MFG - Sven Hergovich - „Ich rechne mit langfristigen Auswirkungen.“
Sven Hergovich - „Ich rechne mit langfristigen Auswirkungen.“


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Sven Hergovich - „Ich rechne mit langfristigen Auswirkungen.“

Text Sascha Harold
Ausgabe 09/2020

Die Corona-Krise hat auch zu einer veritablen globalen Wirtschaftskrise mit dementsprechenden negativen Effekten auf den Arbeitsmarkt geführt. Wir sprachen mit AMS NÖ-Chef Sven Hergovich über die aktuelle Situation.

Welche Folgen hat die Pandemie bislang auf den Arbeitsmarkt?
Die Krise hat massive und dramatische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, global, aber natürlich auch in Niederösterreich. Nur zum Vergleich: In der letzten großen Krise 2008/2009 hatten wir in Niederösterreich 140 Kurzarbeitsfälle, jetzt mehr als 18.000 – eine Vervielfachung der Anträge. Ich bin meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern extrem dankbar, dass sie diese harte Arbeit so gut geschafft haben.

Welche Auswirkungen sind in den kommenden Monaten zu erwarten?
Die nächsten Monate sind arbeitsmarktpolitisch entscheidend, um das Entstehen und Verfestigen von Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern. Daher hat in Niederösterreich aktive Vermittlung von Jobsuchenden oberste Priorität. Wir befürchten nach derzeitigem Stand aber, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten wieder steigen wird. Unsicher bleibt die Entwicklung der Corona-Pandemie selbst und welche gesetzlichen Einschränkungen notwendig werden.

Wie lange wird die Krise am Arbeitsmarkt spürbar bleiben?

Ich rechne leider tatsächlich mit langfristigen Auswirkungen. Schon bei früheren Wirtschaftskrisen haben wir gesehen, dass sie das strukturelle Niveau der Arbeitslosigkeit erhöht haben. Darum ist es so wichtig, aktive Konjunkturpolitik zu machen und ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit unter allen Umständen im Keim zu ersticken.

Welche Maßnahmen hat das AMS Niederösterreich angesichts der Krise ergriffen?
Die erste und wichtigste Maßnahme war die Kurzarbeit. Ohne diese Maßnahme wäre in Nieder­österreich jeder dritte Arbeitsplatz in Gefahr gewesen – das muss man sich vorstellen! Ein zweiter wichtiger Punkt war, auch wenn das jetzt vielleicht trivial klingt, dass das Arbeitslosengeld weiterhin pünktlich ausbezahlt worden ist. In anderen Ländern hat das nicht so problemlos funktioniert, weil die Systeme nicht darauf ausgerichtet waren, dass so viele Menschen gleichzeitig arbeitslos geworden sind.

Betrifft die Krise eigentlich alle Branchen gleich?
Es ist leider tatsächlich so, dass wir in allen Branchen Auswirkungen spüren. Natürlich gibt es aber Branchen, die besonders betroffen sind, wie zum Beispiel der Tourismus. Deshalb waren etwa die Bundesländer Tirol und Salzburg besonders stark betroffen. In Niederösterreich hatten wir den höchsten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Mostviertel, wobei man dazu sagen muss, dass wir dort davor die geringste Arbeitslosigkeit hatten.

Welche Gruppen sind aktuell besonders betroffen?

Einen besonders starken Anstieg haben wir bei Jugendlichen bis 25 erlebt. Hier setzen wir einen absoluten Schwerpunkt, weil wir schon vor der Krise versprochen haben: Jeder Jugendliche bekommt einen guten Ausbildungsplatz. Dieses Versprechen wollen wir halten, auch wenn es jetzt zugegeben schwieriger geworden ist. Ich möchte aber auch darauf aufmerksam machen, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe 50+ zwar verhältnismäßig geringer war, dort aber die Gefahr besonders groß ist, dass sich die Arbeitslosigkeit verfestigt. Es braucht daher gezielte Maßnahmen für die Altersgruppe 50+. Als Beispiel möchte ich das Programm Jobchance nennen, das wir gemeinsam mit dem Land ins Leben gerufen haben und mit dem wir 600 Arbeitsplätze bei nieder-österreichischen Gemeinden mit-finanzieren.