Und jetzt?
Text
Johannes Reichl
Ausgabe
Kennen Sie diese Szene aus „Sissi“ (passt ja bestens), in der der junge Franzl beim Ball einen Strauß Rosen nicht der schon vorfreudig die Arme öffnenden älteren Schwester Néné in die Hände drückt, sondern der jüngeren Sissi? Genau das haben die jetzt mit uns gemacht bei der Bekanntgabe zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 im Bundeskanzleramt. Zunächst glaubte ich ja noch, ich hätte mich verhört. Wie, Bad Ischl?! Bad Ischl!!! Aber der Anblick der feiernden – wie sie ein indigener Pöltner im ersten Grant politisch nicht ganz korrekt umschrieb – „Lederhosinger“ sowie der zuvor schon verdächtig betroppezt dreinblickenden St. Pöltner Delegationsmitglieder ließen frei nach Hansi Orsolics keinen Zweifel zu: „Wir hom valurn!“ Zur selben Zeit konnte man im St. Pöltner Rathaus, wo die Entscheidung per public viewing übertragen wurde, die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören, so still war es nach der Verkündigung geworden. Allgemeine Schockstarre machte sich breit, ungläubiges Kopfschütteln, vorwurfsvolle Blicke gen Himmel, herabhängende Kinnladen wie man sie sonst nur aus den Live-Übertragungen jüngerer Wahlnächte kennt, wenn die SPÖ vom Wähler wieder einmal abgewatscht worden ist und es kein Genosse versteht. St. Pölten hatte eine solche Ohrfeige von der Jury bekommen, angeblich nur mit einer Stimme weniger als die Salzkammergutgemeinde – äh Stadt, sorry, mein Fehler – aber wie wir Phrasendrescher wissen: „Knapp vorbei ist auch daneben!“ Zu allem Überdruss schlich sich beim Frustbier um 11 Uhr im „Kanzleramt“ (also jetzt dem Wirtshaus, nicht Bastis Home) noch der penetrante ABBA Ohrwurm „The winner takes it all, the looser standing small!“ in meine Gehirnwindungen. Konnte es noch schlimmer werden?!
Relativ verloren kamen sich wohl auch jene Künstler am eisgekühlten St. Pöltner Rathausplatz vor, die anstatt auf einer angesagten Triumphfeier plötzlich auf einem deprimierenden „Spontanspektakel“ (so spontan, dass schon die Bühne stand) vor schütterer, frierender, v. a. aus Magistratsbediensteten zwangsvergatteter Kulisse aufspielten, während im warmen Gemeinderatssitzungssaal die Honoren bei Sekt und Brötchen die Wunden leckten und erste Manöverkritik übten. Nicht nur, dass einige schon „Insiderinfos“ hatten, die selbst die Recherchesubstanz von „Österreich“-Artikeln übertrafen, weil „die Ischler haben es sich gerichtet“, „die Jury wollt nicht die x-te ehemalige Industriestadt“, „es musste eine inneralpine Stadt werden.“ Sondern wirklich befremdlich wurde es, als manch Trumpf der Bewerbung von denselben Fürsprechern plötzlich ins Gegenteil umgewertet wurde. „Die Bewerbung war zu perfekt!“; „Das war gar nicht gut, dass schon alles ausfinanziert war.“; „Die Politik hat sich zu eindeutig hinter den Prozess gestellt.“ Ähhh … ah ja, genau! Mancheiner hatte aber ohnedies andere „Sorgen“ bzw. machte sich ein brennender Verlustschmerz im Herzen breit, weil aus dem erhofften Job oder heimlich schon eingeplanten Auftrag nun doch nichts werden würde. Da half nur ein kräftiger Schluck vom „Frauenzimmer“.
Mich beschäftigte derweil auf der Heimfahrt aus Wien die Frage, wie man so eine Schlappe wegsteckt, und da kam mir das Europacupfinale Rapids 1996 in den Sinn. Skandierten die Fans vor der Abfahrt nach Brüssel noch hoffnungsfroh-euphorisch „Finale, Finale, wir holen das Finale“, so erwiesen sie sich nach der 0:1 Niederlage gegen Paris St. Germain als situationselastisch und sangen unmittelbar nach dem Schlusspfiff „Finale, Finale, wir scheißen aufs Finale“. So geht man mit Niederlagen um!
Wenn also jemand fragt: Und jetzt? Dann kann die einfache Antwort ja nur lauten: „Weiter so!“ Soviel Energie, Hirnschmalz, Emotion, Selbstbespiegelung und Bussi-Bussi wurde da die letzten zwei Jahre investiert, soviel Output generiert, die werden wir ja nicht wieder im Nirwana verschwinden lassen. Denn wie wusste schon Frankie Boy in einem meiner alltime favorites „That’s Life“: „Each time I find myself flat on my face I pick myself up and get back in the race.“ So schauts aus mitten in Europa! In diesem Sinne: Kulturhauptstadt, Kulturhauptstadt, wir … na gut, lassen wir das!
Relativ verloren kamen sich wohl auch jene Künstler am eisgekühlten St. Pöltner Rathausplatz vor, die anstatt auf einer angesagten Triumphfeier plötzlich auf einem deprimierenden „Spontanspektakel“ (so spontan, dass schon die Bühne stand) vor schütterer, frierender, v. a. aus Magistratsbediensteten zwangsvergatteter Kulisse aufspielten, während im warmen Gemeinderatssitzungssaal die Honoren bei Sekt und Brötchen die Wunden leckten und erste Manöverkritik übten. Nicht nur, dass einige schon „Insiderinfos“ hatten, die selbst die Recherchesubstanz von „Österreich“-Artikeln übertrafen, weil „die Ischler haben es sich gerichtet“, „die Jury wollt nicht die x-te ehemalige Industriestadt“, „es musste eine inneralpine Stadt werden.“ Sondern wirklich befremdlich wurde es, als manch Trumpf der Bewerbung von denselben Fürsprechern plötzlich ins Gegenteil umgewertet wurde. „Die Bewerbung war zu perfekt!“; „Das war gar nicht gut, dass schon alles ausfinanziert war.“; „Die Politik hat sich zu eindeutig hinter den Prozess gestellt.“ Ähhh … ah ja, genau! Mancheiner hatte aber ohnedies andere „Sorgen“ bzw. machte sich ein brennender Verlustschmerz im Herzen breit, weil aus dem erhofften Job oder heimlich schon eingeplanten Auftrag nun doch nichts werden würde. Da half nur ein kräftiger Schluck vom „Frauenzimmer“.
Mich beschäftigte derweil auf der Heimfahrt aus Wien die Frage, wie man so eine Schlappe wegsteckt, und da kam mir das Europacupfinale Rapids 1996 in den Sinn. Skandierten die Fans vor der Abfahrt nach Brüssel noch hoffnungsfroh-euphorisch „Finale, Finale, wir holen das Finale“, so erwiesen sie sich nach der 0:1 Niederlage gegen Paris St. Germain als situationselastisch und sangen unmittelbar nach dem Schlusspfiff „Finale, Finale, wir scheißen aufs Finale“. So geht man mit Niederlagen um!
Wenn also jemand fragt: Und jetzt? Dann kann die einfache Antwort ja nur lauten: „Weiter so!“ Soviel Energie, Hirnschmalz, Emotion, Selbstbespiegelung und Bussi-Bussi wurde da die letzten zwei Jahre investiert, soviel Output generiert, die werden wir ja nicht wieder im Nirwana verschwinden lassen. Denn wie wusste schon Frankie Boy in einem meiner alltime favorites „That’s Life“: „Each time I find myself flat on my face I pick myself up and get back in the race.“ So schauts aus mitten in Europa! In diesem Sinne: Kulturhauptstadt, Kulturhauptstadt, wir … na gut, lassen wir das!