Irgendsoeine unbekannte Band
Text
Anne-Sophie Müllner
Ausgabe
„… und ich dachte, das ist irgend so eine österreichische, vollkommen unbekannte Band, die halt irgendwie versucht, uns ein Lied zu verkaufen, das wir aber nicht wollen, weil es wahrscheinlich ganz schlecht ist …“
Mit diesen Worten setzte sich Ö3-Moderatorin Elke Lichtenegger im April gehörig in die Nesseln. Kurz zum Background: Im Rahmen eines Interviews mit dem Wiener Stadtsender „Okto“ erzählte die Moderatorin, wie sie sich eines Tages im Ö3-Studio von den Einsingübungen einer ihr unbekannten Band genervt fühlte, diese dann „zur Sau machte“ und die Tür zuknallte, woraufhin sie fragende Blicke ihrer Kollegen erntete, ob sie denn nicht wisse, dass es sich hierbei um die bekannte US-Band „Imagine Dragons“ handle? Ihre „Verteidigung“ lesen Sie im Lead-In.
Obwohl das Interview bereits ein Jahr zurückliegt, fand es erst im April diesen Jahres seinen Weg auf die Videoplattform youtube und erntete innerhalb kürzester Zeit tausende Klicks. Was folgte war ein regelrechter Shitstorm auf Facebook und Twitter – und eine Entschuldigung von Elke Lichtenegger („Es war nicht meine Intention Musiker, Musikschaffende oder Musikinteressierte zu beleidigen. So denke ich nicht als Privatperson und auch nicht als Ö3-Moderatorin.“) sowie von Ö3-Chef Georg Spatt („Ich entschuldige mich für die in diesem Interview augenscheinliche Gedanken- und Respektlosigkeit, die nicht der Einstellung von Ö3 und seiner Redaktionen entspricht.“) In den sozialen Netzwerken glätteten sich nach einigen Tagen die Wogen, doch im Hintergrund wird heftig weiterdiskutiert und -verhandelt – über den Umgang mit heimischer Musik in den ORF-Radios.
Selbstverpflichtung. 2009 einigten sich die Plattform „SOS-Musikland“ und der ORF auf eine österreichische Musikcharta. In dieser verpflichtet sich der ORF selbst 30% österreichische Musik in seinen Radioprogrammen bis Ende 2011 zu senden. Die Charta wurde nun bis 2014 verlängert und eine Steigerung auf 33% festgelegt. Dabei versteht man unter österreichischer Musik „Darbietungen von ausübenden Künstlern und Leistungen von Tonträgerherstellern, die von österreichischen Urhebern, österreichischen Interpreten bzw. von österreichischen Produzenten geschaffen bzw. erbracht werden/wurden.“
Für Ö3 wurde darin eine Sonderregelung mit einer fixen jährlichen Anhebung um zwei Prozentpunkte vereinbart. Demnach sollte bis Ende 2011 ein österreichischer Musikanteil von 15,6% erreicht werden – geschafft wurden jedoch nur 11,8%. Für die Jahre 2013 und 2014 wurden nur mehr 15% festgelegt, Ö3 konnte bzw. wollte aber auch diese Werte nicht erreichen (2013: 6,8% und 2014: 4,7%). Auch bei der Schwester „FM4“ konnte die Quote nicht eingehalten werden, obgleich es dort rosiger aussieht. „Die freiwillige Selbstverpflichtung ist somit gescheitert“, konstatiert Peter Paul Skrepek von der „Musikergilde“, Teil von SOS-Musikland, und fordert nun Konsequenzen: „Der Gesetzgeber ist am Zug. Wir fordern eine gesetzliche Mindestquote von 40 Prozent für Musik aus Österreich in jedem einzelnen Radioprogramm. Dadurch soll die spezifische Musikkultur unseres Landes in all ihren Ausformungen gefördert und der Öffentlichkeit breit zugänglich gemacht werden.“
Quotenschlacht. Doch macht eine gesetzliche Radioquote wirklich Sinn? Fördert sie tatsächlich die heimische Szene, die Talente, oder doch eher nur das Mittelmaß? Das fragten wir die St. Pöltner Musiker Martin Rotheneder (Ben Martin, I Am Cereals) und Andreas Fränzl (Bauchklang) sowie Künstlermanager Peter Pansky, anno dazumal mit Peter Pan selbst noch in den Ö3 Charts vertreten.
„Eine Quote wäre nicht nötig, wenn alle zusammenhelfen und heimische Acts auf allen Kanälen, also vor allem auch TV, einer breiten Masse vorgestellt werden. Und das ganz ohne Ironie oder Casting-Show, sondern bewusst mit dem Prädikat wertvoll und zu einer guten Sendezeit“, meint Rotheneder, fügt jedoch hinzu, dass eine Quote vielleicht dennoch eine nötige Brechstange sein könnte, „um endlich mal wieder fundamental was zu bewegen.“
Auch für Fränzl ist es „so eine Sache mit Quoten: Sie haben immer einen gewissen unangenehmen Beigeschmack, und eigentlich sollte es in einem öffentlich-rechtlichen Radiosender auch ohne eine Quote funktionieren.“ Für ihn hat Ö3 vor 20 Jahren nach der Umstellung auf ein internationales Formatradio den Bezug zur österreichischen Musikszene verloren, daher sei es durchaus legitim eine rechtliche Grundlage zu überlegen „damit die Verantwortlichen auch ihrem Auftrag nachkommen. Es geht immerhin um österreichisches Kulturgut, das der breiten Masse nicht vorenthalten werden darf.“ Seiner Meinung nach sollte Fm4 wieder „spezieller“ werden „und Ö3 endlich anfangen sich mit guter Musik aus Österreich zu beschäftigen und mal für kurze Zeit die andere Quote, nämlich die Einschaltquote, vergessen.“
Panksy wiederum findet den Österreich-Anteil im Regionalbereich sowie auf Fm4 nicht schlecht bestellt, dennoch könne er höher sein. „Es ist aber nicht alles ein Nachteil. Dadurch, dass der Künstler aus Österreich eh nicht mehr damit rechnet im Radio gespielt zu werden, traut man sich als Kreativer mehr und findet mittlerweile auch im Ausland mehr Anklang und Bewunderung, weil man sich abseits des Mainstreams nachhaltig zu bewegen traut. Und was gut ist, entscheidet, findet und konsumiert mittlerweile der geehrte und mündige User individuell und selbst.“ Ob es denn früher leichter war als heimischer Musiker „ins Radio zu kommen“? „Wenn damit die Ära vor Bogdan Roscic gemeint ist, dann ja. Da gab es aber auch noch Programmradio und Magazine, das vermisse ich sehr. Regional hat sich nicht extrem viel geändert.“
Vorbild Frankreich? Als einziges europäisches Land hat übrigens Frankreich seit 1994 eine gesetzliche Radioquote eingeführt. Es wurde vereinbart, dass Sender rund 60% der Spielzeit europäische Produktionen und 40% der Spielzeit französische Produktionen senden müssen.
Laut Fränzl habe sich das positiv auf die französische Musik-Szene ausgewirkt: „Bei unseren Touren in Frankreich haben wir immer wieder bemerkt, welch gewaltige Publikumsmengen und Bekanntheit französische Acts haben. Und ich sprech‘ da nicht von schwer kommerziellen Bands.“ Rotheneder sieht die Franzosen ebenfalls als gutes Vorbild, wenngleich er einschränkt, „dass ich von einer Sprachquote, wie sie in Frankreich existiert, nichts halte – das ist nationalistischer Quatsch.“ Auch Pansky findet die französische Lösung nicht schlecht, wobei man diese nicht 1:1 umsetzen könne: „Der Hörer wäre leider schockiert, weil er nicht mehr die 20 gleichen Lieder immer wieder im Radio hört, die er gewohnt ist. Das könnte ja beim Bügeln stören. Aber Gegenfrage – wer hört eigentlich noch bewusst Radio, um Musik zu konsumieren?“
Und Elke Lichtenegger – personifiziertes Badgirl heimischer Musikanten?! Eigentlich müsste ihr die Szene danken, denn mit ihrer Aussage hat sie die eingeschlafene Diskussion um die heimische Musiklandschaft und ihre Radiopräsenz wieder ins Rollen gebracht. So gab es am 19. Mai einen runden Tisch mit SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel und Musikschaffenden (u.a. Walter Gröbchen, Hannes Eder und Lukas Plöchl), in dem vier zentrale Forderungen an den ORF formuliert wurden. Demnach soll der ORF u.a. die bis Ende 2014 geltende Musikcharta in jedem Fall einhalten andernfalls sind Konsequenzen vorzusehen. Zusätzlich braucht es eine verbindliche Quotenregelung in der Höhe des europäischen Durchschnitts von 40 Prozent heimischer Produktionen.
Es bleibt jedenfalls spannend!
Obwohl das Interview bereits ein Jahr zurückliegt, fand es erst im April diesen Jahres seinen Weg auf die Videoplattform youtube und erntete innerhalb kürzester Zeit tausende Klicks. Was folgte war ein regelrechter Shitstorm auf Facebook und Twitter – und eine Entschuldigung von Elke Lichtenegger („Es war nicht meine Intention Musiker, Musikschaffende oder Musikinteressierte zu beleidigen. So denke ich nicht als Privatperson und auch nicht als Ö3-Moderatorin.“) sowie von Ö3-Chef Georg Spatt („Ich entschuldige mich für die in diesem Interview augenscheinliche Gedanken- und Respektlosigkeit, die nicht der Einstellung von Ö3 und seiner Redaktionen entspricht.“) In den sozialen Netzwerken glätteten sich nach einigen Tagen die Wogen, doch im Hintergrund wird heftig weiterdiskutiert und -verhandelt – über den Umgang mit heimischer Musik in den ORF-Radios.
Selbstverpflichtung. 2009 einigten sich die Plattform „SOS-Musikland“ und der ORF auf eine österreichische Musikcharta. In dieser verpflichtet sich der ORF selbst 30% österreichische Musik in seinen Radioprogrammen bis Ende 2011 zu senden. Die Charta wurde nun bis 2014 verlängert und eine Steigerung auf 33% festgelegt. Dabei versteht man unter österreichischer Musik „Darbietungen von ausübenden Künstlern und Leistungen von Tonträgerherstellern, die von österreichischen Urhebern, österreichischen Interpreten bzw. von österreichischen Produzenten geschaffen bzw. erbracht werden/wurden.“
Für Ö3 wurde darin eine Sonderregelung mit einer fixen jährlichen Anhebung um zwei Prozentpunkte vereinbart. Demnach sollte bis Ende 2011 ein österreichischer Musikanteil von 15,6% erreicht werden – geschafft wurden jedoch nur 11,8%. Für die Jahre 2013 und 2014 wurden nur mehr 15% festgelegt, Ö3 konnte bzw. wollte aber auch diese Werte nicht erreichen (2013: 6,8% und 2014: 4,7%). Auch bei der Schwester „FM4“ konnte die Quote nicht eingehalten werden, obgleich es dort rosiger aussieht. „Die freiwillige Selbstverpflichtung ist somit gescheitert“, konstatiert Peter Paul Skrepek von der „Musikergilde“, Teil von SOS-Musikland, und fordert nun Konsequenzen: „Der Gesetzgeber ist am Zug. Wir fordern eine gesetzliche Mindestquote von 40 Prozent für Musik aus Österreich in jedem einzelnen Radioprogramm. Dadurch soll die spezifische Musikkultur unseres Landes in all ihren Ausformungen gefördert und der Öffentlichkeit breit zugänglich gemacht werden.“
Quotenschlacht. Doch macht eine gesetzliche Radioquote wirklich Sinn? Fördert sie tatsächlich die heimische Szene, die Talente, oder doch eher nur das Mittelmaß? Das fragten wir die St. Pöltner Musiker Martin Rotheneder (Ben Martin, I Am Cereals) und Andreas Fränzl (Bauchklang) sowie Künstlermanager Peter Pansky, anno dazumal mit Peter Pan selbst noch in den Ö3 Charts vertreten.
„Eine Quote wäre nicht nötig, wenn alle zusammenhelfen und heimische Acts auf allen Kanälen, also vor allem auch TV, einer breiten Masse vorgestellt werden. Und das ganz ohne Ironie oder Casting-Show, sondern bewusst mit dem Prädikat wertvoll und zu einer guten Sendezeit“, meint Rotheneder, fügt jedoch hinzu, dass eine Quote vielleicht dennoch eine nötige Brechstange sein könnte, „um endlich mal wieder fundamental was zu bewegen.“
Auch für Fränzl ist es „so eine Sache mit Quoten: Sie haben immer einen gewissen unangenehmen Beigeschmack, und eigentlich sollte es in einem öffentlich-rechtlichen Radiosender auch ohne eine Quote funktionieren.“ Für ihn hat Ö3 vor 20 Jahren nach der Umstellung auf ein internationales Formatradio den Bezug zur österreichischen Musikszene verloren, daher sei es durchaus legitim eine rechtliche Grundlage zu überlegen „damit die Verantwortlichen auch ihrem Auftrag nachkommen. Es geht immerhin um österreichisches Kulturgut, das der breiten Masse nicht vorenthalten werden darf.“ Seiner Meinung nach sollte Fm4 wieder „spezieller“ werden „und Ö3 endlich anfangen sich mit guter Musik aus Österreich zu beschäftigen und mal für kurze Zeit die andere Quote, nämlich die Einschaltquote, vergessen.“
Panksy wiederum findet den Österreich-Anteil im Regionalbereich sowie auf Fm4 nicht schlecht bestellt, dennoch könne er höher sein. „Es ist aber nicht alles ein Nachteil. Dadurch, dass der Künstler aus Österreich eh nicht mehr damit rechnet im Radio gespielt zu werden, traut man sich als Kreativer mehr und findet mittlerweile auch im Ausland mehr Anklang und Bewunderung, weil man sich abseits des Mainstreams nachhaltig zu bewegen traut. Und was gut ist, entscheidet, findet und konsumiert mittlerweile der geehrte und mündige User individuell und selbst.“ Ob es denn früher leichter war als heimischer Musiker „ins Radio zu kommen“? „Wenn damit die Ära vor Bogdan Roscic gemeint ist, dann ja. Da gab es aber auch noch Programmradio und Magazine, das vermisse ich sehr. Regional hat sich nicht extrem viel geändert.“
Vorbild Frankreich? Als einziges europäisches Land hat übrigens Frankreich seit 1994 eine gesetzliche Radioquote eingeführt. Es wurde vereinbart, dass Sender rund 60% der Spielzeit europäische Produktionen und 40% der Spielzeit französische Produktionen senden müssen.
Laut Fränzl habe sich das positiv auf die französische Musik-Szene ausgewirkt: „Bei unseren Touren in Frankreich haben wir immer wieder bemerkt, welch gewaltige Publikumsmengen und Bekanntheit französische Acts haben. Und ich sprech‘ da nicht von schwer kommerziellen Bands.“ Rotheneder sieht die Franzosen ebenfalls als gutes Vorbild, wenngleich er einschränkt, „dass ich von einer Sprachquote, wie sie in Frankreich existiert, nichts halte – das ist nationalistischer Quatsch.“ Auch Pansky findet die französische Lösung nicht schlecht, wobei man diese nicht 1:1 umsetzen könne: „Der Hörer wäre leider schockiert, weil er nicht mehr die 20 gleichen Lieder immer wieder im Radio hört, die er gewohnt ist. Das könnte ja beim Bügeln stören. Aber Gegenfrage – wer hört eigentlich noch bewusst Radio, um Musik zu konsumieren?“
Und Elke Lichtenegger – personifiziertes Badgirl heimischer Musikanten?! Eigentlich müsste ihr die Szene danken, denn mit ihrer Aussage hat sie die eingeschlafene Diskussion um die heimische Musiklandschaft und ihre Radiopräsenz wieder ins Rollen gebracht. So gab es am 19. Mai einen runden Tisch mit SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel und Musikschaffenden (u.a. Walter Gröbchen, Hannes Eder und Lukas Plöchl), in dem vier zentrale Forderungen an den ORF formuliert wurden. Demnach soll der ORF u.a. die bis Ende 2014 geltende Musikcharta in jedem Fall einhalten andernfalls sind Konsequenzen vorzusehen. Zusätzlich braucht es eine verbindliche Quotenregelung in der Höhe des europäischen Durchschnitts von 40 Prozent heimischer Produktionen.
Es bleibt jedenfalls spannend!