MFG - Der Fahrradkurier
Der Fahrradkurier


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Der Fahrradkurier

Text Johannes Reichl
Ausgabe 11/2020

Ich muss ein Geständnis ablegen. Immer wenn ich den „Fahrradkurier“ Andy Grubner auf seinem Drahtesel durch die City flitzen sehe, muss ich – ganz Pawlowscher Hund – unvermittelt Queens Klassiker „Bicycle Race“ anstimmen. Dabei sind Andys Passion nicht Rennen, sondern Rad-Botendienste – und das seit mittlerweile fünf Jahren.

A ngefangen hat alles 2015, als ihn der Gründer des „Räderwerk“, Peter Kaiser, mit an Bord, oder richtiger, auf den Sattel holte. Kaiser führte damals schon die Speisen des „Supperiör“ aus, außerdem bestückte er die Kulturaufsteller in diversen Lokalen, Gastronomiebetrieben und Ärztepraxen. Andys erste große Feuertaufe als Kurier betraf den „Blätterwirbel“. „Danach rief mich Peter an und meinte ernst: ‚Wir müssen reden!‘“ Ich dachte schon ‚Verdammt, was hab ich falsch gemacht?‘“, erinnert er sich zurück. Das Gegenteil war der Fall – Kaiser war so angetan vom Neuen, dass er ihn – selbst radmüde – aufforderte, sein Geschäft zu übernehmen. Der damals 25-Jährige, der nach der 2. England-Tour seiner Band „She and the Junkies“ ohnedies blank war, packte die Chance beim Schopf. „‚Jo mei, dann mach ich mich halt selbständig!‘, war mein erster Gedanke.“ Der ursprüngliche Plan A, Profimusiker zu werden, wurde durch Plan B, „Der Fahrradkurier.“, wie er sein Unternehmen taufte, ersetzt. Bereut hat er den Schritt nicht. „Ich wusste ja gar nicht, dass das in mir schlummert, aber es hat mich noch nie etwas so ‚zaht‘ wie das Radfahren – diese Mischung aus Radfahren und Job, die Bewegung im Freien, der Kontakt mit den Auftraggebern, das ist einfach genial“, schwärmt er. Und so hegt und pflegt er seinen Fuhrpark – der zuletzt um ein aus Deutschland importiertes und ebendort inspiziertes Lastenrad erweitert wurde – mit größter Liebe und Sorgfalt, während die E-Bässe und Verstärker daheim im Keller verstauben.

Kurierdienste jeder Art
Das Portefeuille von „Der Fahrradkurier.“ ist dabei in seiner fünfjährigen Unternehmensgeschichte kontinuierlich gewachsen. Zu klassischen Botendiensten, die er etwa für die Marketing St. Pölten GmbH, die Stadt St. Pölten, diverse Kulturbetriebe abwickelt, sind immer mehr Unternehmen und Betriebe sowie auch Ärzte und Rechtsanwälte hinzugekommen, die auf die Kompetenz, Verlässlichkeit und vor allem Geschwindigkeit von Andys Mann- & Frauschaft setzen. „In der Regel schaffen wir die Zustellung innerhalb einer Stunde!“
Und was führt er so aus? „Das reicht von Werbemitteln über Schriftstücke, die man nur persönlich zustellen kann – also zum Beispiel Mietverträge und Schlüssel für eine neue Wohnung – bis hin zu Abstrichen, die wir von Ärzten ins Labor bringen.“ Letztlich gibt es fast nichts, was nicht möglich wäre – mit dem Lastenrad kann er sogar bis 250 kg transportieren, da werden dann nicht nur die MFGs in der Innenstadt unters Volk gebracht, sondern etwa auch große „Trümmer“ wie Sofas herumkutschiert. Auch Speisen führt „Der Fahrradkurier.“ nach wie vor aus, freilich nur für spezielle, wenn man so möchte, befreundete Betriebe wie das Supperiör. Ein prinzipielles Geschäftsfeld sieht Andy darin aktuell nicht „weil es ohnedies Dienste wie Mjam und andere gibt und mir auch das Thema ökologische Verpackung ein großes Anliegen ist.“ Anders sieht es dahingegen mit einem Paketdienst für die Innenstadt aus. Diesbezüglich ist Andy bereits in der Testphase mit einem der Big Gambler der Branche, der auf die Wendigkeit und Schnelligkeit des Botendienstes in der City aufmerksam geworden ist und die Nachhaltigkeit des Konzeptes schätzt. „Das ist ganz gut angelaufen und taugt mir voll“, freut sich Andy über die Herausforderung und hofft auf eine langfristige Kooperation. Gerüstet dafür ist er allemal. So ist das Fahrradkurier-Lager mittlerweile in die alten Garagen der ehemaligen Rot-Kreuz Stelle in der Julius Raab Promenade gewandert, und aus der One-Man-Show ist ein Quartett, „meine zweite Familie“, wie er es formuliert, geworden. Dazu zählen die beiden Mitarbeiterinnen Shirin und Georgina sowie „Constantin, die erste Teilzeitkraft des Betriebes.“

„Hallo Fahrradkurier!“
Über die Auslastung kann sich Andy aktuell nicht beklagen – trotz, oder vielleicht sogar wegen Corona. Zwar mussten anfangs der Pandemie manche Institutionen ihre Aufträge zurückschrauben, dafür sind jene privater Personen stark angestiegen. Was er für diese so erledigt – kann man sich das wie bei „Hallo Dienstmann“ vorstellen à la „nehmen Sie hier diese Dahlie, gehen Sie damit zur Amalie?“ „Wenn das gewünscht wird“, lacht er. Häufiger stünden aber etwa Einkäufe für ältere Bürger sowie diverse Besorgungen und Botengänge auf der To-Do-Liste „etwa auch Erlagscheine aufgeben, Meldebestätigungen abholen, Kleidung in die Putzerei bringen und so Sachen.“ Dies alles CO2-neutral und nachhaltig, weshalb sich Andy auch keine Sorgen um die Zukunft seiner Branche macht, „wir liegen sozusagen voll im Trend!“ Einen Trend, den er in St. Pölten selbst mitschreibt und mit Inhalt füllt „weil’s mir einfach voll taugt.“ So hat er etwa eine elegante Rikscha besorgt „die man für Hochzeiten und ähnliches mieten kann – was heuer halt leider ein bisserl ins Wasser gefallen ist.“ Die Feuertaufe hat man aber schon beim Höfefest mit Bravour bestanden. „Ursprünglich wollten wir so zwei Stunden fahren – letztlich waren wir durchgehend von 15 bis 21 Uhr im Einsatz!“, freut er sich über das positive Echo. Und auch ein neues, einspuriges Lastenrad möchte sich „Der Fahrradkurier.“ alsbald zulegen, „für kleinere Pakete, weil wir damit noch wendiger und schneller unterwegs sein können.“ Und dann werde ich Andy wieder durch die City flitzen sehen, und unbewusst „Bicycle, Bicycle … I want to ride my Bicyle“ anstimmen und mir denken – cooler Typ, coole Idee!