MFG - In was für einer Stadt leben wir eigentlich ...
In was für einer Stadt leben wir eigentlich ...


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In was für einer Stadt leben wir eigentlich ...

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2018
...in der der SKN St. Pölten, in der Vorsaison noch Prügelknabe der Fußball-Bundesliga, heuer auf den Spuren der glorreichen VSE-Zeit wandelt. Denn fast auf den Tag genau vor 30 Jahren standen die Wölfe 1988 sensationell auf dem 1. Platz der Tabelle (s. S. 68) – der SKN rangiert aktuell immerhin auf Rang 2 und ist DAS Überraschungsteam der bisherigen Saison. 14 Punkte hat man nach sechs Runden am Konto – dafür benötigte man im Vorjahr 34 Runden! Die Trennung vom Sportdirektor sowie der neue Präsident haben jedenfalls Wirkung gezeigt, und natürlich der Trainerwechsel. Didi Kühbauer hat zwar keine Edelkicker wie dereinst „El Matador“ Weltmeister Mario Kempes in seinen Reihen, aber er hat ein  sehr kompaktes, v. a. defensiv nur schwer zu knackendes Team geformt, das sich, wie VSE-Trainerlegende Thommy Parits fordert, jedenfalls mehr Zuschauer verdient! Also, ab in die SKN-Arena!


...in der nach jahrelanger Bau-Euphorie die heimische Politik plötzlich die Notbremse gezogen und eine Bausperre verhängt hat. Der augenscheinliche Anlass: Das architektonische Erbe der Stadt droht den Bach runterzugehen. Künftig soll ein Gestaltungsbeirat entscheiden, ob erhaltenswerte Gebäude aus dem Stadtbild verschwinden und wenn ja, was an ihrer Stelle erscheinen soll. Bis sich dieses Gremium konstituiert hat, ist die Katastrale St. Pölten gesperrt für Neubauten – auch Häusl-bauer werden überprüft, ob ihre Wohnträume dem architektonischen Schönheitsideal der Vielleicht-Kulturhauptstadt 2024 widersprechen. Bei den lange Zeit freundlich empfangenen Investoren und Immo-Entwicklern herrscht Katzenjammer: Sie befürchten finanzielle Nachteile wegen länger laufender Kredite und strengere und teurere Kriterien, die an ihre finanz- und flächen-optimierten Entwürfe gelegt werden.


...in der es in den letzten Jahren nur so plattformt, bürgerinitiativt und petitioniert, wie etwa Sonnenpark bleibt!, KulturhauptSTART, Smart Pölten, Plattform Pro St. Pölten, Petition „Frequency und Anrainer“ beweisen. Bemerkenswerterweise fühlt sich die Politik davon nicht mehr, wie ehedem, bedroht bis genervt, sondern sucht den Dialog, ja nimmt die Bürgerbewegungen sogar offensiv bei der Hand. So hat die NÖ Kulturlandeshauptstadt GmbH bereits zwei öffentliche KulturFOREN durchgeführt sowie die Initiative „KulturhauptSTART“ praktisch institutionell mit ins Boot geholt. Die Stadt wiederum hat mit Smart Pölten gemeinsam das Projekt „Stadtoase“ initiiert. Und mögen die Meinungen über Inhalt, Berechtigung und Ziele der diversen Initiativen auch auseinandergehen, so sind sie jedenfalls Zeichen eines – im positiven Sinne – aufmüpfigen Bürgertums und weiteres Indiz zunehmender Urbanität.