MFG - Sommer, Sonne – St. Pölten?
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St. Pöltens gute Seite

Sommer, Sonne – St. Pölten?

Text Johannes Mayerhofer
Ausgabe 09/2022

Die Bewerbung St. Pöltens um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2024 ist gefloppt, das ist bekannt. Dennoch gab es in den Nachwehen dieser Niederlage Bekundungen bis hinauf zur Landeshauptfrau, St. Pölten touristisch und kulturell aufrüsten zu wollen. Welche Perspektiven gibt es für das Touristenziel St. Pölten?

Aufstehen, Krone richten, weitermachen“ – so oder so ähnlich lässt sich die Reaktion auf die gescheiterte Bewerbung um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2024“ im landes- und kommunalpolitischen St. Pölten samt der Presselandschaft zusammenfassen. Die anfängliche Fassungslosigkeit darüber, dass Bad Ischl sich vor der EU-Jury gegenüber der niederösterreichischen Landeshauptstadt durchsetzen konnte, wich aber schnell beinahe schon trotzigem Selbstbewusstsein.  Die Projekte, welche im Rahmen der „Kulturhauptstadt“ auf die Beine gestellt wurden, seien  „zu gut, weshalb wir den Weg weitergehen. Und St. Pölten wird im Jahr 2024 zur Landeskulturhauptstadt ernannt“, verkündete Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Kulturell und touristisch soll St. Pölten also aktiv nach vorne entwickelt werden, doch wo steht die Stadt diesbezüglich heute?

Business-Tourismus starkes Standbein, Sightseeing aber immer beliebter
Ein primäres Standbein der Stadt ist und wird auch in Zukunft der Business-Tourismus sein. „Das ist bedingt durch die gute Infrastruktur für Veranstalter, die zentrale Lage St. Pöltens in NÖ und die Anbindung an die Westbahn“, erklärt dazu Matthias Weiländer, Geschäftsführer der Marketing St. Pölten GmbH. Seit 2014 stütze St. Pölten diese Entwicklung durch ein eigenes „Incoming Reisebüro“, das sowohl Gruppenreisen als auch den Business-Bereich mit aufbereiteten Angeboten und Serviceleistungen bediene. Es zeige sich auch ein zunehmender Trend, „Second Cities“ – also mittelgroße Städte abseits der Bundeshauptstadt – zu besuchen. „Sightseeing ist dadurch ein zunehmendes Thema und unsere St. Pöltner Freizeit-, Kultur- und Sportbetriebe profitieren von dieser Entwicklung“, so Weiländer. Ebenso positiv wertet er, dass die Austria Guides mittlerweile ihre Führungsdienste auch in St. Pölten anbieten.
„Den spezifischen St. Pölten-Tourismus gibt es nicht“, meint Michael Duscher, Geschäftsführer der Niederösterreich Werbung. Grundpfeiler sei der Wirtschaftstourismus als klare Nummer eins, der Großteil der Nächtigungen sei im Wirtschaftsbereich vorhanden. Säule Nummer zwei sei die Kultur. „Dabei denke ich an die zahlreichen kulturellen Institutionen wie das Landestheater, das Festspielhaus oder das Museum Niederösterreich sowie die vielen kulturellen Veranstaltungen und Events in St. Pölten, vom Barockfes­tival bis zum Frequency Festival“, so Duscher. Zuletzt sei auch der Sport-Bereich, Säule Nummer drei, nicht zu unterschätzen. In Zukunft werde verstärkt auf Kurzurlaubs-Tourismus gesetzt, bei dem auch die umliegende Region einbezogen sein solle.

Übernachtungen und Ankünfte
Doch wie sehen, abseits aller subjektiven Lageeinschätzungen, die nackten Zahlen der Tourismusstatistik der Landeshauptstadt aus? Klarerweise macht das Ereignis der Corona-Pandemie eine Einschätzung der Touristenfrequenz wie unter „normalen“ Bedingungen kaum möglich. Der Periodenvergleich zwischen 2019 und 2022 zeigt jedoch, dass sich die Zahlen wieder normalisieren. Zählte man von Jänner bis Juli 2019 rund 52.000 Ankünfte, waren es im gleichen Zeitraum 2022 knapp 41.000. 2021 waren es 22.700. Den 105.000 Übernachtungen der ersten sieben Monate 2019 stehen bislang 84.000 im Jahr 2022 gegenüber. Im selben Zeitraum 2021 übernachteten nur knapp 60.000 Reisende in der Landeshauptstadt. Die mit Abstand größte Herkunftsgruppe waren und sind die österreichischen Inlandsreisenden: So waren im ersten Halbjahr 2022 sieben von zehn in St. Pölten Nächtigenden Österreicher, ein weiterer Deutscher. Der Rest verteilt sich auf andere Nationalitäten.

St. Pölten als eigenständiges Touristenziel?
„St. Pölten hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt“, bestätigt auch Andreas Purt, Geschäftsführer der Mostviertel Tourismus GmbH. „Wir haben neue Hotels dazubekommen und die Zahl der Nächtigungen hat sich bis 2019 kontinuierlich nach oben entwickelt.“ Der Wirtschaftstourismus werde zwar auch in Zukunft noch eine große Rolle spielen. „Die Bewerbung um die Europäische Kulturhauptstadt 2024 wirkte jedoch wie ein Schub“, so Purt. Eine ganze Reihe von Projekten soll laut Purt „zur Positionierung St. Pöltens beitragen.“ Gemeint ist damit unter anderem das Festival „Tangente St. Pölten“, welches als „Festival für Gegenwartskultur“ 2024 erstmals über die Bühne gehen soll. Auch die Grundsanierung und Neuaufstellung der St. Pöltner Synagoge als Ausstellungs- und Kulturzentrum, der im Neubau befindliche multifunktionale Domplatz und das Kinderkunstlabor (KIKULA) sollen die kulturtouristische Brandmark „St. Pölten“ stärken. „Die Positionierung St. Pöltens als Ausgangspunkt für Erkundigungen im Umland und die stärkere Verbindung mit den Umlandregionen soll noch stärker entwickelt werden.“ St. Pölten strebe außerdem eine assozierte Partnerschaft mit den beiden LEADER Regionen Mostviertel-Mitte und Traisental-Donau-Niederösterreich an. Im Rahmen von gemeinsamen Projekten, die in den kommenden Monaten festgelegt und definiert würden, solle die Kooperation intensiviert werden.
Ähnlich klingt das auch bei Weiländer: „In der touristischen Vermarktung hat St. Pölten für die umliegenden Regionen bereits seit Jahren eine wichtige Trägerrolle. Der geplante Auftritt als Hauptstadtregion wird diese Zusammenarbeit weiter vertiefen.“
Mit Unterstützung der NÖ-Wirtschaftsagentur ecoplus werde im Rahmen einer Regionalförderung eine zusätzliche Person bei der Mostviertel Tourismus GmbH angestellt und in der St. Pöltner Tourismusstelle positioniert, um gemeinsame Projekte auszuloten, erklärt Purt weiters. Weiländer sieht die Potentiale der Landeshauptstadt noch nicht ausgeschöpft, denke er etwa an die Möglichkeit von Jugendprojektwochen in einer Kombination aus Kultur- und Sportlandeshauptstadt. „St. Pölten wird sich im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten weiter touristisch professionalisieren“, prophezeit er. Eine „Second City“, die aber touristisch in der ersten Liga mitspielt, so lautet der Plan.