin vegetierenden Verein ein und bereitete damit dem Spuk ein Ende. „Damals war es ein schwerer Schritt. Heute weiß ich, es war notwendig. Wir hätten Jahre verloren, hätten nun keinen gesunden Verein wie den SKN, und in St. Pölten – wenn überhaupt - gar nur mehr Fußball auf Landesliga-Niveau.“
Ein Ehrenmann tritt ab
Dem SKN traut er es zu, irgendwann in die Bundesliga zu kommen: „Wenn man zu der jungen Truppe drei passende Routiniers findet, könnte es sich ausgehen.“ Für den 33-Jährigen geht es sich nicht mehr aus. „Ich wollte als Leistungsträger abtreten. Meine Regenerationsphasen sind schon immer länger geworden, und ich bin auch ein wenig froh, dass der ständige Stress der Doppelbelastung durch unseren Betrieb (Anm.: Baumschule, Gartengestaltung, Floristik) vorbei ist. Jetzt kann ich mal beruflich nach Holland oder Italien fliegen oder privat am Wochenende in Ruhe entspannen.“
Dass er in der Bundesliga-Zeit des VSE (bis 1994) noch zu jung war und das geplante Stadion nur mehr als Zuschauer erleben wird, stört Nentwich nicht. „Ich glaube, ich habe das Maximum für mich herausgeholt. Ich war nie der Talentierteste. Schon im Nachwuchs hat es weitaus Bessere gegeben. Ich war nie in irgendeiner Auswahl, habe es aber durch Zweikampf- und Einsatzbereitschaft bis in die Bundesliga gebracht.“
In Ried, für das er von 2000 bis 2005 kickte, trug er noch dazu als „Auswärtiger“ eineinhalb Jahre lang die Kapitänsschleife. Wohl auch, weil er den Innviertlern trotz des Abstiegs (2002/03) treu geblieben ist. „Noch am selben Abend habe ich unseren Präsidenten gefragt, ob er zu seinem Wort steht, dass ich gehen kann, obwohl in meinem Vertrag keine Ausstiegsklausel war. Er hat mir gesagt, dass sein Wort gilt. Dann habe ich ihm gleich gesagt, dass ich bleibe und wir das gemeinsam reparieren.“ Tags darauf rief Trainer Werner Gregoritsch von Aufsteiger Mattersburg an - und bekam von Nentwich eine Absage. Ein Mann der Ehre, der hält, was er verspricht!
Memories
Den Wiederaufstieg mit Ried 2005 und den Regionalliga-Meistertitel mit dem SKN St. Pölten 2008 bezeichnet Nentwich als seine schönsten Erfolge. Ein deklariertes Lieblingsspiel hat er auch: Das ORF-Live-Spiel Ried gegen Rapid (April 2001), als die Innviertler den Titelfavoriten daheim 2:0 bezwangen, er das erste Tor erzielte und Stürmer René Wagner kalt stellte: „Der war der schmutzigste Gegenspieler, hat dir während eines Spiels gleich mehrmals ins Gesicht gespuckt.“ Sportlich am schwierigsten seien die Duelle gegen den trickreichen Ivica Vastic gewesen. Als größte Förderer in den eigenen Reihen bezeichnet Nentwich Leopold Rotter und Hans Peter Frühwirth: „Sie haben mich damals beim VSE, obwohl ich ihre Position gespielt habe, als Jungen voll akzeptiert und mir viel weiter geholfen.“ Am meisten als Mitspieler beeindruckt hat ihn Lajos Detari, der 1996 bis 98 beim FCN kickte (und 1988 mit einer Ablösesumme von umgerechnet 7,5 Mio. Euro, die Olympiakos an Frankfurt zahlte, noch teuerster Spieler der Welt gewesen ist). „Wenn es irgendwelche Probleme gegeben hat, hat er sich immer vor die Mannschaft gestellt. Beim Training hat er so lange Vollgas gegeben bis er nicht mehr konnte und dann sofort aufgehört.“ Trainer „Schani“ Skocik hat diese Eigenart des Ungarn, der per Ferrari von Budapest nach St. Pölten pendelte, freilich weniger getaugt.
Trainerzukunft?
Über viele seiner Trainer hat Nentwich im Zuge des Gesprächs übrigens wenig gute Worte gefunden. Einigen bescheinigt er Defizite in der Personalführung. Genau deswegen würde ihn selbst ein Trainerjob durchaus reizen: „In unserem Betrieb haben wir 28 Leute, für die ich seit einigen Jahren mitverantwortlich bin. Das ist eine Ausbildung in Menschenführung. Ich habe viele Trainer gehabt, die es nicht zusammen gebracht haben, den Spielern ihre ehrliche Meinung ins Gesicht zu sagen.“
Dafür hat eine Spieler-Legende, Willi Kreuz, als erster Trainer auf ihn gesetzt und Nentwich 1995 in einem ganz besonderen Pflichtspiel debütieren lassen: Im Cup-Achtelfinale des VSE St. Pölten gegen Austria Salzburg, das drei Tage zuvor mit Kickern wie Jurcevic, Pfeifenberger, Feiersinger und Keeper Otto Konrad ins Europacup-Finale eingezogen war. Nach dem Abschlusstraining holte Kreuz den 19-Jährigen in der Landessportschule zu sich auf ein Sofa. Nentwich erinnert sich noch genau an dessen Worte. „Tommy, setzt dich her! Morgen montierst den Hermann Stadler ab. Setzt dich näher zu mir, vielleicht springt a bisserl was von mein G’fühl zu dir rüber“, sagte Kreuz. Stadler hat dann beim 2:0-Sieg einmal getroffen und ein „Kreuzsches Goldpratzerl“ hat Nentwich auch nicht wirklich bekommen; aber mit seiner Geradlinigkeit und Zielstrebigkeit einiges erreicht und auch bewegt.
Er war es auch, der nach der Flash-Posse um den mysteriösen Investor aus den USA den Scherbenhaufen aufräumen ließ. Der vermeintliche Strohmann Benjamin Englisch hatte sich bekanntlich als Märchenonkel entpuppt, die versprochenen 300 Millionen Schilling pro Saison für die Champions League waren (s)ein Hirngespinst gewesen. Nentwich, Kapitän des FCN, brachte folglich bei Gericht einen Konkursantrag gegen den schon länger zahlungsunfähig dahin vegetierenden Verein ein und bereitete damit dem Spuk ein Ende. „Damals war es ein schwerer Schritt. Heute weiß ich, es war notwendig. Wir hätten Jahre verloren, hätten nun keinen gesunden Verein wie den SKN, und in St. Pölten – wenn überhaupt - gar nur mehr Fußball auf Landesliga-Niveau.“
Ein Ehrenmann tritt ab
Dem SKN traut er es zu, irgendwann in die Bundesliga zu kommen: „Wenn man zu der jungen Truppe drei passende Routiniers findet, könnte es sich ausgehen.“ Für den 33-Jährigen geht es sich nicht mehr aus. „Ich wollte als Leistungsträger abtreten. Meine Regenerationsphasen sind schon immer länger geworden, und ich bin auch ein wenig froh, dass der ständige Stress der Doppelbelastung durch unseren Betrieb (Anm.: Baumschule, Gartengestaltung, Floristik) vorbei ist. Jetzt kann ich mal beruflich nach Holland oder Italien fliegen oder privat am Wochenende in Ruhe entspannen.“
Dass er in der Bundesliga-Zeit des VSE (bis 1994) noch zu jung war und das geplante Stadion nur mehr als Zuschauer erleben wird, stört Nentwich nicht. „Ich glaube, ich habe das Maximum für mich herausgeholt. Ich war nie der Talentierteste. Schon im Nachwuchs hat es weitaus Bessere gegeben. Ich war nie in irgendeiner Auswahl, habe es aber durch Zweikampf- und Einsatzbereitschaft bis in die Bundesliga gebracht.“
In Ried, für das er von 2000 bis 2005 kickte, trug er noch dazu als „Auswärtiger“ eineinhalb Jahre lang die Kapitänsschleife. Wohl auch, weil er den Innviertlern trotz des Abstiegs (2002/03) treu geblieben ist. „Noch am selben Abend habe ich unseren Präsidenten gefragt, ob er zu seinem Wort steht, dass ich gehen kann, obwohl in meinem Vertrag keine Ausstiegsklausel war. Er hat mir gesagt, dass sein Wort gilt. Dann habe ich ihm gleich gesagt, dass ich bleibe und wir das gemeinsam reparieren.“ Tags darauf rief Trainer Werner Gregoritsch von Aufsteiger Mattersburg an - und bekam von Nentwich eine Absage. Ein Mann der Ehre, der hält, was er verspricht!
Memories
Den Wiederaufstieg mit Ried 2005 und den Regionalliga-Meistertitel mit dem SKN St. Pölten 2008 bezeichnet Nentwich als seine schönsten Erfolge. Ein deklariertes Lieblingsspiel hat er auch: Das ORF-Live-Spiel Ried gegen Rapid (April 2001), als die Innviertler den Titelfavoriten daheim 2:0 bezwangen, er das erste Tor erzielte und Stürmer René Wagner kalt stellte: „Der war der schmutzigste Gegenspieler, hat dir während eines Spiels gleich mehrmals ins Gesicht gespuckt.“ Sportlich am schwierigsten seien die Duelle gegen den trickreichen Ivica Vastic gewesen. Als größte Förderer in den eigenen Reihen bezeichnet Nentwich Leopold Rotter und Hans Peter Frühwirth: „Sie haben mich damals beim VSE, obwohl ich ihre Position gespielt habe, als Jungen voll akzeptiert und mir viel weiter geholfen.“ Am meisten als Mitspieler beeindruckt hat ihn Lajos Detari, der 1996 bis 98 beim FCN kickte (und 1988 mit einer Ablösesumme von umgerechnet 7,5 Mio. Euro, die Olympiakos an Frankfurt zahlte, noch teuerster Spieler der Welt gewesen ist). „Wenn es irgendwelche Probleme gegeben hat, hat er sich immer vor die Mannschaft gestellt. Beim Training hat er so lange Vollgas gegeben bis er nicht mehr konnte und dann sofort aufgehört.“ Trainer „Schani“ Skocik hat diese Eigenart des Ungarn, der per Ferrari von Budapest nach St. Pölten pendelte, freilich weniger getaugt.
Trainerzukunft?
Über viele seiner Trainer hat Nentwich im Zuge des Gesprächs übrigens wenig gute Worte gefunden. Einigen bescheinigt er Defizite in der Personalführung. Genau deswegen würde ihn selbst ein Trainerjob durchaus reizen: „In unserem Betrieb haben wir 28 Leute, für die ich seit einigen Jahren mitverantwortlich bin. Das ist eine Ausbildung in Menschenführung. Ich habe viele Trainer gehabt, die es nicht zusammen gebracht haben, den Spielern ihre ehrliche Meinung ins Gesicht zu sagen.“
Dafür hat eine Spieler-Legende, Willi Kreuz, als erster Trainer auf ihn gesetzt und Nentwich 1995 in einem ganz besonderen Pflichtspiel debütieren lassen: Im Cup-Achtelfinale des VSE St. Pölten gegen Austria Salzburg, das drei Tage zuvor mit Kickern wie Jurcevic, Pfeifenberger, Feiersinger und Keeper Otto Konrad ins Europacup-Finale eingezogen war. Nach dem Abschlusstraining holte Kreuz den 19-Jährigen in der Landessportschule zu sich auf ein Sofa. Nentwich erinnert sich noch genau an dessen Worte. „Tommy, setzt dich her! Morgen montierst den Hermann Stadler ab. Setzt dich näher zu mir, vielleicht springt a bisserl was von mein G’fühl zu dir rüber“, sagte Kreuz. Stadler hat dann beim 2:0-Sieg einmal getroffen und ein „Kreuzsches Goldpratzerl“ hat Nentwich auch nicht wirklich bekommen; aber mit seiner Geradlinigkeit und Zielstrebigkeit einiges erreicht und auch bewegt.