MFG - Die Geige in Gottes Händen
Die Geige in Gottes Händen


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Die Geige in Gottes Händen

Text Johannes Reichl
Ausgabe 02/2007

Domplatz 1. Ein mächtiges, wundervoll verziertes Schmiedeeisentor, das so schwer ist, wie es aussieht. Im Entree die legendären Klostergründer Adalbert und Ottokar in Übergröße, als bewachten sie den Bewohner hinter den Gemäuern – Bischof DDr. Klaus Küng.

Vorbei an der Statue des hl. Nepomuk betreten wir den atemberaubenden Stiegenaufgang  und steigen unter einem Firmament aus Stuck einen Stock höher ins Bischöfliche Palais, die Amts- und Wohnräume des Bischofs. Alles wirkt hier protzig, herrschaftlich, dekadent –   Grüße aus einer Zeit, als Bischöfe noch Kirchenfürsten waren.  Bischof DDr. Klaus Küng wirkt in all dem Pomp wie eine Antithese. Es ist eine ruhige, angenehme, fast gelassene Aura, die der Gottesmann ausstrahlt – und Bescheidenheit. „An das Barocke musste ich mich erst gewöhnen“, stellt er lächelnd beim Rundgang durch die mit Gemälden (z.B. ein Sitzungssaal mit mehreren Kremser Schmidts!) gespickten Räume und Gänge fest. Und als wir ihn in der Ahnengalerie der Bischöfe fragen, wo denn dereinst sein Konterfei hängen wird, winkt er ab. „Das mag ich eigentlich überhaupt nicht!“ Dafür zeigt er uns das Bild von Bischof Josef Feßler (1865-1872) „Der war auch Vorarlberger!“ Eine Brücke in Öl und Farbe in die ferne, geliebte Heimat. Stings Song „Englishman in New York“ kommt einen in den Sinn. „Meine Vorfahren sind ja Alemannen. Ich stamme aus Vorarlberg, das hat mich schon sehr geprägt.“ 
Die Vorarlberger Herkunft
Bregenz 1940. Dort beginnt die Geschichte von Klaus Küng, wird er am 17. September als jüngster Spross von insgesamt vier Kindern geboren. Die ersten fünf Jahre verlebt der Bursche im Klostertal/Arlberg, wo der Vater Gemeindearzt ist, bevor es ihn gemeinsam mit der Familie nach Feldkirch verschlägt. Der kleine Klaus begleitet den Vater mitunter auf seinen „Dienstreisen“. „Mein Vater war der typische Hausarzt. Mich hat beeindruckt, welch Vertrauensverhältnis er zu den Patienten aufbaute.“ Eine Faszination, die in Küng bereits während der Mittelschulzeit den Wunsch heranreifen lässt, ebenfalls Mediziner zu werden. Nach der Matura setzt er diesen Plan  in die Tat um. Zunächst studiert er in Innsbruck, dann geht er nach Wien. Es wird d a s Schlüsseljahr in seinem Leben. „Mich hat Wien aufgrund seiner Kulturfülle angezogen, weil ich mich für Theater, Oper, Festivitäten, Literatur interessiert habe.“ Küng ist zu dieser Zeit das, was man einen „ganz normalen“ jungen Erwachsenen nennt: Er liebt die Liebe, hat eine Beziehung, träumt vom Heiraten und einer eigenen Familie. „Es gab schon sehr konkrete Pläne diesbezüglich.“ Doch wie so oft im Leben – und da geht es einem Bischof offensichtlich nicht anders als Ottonormalverbraucher – kommt es immer anders als man denkt.
Die Wiener Entscheidung
Der Student kommt in Wien in Berührung mit Opus Dei, mit den Lehren von Josefmaria Escriva, „der seit 2002 heilig gesprochen ist“, und ist von Anfang an elektrisiert. Er krempelt sein Leben völlig um. „Durch das Opus Dei hab ich begonnen, das Gebet für mich zu entdecken. Der Wunsch reifte, echter und konsequenter zu werden im Christsein, ja, mein Leben in den Dienst Christi zu stellen.“ Dieser Dienst verlangt späterhin freilich große Opfer wie Zölibat und den Verzicht auf Familie. „Das ist mir sehr, sehr schwer gefallen“, gesteht der Bischof. Doch er hat seinen Weg gefunden und geht ihn konsequent, lässt sich auch nicht davon beirren, dass das Opus Dei in der Öffentlichkeit zwiespältigst wahrgenommen wird.
Während die einen bis hin zum Heiligen Stuhl in Opus Dei eine Art Rettung für die Kirche erblicken, sehen andere darin eine fundamentalistische, frauenfeindliche, reaktionäre, ja fast sektenähnliche Institution. Für den Bischof nicht nachvollziehbar: „Opus Dei hat große Bedeutung für die Kirche, weil es einen Weg zeigt, in der heutigen Zeit die Nachfolge Christi ernsthaft zu leben. Wie bei jeder Institution im Anfangsstadium gab es viele Verdrehungen, Missverständnisse und bewusste Verleumdungen. In nicht wenigen Zusammenhängen hat das Opus Dei Pionierarbeit für das II. Vatikanische Konzil geleistet. Es vertritt eine klare Laienspiritualität. Jeder ist Licht und Salz, Christus, wirkt in seinem Geiste.“
Zwar übt Küng nach seinem Studium ein Jahr lang den Arztberuf aus „Ich war ein sehr begeisterter Arzt, weil ich Menschen in Krankheit und Leid beistehen konnte“, doch als er im Opus Dei gefragt wird, ob er bereit wäre, Priester zu werden, folgt er diesem Ruf und geht für vier Jahre an die Lateranuniversität in Rom, wo er das Lizentiat und das Doktorrat in Theologie erwirbt. Schon vorher hatte er – wie es das Opus Dei vorsieht – neben dem Medizinstudium mit Philosophie und Theologie begonnen. Für seine Familie kommt der Priesterwunsch unvorbereitet. „Mein Vater hat es gleich akzeptiert, meine Mutter hat sich anfangs schwer getan“, erinnert sich Küng.
Rom selbst führt zu einer weiteren religiösen Vertiefung, nicht zuletzt deshalb, weil Küng Josefmaria Escriva persönlich kennen lernt: „Eine sehr beeindruckende Persönlichkeit - sehr gottverbunden, sehr menschlich und herzlich, auch sehr humorvoll. Was faszinierte, war seine enorme Überzeugungskraft und dass er absolut lebte, was er vermittelte.“
Auch die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten, immerhin studierten mit Küng rund 200 Männer aus der ganzen Welt, hinterlässt ihre Spuren. „Das Opus Dei ist eine sehr bunte Familie, wo man hautnah die Weltkirche erfährt. Es waren verschiedene Charaktere und Lebensgeschichten, aber uns alle eint die Nachfolge Christi.“
Nach der Studienzeit wird Küng – nach wie vor Laie – nach Österreich geschickt, um in Graz die Opus Dei Gemeinschaft aufzubauen. Aufgrund finanziellen Drucks kehrt er für ein Jahr sogar in seinen angestammten Beruf zurück. „Das war anfangs sehr hart, weil ich aus einer ganz anderen Welt in den medizinischen Alltag zurückkehrte. Plötzlich waren da wieder Nachtdienste, die Gespräche am Krankenbett. Ich brauchte eine gewisse Zeit zur Umstellung, war dann aber wieder ein begeisterter Arzt.“ Doch im Sommer 1970 ist es soweit. Küng wird, im Übrigen als erster Österreicher überhaupt, in Madrid zum Priester des Opus Dei geweiht.
In den Schuhen des Fischers
Zeit für einen Schlenker: Da war schon immer eine brennende, wenn vielleicht auch banale Frage:  Was bringt einen Menschen dazu, römisch katholischer Priester zu werden, auf so viel zu verzichten? Was macht die Faszination aus? „Es geht auch da letztlich um den Menschen. Es geht darum, die Menschen zu Gott zu führen, sie zu begleiten, damit sie ihren Weg finden. Ich habe immer Freude erfahren, wenn ich beobachten konnte, wie in einem Menschen Frieden einkehrt; wenn in einem Herzen Hoffnung aufkommt; wenn jemand, der nur so dahingetrieben ist im Leben, zu nachdenken beginnt; anfängt, er selbst zu sein, auch für andere da zu sein; wenn tiefe Wunden der Seele, egal ob durch eigene Fehler oder durch andere Umstände verursacht, nach und nach zur Heilung gelangen. Das war für mich immer die große Herausforderung.“ Aber, so könnte man einwerfen, ist dann der Priester nicht in erster Linie in der Rolle als Beistand, als Seelsorger gefordert – Leistungen, die durchaus auch andere Berufe auf ihre Fahnen heften – während der Glaube als solcher nur Mittel zum Zweck, zweitrangig ist? Diesbezüglich widerspricht der Bischof klar. „Priestersein ist Dienst für Gott, für Christus an den Menschen. Der Priester ist immer nur Werkzeug, wer aber wirkt, ist Gott, ist Christus. Der Priester leiht das Ohr, die Stimme, sein Leben, damit Gott spricht, Christus spricht. Der Priester ist ein Instrument, wie die Geige des Musikers. Der Priester muss stets selbst um echtes Christsein bemüht sein, um für die Menschen Bruder, Vater, Begleiter sein zu können.“
Echtes Christsein - das schafft kaum jemand, dazu scheinen alle zu sehr Mensch zu sein. Ist dies umgekehrt für einen Priester, von dem man gerade diese Idealvorstellung vom guten, ja fast perfekten Menschen erwartet, nicht eine enorme Belastung? „Es ist sicher eine hohe Verantwortung. Der Schlüssel zur Lösung ist, dass der Priester auch für sich selbst Frieden finden muss, Geborgenheit braucht – das findet auch er in Christus. Nur wenn er selbst mit Christus verbunden ist, kann er anderen Christus bringen. Natürlich gibt es bisweilen Spannungsfelder, wo man sich Fragen stellt, vielleicht Zweifel hegt, wo das Priesteramt eine Prüfung darstellt. Wenn man aber versucht, nur auf eigene Ideen, auf eigene Vorstellungen, Fähigkeiten zu bauen, dann kann das nur daneben gehen. Man muss auf Christus bauen, Gott ist immer die Lösung!“
Zwischen Enthaltsamkeit und Einsamkeit?
Nun könnte man einwerfen, dass ein Schlüssel zur Geborgenheit eine eigene Familie, eine Frau sein könnte. Warum verlangt man den römisch-katholischen Priestern den Zölibat ab, der doch große Einsamkeit zur Folge haben muss?
„Meine Erfahrung ist jene, dass ein Priester, der intensiv seelsorglich tätig ist, sich in der Regel nie allein fühlt, weil durch sein Bemühen um die anderen ein Netzwerk der Verbundenheit und Freundschaft entsteht, das auch ihn selbst trägt. Meist ist das Problem, dass er dafür Sorge tragen muss, auch manchmal allein zu sein, d.h. um Zeit für Gott und auch für sich selbst zu haben.
Ebenso wichtig ist, dass er selbst Rückhalt hat. Opus Dei etwa war diesbezüglich für mich immer ein großer Schatz. Ebenso meine Familie.
Der andere wichtige Aspekt des Zölibats ist, dass der Priester bewusst auf eine Familie verzichtet, weil er so verfügbarer wird für Gott und die anderen. Das gibt ihm eine Freiheit, die jemand anderer nicht besitzt. Zu jemandem, der so lebt, kommen die Menschen und vertrauen sich an.“
Und wie steht es mit dem „berühmten“ Argument, dass der Priester im Hinblick auf Familie und Sexualität wie ein Wissenschaftler wirkt, der nur theoretisch über etwas doziert, das er selbst nicht erfahren hat? „Durch die geistliche Begleitung, auch vieler Eheleute, die sich oft sehr öffnen, erhält der Priester viele Erfahrungen vermittelt. Das bewirkt eine Erdung. Auch deshalb ist es wichtig, dass der Priester die persönliche Seelsorge nicht vernachlässigt, sonst geht die Erdung verloren. Andererseits braucht ein Priester Zeiten der Stille, er braucht Gemeinschaft, er braucht Entspannung. Deshalb halte ich es für erstrebenswert, dass Priester, wenn möglich in Gemeinschaft leben. Auch für die zölibatäre Lebensform gilt es Wege zu finden, die zur äußeren und inneren Gesundheit beitragen.“
Zwischen Zeitgeist und Spiritualität
Persönliche Seelsorge, das impliziert auch Spiritualität, die heute – ein vermeintliches Paradoxon – in Reaktion auf den „Zeitgeist“ selbst zu einem solchen geworden ist und den Kirchen im Westen neuen Zustrom bringt. „Heute kann man geradezu beobachten, wie die Sehnsucht nach Halt, Geborgenheit, Frieden und Heilung wächst. Gleichzeitig sind auch alle Phänomene der gegenteiligen Lebenshaltung feststellbar – die Leute rennen in den Trends der Zeit mit, geraten in Sackgassen.  Mir erscheint – und als Bischof muss ich diesbezüglich als Vorbild vorangehen – dass man Prioritäten, Rangordnungen setzen muss in seinem Leben. Man muss sich Zeit nehmen für Gott, Zeit nehmen für Erholung, muss überlegen, was gut und was nicht gut ist, was Erfüllung und Frieden bringt. Darum muss man kämpfen! Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass das immer leicht fällt. Das ganz und gar nicht!“
Letztlich, so der Bischof, gehe es um das Leben von Grundwerten. „Gelingt dies, so erfüllt es einen mit Freude, steigert die Arbeitskraft, fördert die Gesundheit.“ Stellt sich freilich die Frage, worin in Küngs Augen diese „richtige“ Lebensweise besteht. „Pflege der Beziehung zu Gott im Gebet. Pflege der Beziehung zueinander, um ein friedliches Miteinander zu leben. Auch eine gewisse Selbstliebe ist nötig, die bewirkt, mit Eigenständigkeit und einem gesunden Selbstbewusstsein, unser Leben so zu ordnen, dass es unseren Aufgaben und Möglichkeiten entspricht.“
Das klingt durchaus plausibel, könnte aber ebenso in einem Esoterikseminar unter dem Motto „Finde dich selbst“ vermittelt werden. Wie beurteilt der Bischof diesbezüglich das Angebot der Kirche, gerade auch unter dem Blickwinkel, dass die römisch katholische Kirche bisweilen als zu dogmatisch, ja halsstarrig wahrgenommen wird. Muss man dem „Zeitgeist“ nicht Zugeständnisse machen? „Es gibt Bereiche, in denen man die ‚Schätze‘, die wir haben, unbedingt bewahren muss. Das ist dort,  wo es um die Glaubensinhalte geht. Was aber Mittel und Methoden betrifft, so müssen wir uns unser Leben lang verändern, müssen überholte Praktiken revidieren. Das gilt auch für die Kirche.“
Diese Antwort überrascht im ersten Moment, weil Küng ja dem konservativen Flügel der römisch-katholischen Kirche zugerechnet wird, dem nicht gerade Reformfreudigkeit nachgesagt wird. Ein Vorurteil? Wo sieht er Ansatzpunkte für Veränderungen? „Wir müssen etwa zur Kenntnis nehmen, dass heute in der Schule die Wertevermittlung viel schwieriger geworden ist. Darauf muss man reagieren. Deshalb müssen wir heute etwa außerschulische Katechese in den Pfarren aufbauen.“
Der Fokus richtet sich insbesondere auf die Vermittlungsweise, also wie die Kirche ihre Botschaft an den Mann/die Frau bringt. Geht es also, um es überspitzt zu formulieren, mehr um Marketing denn um Inhalte. Der Bischof verneint. „Das ist ein grobes Missverständnis. Die Glaubensinhalte sind von größter Bedeutung. Wir müssen unser Leben dem Evangelium Christi entsprechend gestalten, wenn wir froh werden und unser Lebensziel erreichen wollen!“ Aber auch das Marketing habe seine Bedeutung.  Der Bischof hält Pilger- und Wallfahrtsbewegungen für förderungswert, „weil das einem Bedürfnis der Menschen entspricht, die sich heute oft schwer tun, Ruhe und zu sich selbst zu finden.“ Auch Angebote zu Exerzitien im Alltag sollten gegeben werden, ebenso Events in der Art des Weltjugendtreffens stattfinden, weil „es in der Tat ermutigend ist, wenn man erkennt, dass man in der eigenen Glaubensüberzeugung nicht allein ist.“ Des Weiteren könne Kunst, sakrale Musik eine Rolle spielen. „Letztlich geht es um eine Rückkehr zu einer sehr direkten, lebensbezogenen, vom Glauben durchdrungenen Lebensweise. Das hat Anziehungskraft, hier ist definitiv eine Wende spürbar. Mag sein, dass zur Zeit viele wenig Bezug zur Kirche haben, aber es besteht, sobald ein erster Zugang gefunden wird, durchaus das Verlangen nach klaren Aussagen: Was steht im Evangelium? Was will die Kirche? Was verkündet sie? Die Menschen wollen Klarheit!“
Moderne konservative Strömungen
Als Beispiele sich neu entwickelnder, das gesamte Christentum beeinflussender Bewegungen führt der Bischof etwa die Pfingstkirche, Taizé, Pro Life, Aktionen zum Kampf gegen Pornografie und Gewalt oder die sogenannten Alpha-Kurse an, die in der anglikanischen Kirche entstanden sind und den Bezug von  Glaube und Leben stark betonen. Modern ist das Erscheinungsbild, die Inhalte bleiben dieselben. „Sie sind immer modern“, meint Küng. Auch auf den Kampf gegen Aids und damit verbunden die Verwendung von Kondomen geht der Bischof ein, vertritt diesbezüglich aber alte Kirchenstandpunkte. „Wir müssen die Betroffenen auffordern zu Abstinenz und Enthaltsamkeit, weil Kondome keinen Vollschutz bieten. Es geht um Treue in der Ehe, um Förderung der Ehe und der Familie. Die Kirche engagiert sich sehr stark bezüglich der Aids-Waisen,  der Betreuung und Therapieprogramme für die Aidskranken sowie der Öffentlichkeitsarbeit zur Verhinderung der Seuche.“ Freilich, so muss man einwerfen, das Faktische spricht gegen den Erfolg dieser Modelle. Der Bischof sieht es anders „Aids wird sich, solange kein wirksames Medikament entdeckt wird, in der Welt immer mehr verbreiten, solange man meint, man könne durch Verteilung von Kondomen die Krankheit eindämmen.“
Die Feldkircher Jahre
Nachdem wir abgeschweift sind, kehren wir zurück zu Küngs Werdegang.  Nach Priestertätigkeit in Vorarlberg und Wien wird er 1989 Bischof von Feldkirch. „Die Ernennung kam völlig überraschend. Wenn ich schon gar nicht daran gedacht hätte, je Priester zu werden, so noch weniger, einst Bischof zu sein.“ Ob man da als Priester überhaupt nein sagen kann? „Man ist frei und kann bzw. soll, wenn man selbst Bedenken hat, diese zum Ausdruck bringen. Zugleich ist zu bedenken: der Heilige Vater hat sich bei seiner Entscheidung informiert und stützt sich auch auf andere. Wenn keine ernsten Einwände vorliegen, kann man sich, auch wenn man frei ist und frei bleibt, kaum dem Ruf entziehen. Für mich war es jedenfalls in gewisser Weise immer ein Trost, dass ich das nicht selbst gewollt habe, sondern sozusagen eine Antwort auf eine Frage gegeben habe, die mir gestellt wurde – und die war Ja.“
Die St. Pöltner Herausforderung
Ähnlich überraschend trifft Küng dann die „Mission St. Pölten“, wo er zunächst als Visitator in der Priesterseminar-Causa eingesetzt wird und schließlich die Nachfolge Dr. Krenns antritt. Seine Rolle in einer Diözese, die von Zwiespalt geprägt war, sieht Küng als „Brückenbauer“: „Ich bemühe mich um Einheit auf dem gemeinsamen Weg, der Christus ist. Manchmal vergleiche ich diesen Weg, mit einer großen Autobahn mit mehreren Spuren, wo es auch Randlagen gibt, aber innerhalb des Weges, der auch Randsteine hat, führen alle Spuren zu Gott. Das Durchtragen von Spannungen ist dabei manchmal notwendig.“
Freilich stehen ganz konkrete Herausforderungen an, von der weiteren Konsolidierung des Priesterseminars bis hin zu einer Reform der Pfarrstruktur, wo es aufgrund der Kleinststrukturiertheit und – so darf man mutmaßen – auch des Priestermangels Überlegungen hinsichtlich Zusammenlegungen gibt. „Das wird nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten gehen, zumal die Leute in kleinen Orten durch die Globalisierungstrends ohnedies schon viel verloren haben.“ Küng möchte aber auch neue „Schulen des Gebets“ installieren, ebenso Einrichtungen zur Förderung von Familien, „weil die Familie die wichtigste Zelle des Glaubens und der Liebe ist.“ Im Hinblick auf die Jugend schwebt dem Bischof eine „Berufungspastoral vor, durch die junge Menschen Hilfe erfahren, um die eigene Berufung zu erkennen. „Alles in allem empfinde ich die Situation in jedem Fall als spannende Herausforderung.“
Fulltime-Job
Und das ist sie ohne Zweifel, ebenso wie knochenharte Arbeit - Sitzungen, Visitationen, liturgische Aufgaben, Pfarrbesuche, Seelsorge, Kirchen-, Altar- und Orgelweihen, gesellschaftliche Verpflichtungen etc., all das hält den 66jährigen auf Trab. Für Freizeit bleibt da, vergleichbar zu Spitzenmanagern, wenig Zeit. Wenn einmal doch, dann geht der Bischof „gerne wandern oder Schi fahren, und ich interessiere mich sehr für das kulturelle Angebot, von Theater und Museen über Konzerte bis hin zur Oper.“ Die Musik scheint überhaupt eine große Liebe zu sein. Während der Mittelschul- und Studienzeit hat Küng selbst jahrelang Geige gespielt, bis diese irgendwann in Wien zurückblieb. „Wenn man da einmal weg ist, dann ist es leider extrem schwierig wieder hineinzufinden.“ Auch Singen ist eine Leidenschaft, wenngleich nicht mehr in einem Chor, sondern nur mehr im Kontext von Feiern. „Aber das gefällt mir sehr, auch mehrstimmige Werke.“
Mehrstimmigkeit – das führt zurück zu des Bischofs Vergleich mit der Autobahn des Glaubens, und es führt zu ihm selbst zurück. Denn mag DDr. Küng bisweilen in seiner Glaubensauffassung als eindimensional dargestellt werden, so ist er selbst ein mehrdimensionaler, vielschichtiger Mensch. Eine Geige in Gottes Händen, auf der mehrere Saiten aufgezogen sind.
Zur Person:
Lieblingsautor: Dostojewski
Lieblingsbuch: Josefmaria Escriva „Der Weg“, die Schriften von Teresa von Ávila, Augustinus
Zuletzt gesehener Film: Herr der Ringe
Lieblingsfilme/ Lieblingsgenre: Filme von John Ford, Western, italienischer Neo-Realismo
Lieblingsmusik: Klassik von Mozart, Beethoven, Haydn, ebenso Schubert, ich bin aber auch empfänglich für Modernes
Vorbilder: Josefmaria Escriva, viele der ersten und ältesten Mitglieder von Opus Dei, die mich sehr beeinflusst und geprägt haben
St. Pölten: Der markante, weithin sichtbare Turm des Domes, der die Empfindung hervorruft “Ah, jetzt bin ich zuhause“, auch die Innenstadt ist sehr schön
Glauben:
Ich glaube an Gott, der allgegenwärtig ist.
Typischer Tagesablauf
(gesetzt des seltenen Falles (!), dass Bischof DDr. Küng nicht Auswärtstermine wahrnehmen muss)
6.30 Uhr Aufstehen
7.00 Uhr Kapelle, stilles Gebet bis
7.30 Uhr Zelebration der hl. Messe
     Stundengebet, Frühstück
10.00 Uhr – 10.30 Uhr
     Post, Schreibarbeiten
10.30 Uhr - 12.00 Uhr
         Besucher
12.00 Uhr
         Mittagessen
     gemeinsamer Kaffee, Rückzug, Lektüre, Stundengebet,
     persönliches Gebet
15.00 – 18.00 Uhr
         Besucher, Sitzungen, Kapelle
19.00 Uhr    
         Abendessen, Nachrichten, Post, emails
Nachtruhe zumeist nach 24.00 Uhr