MFG - (Bürger)Masterplan im Kopf?
(Bürger)Masterplan im Kopf?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

(Bürger)Masterplan im Kopf?

Text Johannes Reichl
Ausgabe 12/2007

„One year ago, ein Jahr wie eine Ewigkeit“ singt FALCO. Für Bürgermeister Matthias Stadler ist das erste Jahr wohl eher vergangen wie im Flug. Wir trafen ihn im „Café Central“ und plauderten über seine persönliche Bilanz, Oppositionskritik und anstehende „Kernprojekte“, wie er sie nennt.

Vor einem Jahr wurden Sie mit satter Mehrheit sozusagen als Bürgermeister bestätigt. Ihre persönliche Bilanz?
Es ist viel weitergegangen. Es gibt eine Reihe von Kernprojekten, die bereits in Umsetzung sind, wenn wir nur an die Fachhochschule, das Bussystem, das Stadtmuseum, das Gesundheits- und Sozialzentrum, die Stadtbücherei, die Aquacity, die Volkshochschule, für die wir rasch eine neue Bleibe gefunden haben, denken. Andere Projekte sind im Laufen oder die Planungen angebahnt, etwa in Sachen Innenstadt und Bahnhof.
Es ist etwas in Bewegung, auch im Hinblick auf das Image. Heut siedeln sich mehr Studenten in St. Pölten an als noch vor kurzem, was mit dem FH-Neubau aber auch dem gestiegenen Angebot der Stadt zusammenhängt. Die Bevölkerung wächst, und im Städtebund wird St. Pölten heute ernster genommen als früher. Das ist eine neue Erfahrung – und die ist sehr erfreulich!
Die Opposition beurteilt Ihre Performance anders. Sie seien zwar medienwirksam, aber in Wahrheit entscheidungsschwach und Ankündigsweltmeister.
Damit hab ich kein Problem, weil ich eindeutig belegen kann, dass es nicht stimmt. Und ich werde sicher nichts mutwillig übers Knie brechen, nur um einen kurzfristigen, publikumswirksamen Erfolg zu haben. Wenn etwas ein Jahr länger dauert, weil es dieses Jahres für die beste Lösung bedarf – gut, dann soll es so sein. Zuerst müssen die Bedingungen für die Stadt stimmen. Wenn das beim VAZ der Fall ist, dann werde ich entscheiden. Wenn das bei der Bahnhofsgarage Nord der Fall ist, dann werde ich entscheiden. Wenn das beim Hotel der Fall ist, dann werde ich entscheiden. Wichtig ist, dass die Lösung für die Stadt tragbar ist.
Und vor Entscheidungen scheu ich mich sicher nicht. Ich hab eine Reihe von Themen einer Lösung zugeführt, die nicht nur Zustimmung finden, wie etwa Radfahren in der City, den Masterplan oder die Prostitutionsverordnung. Jeder, der also sagt, es geht nichts weiter, straft sich selbst Lügen.
Ein anderer Vorwurf ist, dass sie die Oppostion sozusagen „blöd sterben lassen“, In Sachen Informationspolitik seien Sie schlimmer als Ihr Vorgänger – und das ist nicht als Kompliment gemeint.
Das ist ein natürlicher Reflex der Opposition und eher Zeichen dafür, dass es sonst offensichtlich keine brisanteren Themen oder Angriffsflächen gibt, weil sonst würde man nicht nur jammern. In gewissen Belangen ist halt einfach die Problematik gegeben – nehmen wir etwa den Deal mit der EVN – wo im Vorhinein Stillschweigen vonnöten ist, um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden. Leider bringen das einige Oppositionspolitiker nicht zusammen. Wie oft hab ich in Vergangenheit informiert mit der Bitte um Verschwiegenheit – und am nächsten Tag darüber in der Zeitung gelesen. Dort hat man dann kritisiert, dass ‚der Stadler ein Geheimniskrämer ist.’ Aber schauen wir uns an, wie man in der Privatwirtschaft bei komplexen Deals vorgeht: Da wird auch erst mit der Information rausgegangen, wenn der Deal steht. Über ungelegte Eier sprech ich nicht, das ist nicht meine Art.
Aber, um kein falsches Bild zu zeichnen: Unter 4, 6, 8 Augen funktioniert die Gesprächsbasis mit der Opposition auch bei Sachthemen ganz gut. Das Mediale ist dann halt wieder eine andere Sache. Inszenierung ist nun mal Teil der Politik.
Aber eine Reihe von offenen Projekten gibt es ja tatsächlich. Was Ihnen etwa seit Jahren anhängt, ist die Frage des Hotels bei den Stadtsälen. Ende Dezember sollen die Würfel fallen. Status Quo?
Konsortien sind da, und sie wollen das Hotel errichten – die haben auch schon viel in die Vorplanungen investiert. Auch beim Land ist hinsichtlich etwaiger Förderungen alles abgeklärt. Die nunmehrige Herausforderung ist – so hab ich den Eindruck - die Mitglieder innerhalb des jeweiligen Konsortium unter einen Hut zu bringen.
Aber woran spießt oder hat es sich bislang gespießt. Liegt es daran, dass man etwa die Stadtsäle mitsaniert haben möchte und das viele abschreckt?
Nein, darin seh ich nicht das Hauptproblem. Die Stadtsäle werden von den Bietern eher als Vorteil beurteilt, weil man damit ja etwas machen kann.
Die Herausforderung war eher, ein Bewusstsein zu schaffen, dass sich ein Investment in St. Pölten lohnt. Die Tourismuszahlen sprechen ja dafür, und mit einem Hotel könnten wir wahrscheinlich sogar Krems in Sachen Übernächtigungen überholen – wer hätte sich das vor einigen Jahren vorstellen können?! Unser Problem ist aber nicht etwaige Konkurrenz in Wr. Neustadt oder Linz, sondern jene in Prag, Budapest, Bratislava. Viele große Hotelketten gehen eher an einem bewährten Ort auf Nummer sicher, wo ihnen das Auslastungsrisiko geringer erscheint. Es bedurfte also Überzeugungsarbeit, dass in St. Pölten was los ist, dass sich ein Investment lohnt.
Eine andere Baustelle betrifft das VAZ, Stichwort Halle C. Gibt es außer Lippenbekenntnissen, wie man den Eindruck gewinnt, auch eine echte Perspektive?
Natürlich gibts Perspektiven. Es dauert halt seine Zeit, so wie beim Hotelprojekt, dem Stadion oder dem Bahnhof – okay, so lang hoffentlich nicht. Wir haben seitens der Stadt eine Studie in Auftrag gegeben, die auf 100 Seiten Empfehlungen und Beurteilungen abgibt. Darin wird ein  klares JA zum derzeitigen Standort sowie einem Kongress- und Messezentrum im Süden abgegeben.
Es heißt auch, dass ein reiner Ersatz der Halle C nichts bringt. Das könnten wir als Stadt auch alleine schaffen. Aber wenn wir die hinstellen, berauben wir uns der Chance auf eine attraktive Gesamtlösung. Die Studie empfiehlt hingegen eine Kongresshalle für mindestens 5.000 Leute, womit St. Pölten seiner Haupstadtrolle als Kongress- und Messestadt zwischen Wien und Linz gerecht werden kann.
Mit der Studie im Rücken können wir jetzt besser auf Partner und Finanziers zugehen, weil die Sinnhaftigkeit jetzt keiner mehr in Frage stellen wird. Gewisse Dinge müssen eben reifen, aber es gibt Bewegung.
Partner wie das Land zum Beispiel? Die Achse zum Landeshauptmann scheint ja besser denn je, man ist fast geneigt von einem Kuschelkurs zu sprechen.
Es gibt definitiv ein Aufeinanderzugehen und ein gutes Klima, im übrigen nicht nur mit dem Landeshauptmann, sondern sämtlichen Landesräten. Die Gesprächsbasis ist gut, wir bekommen Unterstützung, wenn ich etwa an Mittel aus der Stadterneuerung, für das Behindertenwohnheim, eine neue Demenzstation, Straßenprojekte oder die Unterstützung beim neuen Bussystem denke.
Auf sachlicher Ebene bestehen keine Konfliktpunkte zwischen Stadt und Land. Es gibt gegenseitiges Verständnis dafür, dass man  für beide Seiten wichtige Projekte gemeinsam bewältigen muss und auch kann. Wir sind lösungsorientiert.
Und wie sieht es mit dem Bund aus. So oft wie der derzeitige Bundeskanzler waren seine sämtlichen Vorgänger zusammengenommen nicht da. Hat das Substanz, oder sind es nur Gesichtsbäder?
Also der Kanzler nimmt sicher kein Gesichtsbad – das könnte er in anderen Städten ebenso gut. Er drückt damit nur, so wie etwa auch der Bundespräsident, der schon mehrmals hier war, seine Wertschätzung für St. Pölten aus, und es zeugt von der guten Achse. Wir haben heut einen ganz anderen Zugang zur Bundesregierung als noch vor kurzem – das erleichtert sehr viel und bringt auch etwas. Ich denk nur an die Geschützte Werkstätte, wo der Bund unterstützt, oder ein Infrastrukturpaket von rund 1 Milliarde, das in der Region auch St. Pölten zugutekommt.
Ich hab viele direkte Gespräche mit dem Bundeskanzler, ebenso zu den Ministern, etwa Claudia Schmied, nicht nur im Hinblick auf Bauliches für HAK, HTL oder Gymnasium, sondern auch hinsichtlich der Schulreformthematik. Ebenso gibt’s Gespräche mit Minister Plattner oder dem Verteidigungsminister in Sachen ehemaliges Heeresareal in Völtendorf.
 
Und der Kaserne. Bei der Veräußerung scheint gehörig Sand im Getriebe zu sein. Warum bringt man das Teil nicht an?

Der Preis ist zu hoch. Die Liegenschaft wurde von einem Experten geschätzt, aber man ist von falschen Voraussetzungen ausgegangen, etwa ohne Rücksicht auf die Zentrumszonenverordnung. Jetzt ist die SIVBEG bemüht, ohne Gesichtsverlust da wieder rauszukommen. Die sind aber in einer Zwickmühle, denn veräußern sie zu billlig, macht das Schule und somit Probleme bei den anderen Standorten. Das heißt, der Verkauf geht nicht von heut auf morgen, und so toll das Areal ist, so gibt es natürlich viel zu berücksichtigen, etwa die Verkehrserschließung nach dem Verursacherprinzip etc.
Was würden Sie dort unter dem Motto „Wunsch ans Christkind“ präferieren?
Ein attraktives Gewerbe- und Dienstleistungszentrum mit möglichst vielen Arbeitsplätzen – was anderes ist eigentlich auch gar nicht möglich. Von Gemeindeseite sind wir jedenfalls offen für jede Widmung und haben das auch von Anfang an signalisiert. Daran wird es sicher nicht scheitern. Wir haben auch – als einzige in Österreich – ganz konkrete Vorschläge für die Verwertung gemacht. Von unserer Seite sind sozusagen die Vorleistungen erbracht.
Ruhig geworden ist es auch um den Pottenbrunner-Ortstafelstreit. Haben Sie das Thema jetzt sanft entschlafen lassen?
Da war viel aufgebauscht, und es gab derlei emotionale Reaktionen auch nur in Pottenbrunn. Mir geht es bei der ganzen Ortstafelfrage ausschließlich um ein St. Pölten Bewusstsein, Zusammengehörigkeit – sicher nicht um irgendeinen Angriff auf die Stadtteile, das wäre ja lächerlich. Ich selbst bin ja Stadtteilbewohner, wohn in Viehofen. Wir müssen halt eine Lösung finden, wo wir uns nicht lächerlich machen. Wenn da ein Kompromiss gelingt, werd ich mich sicher nicht verschließen.
Aber Kompromissbereitschaft scheint ja da – beide Bezeichnungen auf eine Tafel. Damit können angeblich auch die Pottenbrunner. Der Knackpunkt scheint nur mehr zu sein: Wer steht oben, wer unten.
Wer steht oben, wer steht unten – das ist doch bitte eine völlig lächerliche, reduzierte Diskussion eines kurzsichtigen Exponenten der ÖVP. Im übrigen war das von Anfang an Thema. Als ich damals in die Parteiengespräche gegangen bin, weil einfach ein Wechsel von Tafeln ansteht und ich eine einheitliche Lösung verfolge, waren bei den Vorschlägen immer beide Namen drauf. Eine andere Diskussion hat es nie gegeben.
In Frage gestellt wird bisweilen, ob es klug war, die Innenstadtentwicklung in eine GmbH auszulagern. Lässt man damit die Macher nicht im Regen stehen bzw. hätten sie als reine Stadtinstitution nicht mehr Rückhalt und Einfluss?
Da gibt es verschiedene Ansätze. Ich kann mich erinnern, als erstmals ein City-Manager installiert wurde – da war seitens der Kaufmannschaft sofort der Wunsch, diese Stelle nicht nur bei der Stadt anzusiedeln. Rückendeckung gibt es jedenfalls 100%ig seitens der Stadt, denn sonst wären wir ja nicht Gesellschafter.
Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Arbeit der Stadtentwicklungs GmbH?
Wichtig beim Masterplan ist letztlich das Endergebnis. Es geht gar nicht nur so sehr um Eckpunkte, an denen man das aufhängt, sondern auch um den Masterplan im Kopf. Wichtig ist – und das hat man erstmals geschafft – dass nicht nur die Kaufmannschaft involviert ist, sondern auch Hausbesitzer, Dienstleister und andere. Und es sollen noch mehr Mitglieder werden.
Was meinen Sie mit Masterplan im Kopf?
Dass man sich seiner Stärken bewusst wird bzw. falsche Bilder korrigiert: dass man weiß, dass die City attraktiv zum Einkaufen ist, dass es tolle Schanigärten gibt, dass man einen Parkplatz findet. Es ist viel Überzeugungsarbeit notwendig, und man muss dazu animieren, dass schöne Wohnungen geschaffen, Geschäftslokale attraktiv gestaltet werden, Qualität statt Massenware geboten wird, denn was ich auf der grünen Wiese bekommen kann, dazu werde ich nicht in die Innenstadt fahren. 
Seitens der Stadt versuchen wir diesen Prozess zu befruchten, haben im letzten Jahr rund 8 Millionen Euro in der Innenstadt investiert, nicht nur in Großprojekte wie Bahnhof oder Museum, sondern auch in Kleineres wie Blumentröge für die Wiener Straße oder die Beauftragung eines Leitsystems für Kultur- und Tourismus.
Es ist auch schon einiges gelungen. So kommt mir vor, dass das Krankjammern weniger geworden ist und mehr Optimismus um sich greif! Letztlich geht es um Nachhaltigkeit, darauf ist der Masterplan ausgelegt - auf 10 Jahre!
Andere Privatisierungen betrafen die Immobilien GmbH, das Büro V oder jüngst den EVN-Stadtwerke-Deal. Es heißt, unter Ihrem Vorgänger wäre dies unmöglich gewesen. Brechen Sie ein SPÖ-Tabu?
Das ist ein Irrglaube. GmbH’s gab es auch schon unter Willi Gruber, wenn man etwa an die MBA oder die Fachhochschule denkt. Und jetzt ist halt für einige Dinge die Zeit reifer. Wir gehen in der SPÖ derlei Sachen sehr pragmatisch an, wägen Vor- und Nachteile ab – und da haben die Vorteile bislang überwogen, wenn man nur an steuerrechtlichen Belange denkt. Außerdem ist Privatisierung nicht gleich Privatisierung – da gibt es eine Reihe von „Pseudoprivatisierungen“, wenn die Stadt 100%ige Eigentümerin bleibt und damit den Einfluss wahrt.
Das war uns auch bei der Fernwärme wichtig, weshalb wir die Mehrheit der Anteile halten. Der EVN-Deal ist im übrigen durch die Entwicklungen am Energiesektor angestanden. Für mich ist das in der jetzigen Situation die beste Lösung. Dadurch erreichen wir Unabhängigkeit vom Gas, können auf mehrere Energieformen zurückgreifen, Preisentwicklungen entgegentreten und werden unabhängiger. Stellen Sie sich nur eine Krise am Gassektor vor, und Sie sind nur auf diese Energieform angewiesen. Wir müssen langfristig denken und agieren!