Die Minimal[l]isten
Text
Thomas Fröhlich
Ausgabe
Warum immer größer, wenn es auch kleiner geht? In der Fuhrmannsgasse 15 befindet sich seit März 2018 St. Pöltens kleinstes Einkaufszentrum – mit einem Produktmix, den es in der Form hierzulande wahrscheinlich noch nie gegeben hat. Thomas Fröhlich wollte auf einen Sprung vorbeischauen … und dann wurden Stunden daraus.
Was haben „Cthulhus Ruf“, CBD und ein so genanntes „Stadtregal“ gemeinsam? Antwort: All das gibt es in der St. Pöltner Minimal[l], dem kleinsten Einkaufszentrum der Stadt. Gleich neben dem EGON, das seit einiger Zeit wieder seinem Ruf als eine der coolsten Örtlichkeiten St. Pöltens gerecht wird, betritt man eine Art Doppel-Wohnzimmer, in dem der Blick erst einmal über jede Menge Brettspiele gleitet, die nicht nur das Herz von Rollenspielern vor Freude hüpfen lässt. Im Nebenraum dann werden therapeutische Hanfprodukte sowie veganes Allerlei angeboten – und dann sind da noch diese (einstweilen noch leeren) Regale, die demnächst mit Produkten bespielt werden sollen.
„Im Grunde sind es drei Geschäfte, die hier gemeinschaftlich betrieben werden“, klärt Julian Diendorfer auf. Er selbst, zumeist von einem schön steampunkigen Zylinder behütet, ist gemeinsam mit Clemens Lasslesberger für JuPet, das Geschäft für Brettspiele, Pen&Paper-Rollenspiele sowie Würfel- und Kartenspiele verantwortlich. Was sofort auffällt: Hier geht’s nicht um den schnellen Konsum, sondern um einen freundlichen und respektvollen Umgang miteinander. Spiele kann man also nicht nur kaufen, man darf und soll sich auch vor Ort beraten lassen und nach Lust und Laune mitspielen. „Wir haben an vier Tagen bis 21 Uhr geöffnet“, meint Clemens, und Julian ergänzt: „Aber wenn gespielt wird, kann‘s auch einmal halb drei Uhr nachts werden.“ Klar: Spiele mit dem Titel „Villen des Wahnsinns“ (Lovecraft-Afficionados dürfen da gleich einmal hemmungslos jubeln) wollen vielleicht eher in nächtlichem Setting ausprobiert werden. Und Clemens und Julian sind echte Spiele-Nerds. Als Koch kam Julian in der ganzen Welt herum – „und überall bin ich auf Brettspieler gestoßen, aus denen auch oft gute Freunde wurden.“ Er beschloss, seine große Leidenschaft zum Beruf zu machen – und das vorläufige Endergebnis heißt nun JuPet. „Der Unterschied zu Online-Spielen?“ Clemens erklärt: „In der virtuellen Welt geht’s mitunter sehr tief zu. Da sind die wüstesten Beschimpfungen an der Tagesordnung. Wenn du aber deinem Mit- oder auch Gegenspieler gegenüber sitzt, verhältst du dich anders.“ Klar: Hier wird nicht aus der Anonymität heraus agiert – dein Gegenüber hat ein Gesicht, einen Namen und eine Geschichte.
"Wir bieten Dinge an, die es eben nicht in den Großkaufhäusern vor den Toren der Stadt gibt." Oliver Karner
Gesicht und Geschichte sind auch fürs Vegon, den zweiten Laden der Minimal[l], elementar. Gernot Kulhanek, eigentlich Sozialpädagoge, hat das Einkaufszentrum gleichsam aus der Taufe gehoben: „Begonnen hat‘s als Sozialprojekt mit arbeitslosen, traumatisierten Jugendlichen. Da gab‘s zum Beispiel einen, der hatte Angststörungen und konnte den Mund nicht aufmachen. Wollte aber Verkäufer werden. Hier, im Vegon, hat er gleichsam seine Sprache wieder gefunden. Der hat jetzt einen ganz regulären Job. Hat also geklappt.
Und Gernot umreißt seinen nächsten Plan: das Stadtregal. „Das ist eine Non-Profit-Variante. Du kommst zu uns, hast, sagen wir, selbst gemachten Honig. Du stellst den in ein Regal und erzählst uns, den Betreibern, ein bissl was über dein Produkt. Am nächsten Tag kommt jemand rein, der das haben will. Wir geben ihm die Infos und sagen ihm, über wieviel Geld sich der Produzent vielleicht freuen tät‘. Aber wie gesagt, die Geldhöhe ist kein Muss.“ Gernot sieht sich da eher in einer Vermittlerrolle: „Es ist eine gemeinschaftliche Gegenbewegung zu ‚Geiz ist geil‘. Es geht da vielleicht sogar um eine Art der Großzügigkeit. Jemand, der mehr Geld zur Verfügung hat, wird vielleicht mehr für das Honigglasl zahlen als jemand, der nur wenig hat. Kriegen tut‘s dann der Produzent. Oder der findet selber wieder etwas in unserem Regal, das er gerne hätte“
Und es seien eben keine gesichtslosen Produkte; jedes verfüge über ein Gesicht und eine Geschichte. Derlei Stadtregale gebe es in vielen Städten wie etwa Berlin. „Und dort funktionieren die ganz prächtig.“ Der Schreiber dieser Zeilen gibt zu, dass er sich das nicht so ganz vorstellen kann, hofft aber inständig, dass dies nur an seiner temporären Fantasielosigkeit in Zeiten des Raubtierkapitalismus liegt.
Auf jeden Fall kam in die Räumlichkeiten des Vegon dann das JuPet hinzu. Und als dritte Säule gesellte sich dann Hempcare, der Laden für Premium-CBD-Produkte, zu den Obgenannten.
CBD? Das hat doch was mit Cannabis zu tun, oder? Und wie ist das jetzt mit dem Hanf? „Nein, du kriegst bei uns keine ‚Haschgiftspritzen!“, meint Paul Purgina, einen österreichischen Politiker der etwas einfältigeren Art zitierend, und lacht recht ansteckend. „Cannabis ist eine ‚leiwaunde‘ Pflanze, nicht zuletzt in medizinisch-therapeutischer Hinsicht. CBD – oder Cannabidiol – wird aus der Nutzhanfpflanze gewonnen, ist de facto nicht berauschend, aber gut gegen Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, ja auch gegen Angstzustände. Wir zählen auch einige ältere Menschen zu unseren Kunden.“ Und sein Kompagnon Hubert Hausmann ergänzt: „Grad Hanf könnte medizinisch regional und dezentral angebaut und vertrieben werden. Wächst ja überall gut.“ Aber das sei halt nicht unbedingt im Sinne einiger Konzerne.
Aber durchaus im Sinne der Minimal[l]. Denn zu deren Philosophie zählt Nachhaltigkeit ganz stark. „Und wir bieten Dinge an, die es eben nicht in den Großkaufhäusern vor den Toren der Stadt gibt“, ist der fürs Marketing der Minimal[l] zuständige Oliver Karner überzeugt. Ihr gemeinschaftliches Auftreten habe zudem den Vorteil, dass jeder für jeden einspringen könne, wenn einer einmal keine Zeit habe.
„Wir bringen uns ganz bewusst in die gesellschaftliche Kultur ein“, meint Julian abschließend. „Kommt rein, nehmt euch Zeit! Ihr kriegt nicht nur Produkte, sondern Inspiration!“
"„Haschgiftspritzen“ kriegst du keine bei uns!" Paul Purgina
„Im Grunde sind es drei Geschäfte, die hier gemeinschaftlich betrieben werden“, klärt Julian Diendorfer auf. Er selbst, zumeist von einem schön steampunkigen Zylinder behütet, ist gemeinsam mit Clemens Lasslesberger für JuPet, das Geschäft für Brettspiele, Pen&Paper-Rollenspiele sowie Würfel- und Kartenspiele verantwortlich. Was sofort auffällt: Hier geht’s nicht um den schnellen Konsum, sondern um einen freundlichen und respektvollen Umgang miteinander. Spiele kann man also nicht nur kaufen, man darf und soll sich auch vor Ort beraten lassen und nach Lust und Laune mitspielen. „Wir haben an vier Tagen bis 21 Uhr geöffnet“, meint Clemens, und Julian ergänzt: „Aber wenn gespielt wird, kann‘s auch einmal halb drei Uhr nachts werden.“ Klar: Spiele mit dem Titel „Villen des Wahnsinns“ (Lovecraft-Afficionados dürfen da gleich einmal hemmungslos jubeln) wollen vielleicht eher in nächtlichem Setting ausprobiert werden. Und Clemens und Julian sind echte Spiele-Nerds. Als Koch kam Julian in der ganzen Welt herum – „und überall bin ich auf Brettspieler gestoßen, aus denen auch oft gute Freunde wurden.“ Er beschloss, seine große Leidenschaft zum Beruf zu machen – und das vorläufige Endergebnis heißt nun JuPet. „Der Unterschied zu Online-Spielen?“ Clemens erklärt: „In der virtuellen Welt geht’s mitunter sehr tief zu. Da sind die wüstesten Beschimpfungen an der Tagesordnung. Wenn du aber deinem Mit- oder auch Gegenspieler gegenüber sitzt, verhältst du dich anders.“ Klar: Hier wird nicht aus der Anonymität heraus agiert – dein Gegenüber hat ein Gesicht, einen Namen und eine Geschichte.
"Wir bieten Dinge an, die es eben nicht in den Großkaufhäusern vor den Toren der Stadt gibt." Oliver Karner
Gesicht und Geschichte sind auch fürs Vegon, den zweiten Laden der Minimal[l], elementar. Gernot Kulhanek, eigentlich Sozialpädagoge, hat das Einkaufszentrum gleichsam aus der Taufe gehoben: „Begonnen hat‘s als Sozialprojekt mit arbeitslosen, traumatisierten Jugendlichen. Da gab‘s zum Beispiel einen, der hatte Angststörungen und konnte den Mund nicht aufmachen. Wollte aber Verkäufer werden. Hier, im Vegon, hat er gleichsam seine Sprache wieder gefunden. Der hat jetzt einen ganz regulären Job. Hat also geklappt.
Und Gernot umreißt seinen nächsten Plan: das Stadtregal. „Das ist eine Non-Profit-Variante. Du kommst zu uns, hast, sagen wir, selbst gemachten Honig. Du stellst den in ein Regal und erzählst uns, den Betreibern, ein bissl was über dein Produkt. Am nächsten Tag kommt jemand rein, der das haben will. Wir geben ihm die Infos und sagen ihm, über wieviel Geld sich der Produzent vielleicht freuen tät‘. Aber wie gesagt, die Geldhöhe ist kein Muss.“ Gernot sieht sich da eher in einer Vermittlerrolle: „Es ist eine gemeinschaftliche Gegenbewegung zu ‚Geiz ist geil‘. Es geht da vielleicht sogar um eine Art der Großzügigkeit. Jemand, der mehr Geld zur Verfügung hat, wird vielleicht mehr für das Honigglasl zahlen als jemand, der nur wenig hat. Kriegen tut‘s dann der Produzent. Oder der findet selber wieder etwas in unserem Regal, das er gerne hätte“
Und es seien eben keine gesichtslosen Produkte; jedes verfüge über ein Gesicht und eine Geschichte. Derlei Stadtregale gebe es in vielen Städten wie etwa Berlin. „Und dort funktionieren die ganz prächtig.“ Der Schreiber dieser Zeilen gibt zu, dass er sich das nicht so ganz vorstellen kann, hofft aber inständig, dass dies nur an seiner temporären Fantasielosigkeit in Zeiten des Raubtierkapitalismus liegt.
Auf jeden Fall kam in die Räumlichkeiten des Vegon dann das JuPet hinzu. Und als dritte Säule gesellte sich dann Hempcare, der Laden für Premium-CBD-Produkte, zu den Obgenannten.
CBD? Das hat doch was mit Cannabis zu tun, oder? Und wie ist das jetzt mit dem Hanf? „Nein, du kriegst bei uns keine ‚Haschgiftspritzen!“, meint Paul Purgina, einen österreichischen Politiker der etwas einfältigeren Art zitierend, und lacht recht ansteckend. „Cannabis ist eine ‚leiwaunde‘ Pflanze, nicht zuletzt in medizinisch-therapeutischer Hinsicht. CBD – oder Cannabidiol – wird aus der Nutzhanfpflanze gewonnen, ist de facto nicht berauschend, aber gut gegen Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, ja auch gegen Angstzustände. Wir zählen auch einige ältere Menschen zu unseren Kunden.“ Und sein Kompagnon Hubert Hausmann ergänzt: „Grad Hanf könnte medizinisch regional und dezentral angebaut und vertrieben werden. Wächst ja überall gut.“ Aber das sei halt nicht unbedingt im Sinne einiger Konzerne.
Aber durchaus im Sinne der Minimal[l]. Denn zu deren Philosophie zählt Nachhaltigkeit ganz stark. „Und wir bieten Dinge an, die es eben nicht in den Großkaufhäusern vor den Toren der Stadt gibt“, ist der fürs Marketing der Minimal[l] zuständige Oliver Karner überzeugt. Ihr gemeinschaftliches Auftreten habe zudem den Vorteil, dass jeder für jeden einspringen könne, wenn einer einmal keine Zeit habe.
„Wir bringen uns ganz bewusst in die gesellschaftliche Kultur ein“, meint Julian abschließend. „Kommt rein, nehmt euch Zeit! Ihr kriegt nicht nur Produkte, sondern Inspiration!“
"„Haschgiftspritzen“ kriegst du keine bei uns!" Paul Purgina