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MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Von Gläubigen & Gläubigern

Text Michael Müllner
Ausgabe 03/2021

Die rund 3.000 Personen zählende Religionsgemeinschaft der Aleviten prägt St. Pölten seit Jahrzehnten. Nun steht ihr religiöses Zentrumvor der Zwangsversteigerung. Und es brodelt die Frage, wie hältst du’s mit dem Islam?

Seit den späten 80er Jahren sind die St. Pöltner Aleviten vereinsmäßig organisiert. In den Jahren 2001 bis 2003 errichteten sie in Ratzersdorf auf knapp 11.000 Quadratmetern ihr „Alevitisches Kulturzentrum“: Neben dem Gebetstempel wurde auch ein Veranstaltungssaal für 600 Personen errichtet. Das Zentrum war der Stolz der rund 300 Familien umfassenden Community. Am 10. März 2021 soll nun, auf Betreiben der den Bau finanzierenden Bank, am Landesgericht St. Pölten zwangsversteigert werden. Geringstes Gebot: 940.000 Euro. Die Bank hat Pfandrechte in der Höhe von 1.800.544,32 Euro im Grundbuch stehen. Dem Vernehmen nach sollte der Baukredit eigentlich bis Herbst 2022 zurückbezahlt sein, doch seit 2007 gäbe es Probleme und aktuell sollen noch rund 1,6 Millionen Euro an Schulden offen sein. Wirtschaftlich scheint das Projekt gescheitert. Doch auch abseits weltlicher Zahlenreihen ist Unruhe ausgebrochen.
Bundesgesetze regeln, ob der Staat eine Gruppe zuerst als „Bekenntnisgemeinschaft“ und später als „Religionsgesellschaft“ anerkennt – und diese somit Privilegien, etwa Schutzrechte, genießt. Hier vollzog sich in den letzten Jahren eine Spaltung. Die „Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (ALEVI)“ genießt zwar als Religionsgesellschaft seit einigen Jahren die höchste Anerkennung durch den Staat und zählt nach eigenen Angaben rund 27.000 Zugehörige, jedoch sieht sie sich in der Tradition des Islam und ordnete sich deshalb auch dem Islamgesetz unter – durchaus auch mit dem Ziel, dass „der Islam“ in der österreichischen Gesellschaft vielfältiger wahrgenommen wird. Für einen großen Teil der Aleviten, jener der sich unter dem Dachverband der „Föderation“ zusammenfand, ist dies aus religionswissenschaftlicher Sicht falsch – man sieht den alevitischen Glauben als zu „eigenständig“, als dass man eine Zuordnung zum Islam akzeptieren könnte. Dieser Bruch geht auch durch die St. Pöltner Aleviten. Die Führung, so kritisieren manche, soll ohne breite Einbindung der Gläubigen beschlossen haben, sich der Islam-nahen ALEVI anzuschließen. Nach den Wirren der Corona-Krise möchten diese Abgespaltenen am Pottenbrunner Kirchenplatz möglichst bald einen Neubeginn ihrer Gemeinschaft feiern. Der Dachverband kämpft unterdessen weiter um gesetzliche Anerkennung als „eigenständige“ Bekenntnisgemeinschaft, was vom Kultusamt bisher abgelehnt wurde. Sinngemäß: Es kann nur einen geben. Sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde angerufen.
Riza Sari von der ALEVI-Gruppe sieht den Grund der aktuellen Probleme in St. Pölten weder in theologischen Spaltungsdiskussionen noch in ausbleibenden Einnahmen durch die Corona-bedingt ausgefallenen Hochzeitsfeiern. Vielmehr spricht er von jahrelanger Misswirtschaft, die damit begann, dass nicht klar getrennt wurde zwischen den Rollen religiöser Vereinsmitglieder und den kaufmännischen Agenden der Gesellschaft, die das Zentrum betrieb: „Aber wir können es nicht zulassen, dass unser Glaubenshaus versteigert wird. Wir arbeiten an einer Lösung in letzter Minute.“ Vor Kurzem traten 35 GmbH-Gesellschafter ihre Anteile an einen Religionsverein ab. Einem neuen, zahlungskräftigen Mehrheitseigentümer könnte so der Weg zur Übernahme geebnet werden. Die St. Pöltner Funktionäre bevorzugen offiziell zu schweigen.