MFG - In Schuberts Geiste sind wir eins
In Schuberts Geiste sind wir eins


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In Schuberts Geiste sind wir eins

Text Johannes Reichl
Ausgabe 06/2021

Vor 200 Jahren, im Herbst 1821, weilte Franz Schubert in Begleitung seines Freundes und Librettisten Franz von Schober in St. Pölten sowie auf Schloss Ochsenburg, um an seiner Oper „Alfonso und Estrella“ zu arbeiten.

Die Künstler waren einer Einladung von Bischof Johann Nepomuk von Dankesreither gefolgt, wobei Schober den St. Pöltner Aufenthalt in einem Brief an Josef von Spaun vom 2. November 1821 wie folgt schildert. „Schubert und ich sind nun von unserem halb Land – halb Stadtaufenthalt wieder zurückgekehrt und bringen die Erinnerung an ein schönes Monat mit. In Ochsenburg hatten wir mit den wirklich schönen Gegenden, in St. Pölten mit Bällen und Concerten sehr viel zu tun; demohngeachtet waren wir fleissig, besonders Schubert, er hat fast zwei Acte, ich bin am letzten. Ich hätte nur gewunschen, Du wärest da gewesen und hättest die herrlichen Melodien entstehen sehen, es ist wunderbar, wie reich und blühend er wieder Gedanken hingegossen hat. Unser Zimmer in St. Pölten war besonders lieb, die zwei Ehebetten, ein Sofa neben dem warmen Ofen, ein Fortepiano nahmen sich ungemein häuslich und heimisch aus. Abends referierten wir immer einander, was des Tages geschehen, wir liessen uns dann Bier holen, rauchten unsere Pfeife und lasen dazu, oder Sofie und Nettel kamen herüber und es wurde gesungen.“
Im Jahr nach seinem Aufenthalt bedankte sich Schubert für die erwiesene Gastfreundschaft und widmete seine drei Gesänge op.12 („Harfner-Lieder“) „seiner bischöflichen Gnaden, dem Herrn Joh. Nep. von Dankesreither, Bischof von St. Pölten.“
Spuren
Franz von Schober hielt auch die gesellschaftlichen Verpflichtungen, die der Komponist in St. Pölten wahrzunehmen hatte, fest. „Schubertiaden waren ein paar beim Bischof und eine beim Baron Mink, der mir recht lieb ist, wobei eine Fürstin, zwei Gräfinnen und drei Baroninnen zugegen, die alle aufs nobelste entzückt waren.“
Maria Christoph Ignaz Freiherr von Münk und seine Frau Josepha Freyin von Münk lebten zur Zeit des Besuches im Haus Nr. 108, welches der nunmehrigen Adresse Rathausgasse 2, entspricht.
Heute erinnert ein Schubert-Relief aus der Hand des Bildhauers Erwin Frass an den Aufenthalt des Komponisten.
Bereits 1883 wurde auf Initiative des Männergesangsvereines eine Gedenktafel über dem Hauptportal des Schlosses Ochsenburg enthüllt. 1906 wurde im Ochsenburger Gasthaus Eßl, Wilhelmsburger Strasse 2, ein Schubert-Relief angebracht, und 1928 – zum  100. Todestag des Komponisten – wurde vor dem Schloss Ochsenburg das „Schubertbrünnl“ errichtet. Auf diesem findet sich ein weiteres Porträt-Relief aus der Hand von Wilhelm Frass, versehen mit dem Motto „In Schuberts Geiste sind wir eins“. Die Schubert-Verehrung gipfelte schließlich in der Inschrift: „Geheiligt ist durch ihn diese Stätte.“
Im Vorraum zur Bischofsstiege des St. Pöltner Bistumsgebäudes wurde 1928 ein Gedenkstein an Franz Schubert enthüllt und 1978 wurde am ehemaligen „Dreikronenwirtshaus“, Herrenplatz 5/Domplatz 7, eine Inschrift angebracht, wo der Komponist in St. Pölten logiert haben soll.
Schubertschwerpunkt 2021
Selbstredend – Corona sozusagen gerade noch entwischt – steht Schubert und seine St. Pölten Connection auch heuer im Mittelpunkt des kulturellen Geschehens. So wird der Komponist unter der von der Kulturverwaltung St. Pölten kuratierten Veranstaltungsreihe „Liederfürst Franz Schubert kehrt zurück nach St. Pölten“ u. a. im Rahmen des Ost-West-Musikfestes, des Jazz im Hof, der Schlosskonzerte Walpersdorf, der Meisterkonzerte St. Pölten, des Konzerts des Musikvereins 1837, des Projekts Schubert200 eine Rolle spielen. Informationen zum Programm findet man unter www.st-poelten.gv.at  

„EINE INSPIRATION IST ER ALLEMAL“
Stefan Zenkl zählt zu St. Pöltens Gesangs-Aushängeschildern. Der Bariton sang schon am Opernhaus Zürich, Theater Basel, Staatsoper Hannover uvm. Im Vorjahr war der freischaffende Künstler wie viele seiner Kollegen zum vermeintlichen Nichtstun verdammt, und war dennoch voll aktiv – er programmierte die Reihe „schubert200“ für das St. Pöltner Schubertjahr 2021.
Was fasziniert Sie an Schubert?
Die immense Vielfalt an Liedern! Das einfache, oft eintönige Strophenlied hatte ja ausgedient. Jeder wollte seinen Gefühlen in Reimen und Prosa Ausdruck verleihen – Franz Schubert war ihr Komponist. Außerdem erreiche ich bei ihm nur mit einer Pianistin sofort den vollen Klangkosmos und muss mir kein Orchester zusammenstellen.
Wie kam es zu Ihrem Engagement in Sachen Schubert und St. Pölten?
Ich wusste, dass sich heuer der 200-jährige Besuch des Liederfürsten in St. Pölten jährt, hatte aber keine Zeit vor der Pandemie ein ernstzunehmendes Programm zusammenzustellen, geschweige denn zu organisieren. Als Sänger war ich ab März 2020 aber plötzlich von einem Tag auf den anderen arbeitslos. Mir war klar, dass bis zur Auslöschung dieses Virus kein Auftritt außer bei Begräbnissen oder in Kirchen möglich sein wird. Ich beschloss daher, mich nicht nur meiner wachsenden Familie und der Bekämpfung der Pandemie als Tester und Sanitäter beim Roten Kreuz zu widmen, sondern als Kreativer nicht aufzugeben. So erhellte das Schubertjahr mein Schaffen die letzten Monate.
 
Welche Ideen haben Sie bei der Programmierung geleitet – Sie wandeln ja mit den Besuchern quasi auf den Spuren des Komponisten.
Mir geht es darum, Franz Schubert nicht nur sozusagen an der Wand hängend zu haben, sondern ihn erlebbar zu machen. Schubert kam für einen Monat in unsere Stadt, um zu komponieren, sich auszutauschen und auch am Leben teilzunehmen. Wie steht’s ums Komponieren in unserer Stadt? Wie hat es damals geklungen? Wie heute? Kennen wir unsere Räume, erfüllt mit Musik? Wie soll eine Schubertiade sein? Aus diesen Fragen heraus habe ich einfach Kompositionsaufträge erteilt, Räume im Rathaus und im Diözesangebäude reserviert und international tätige Künstlerinnen und Künstler aus der Region angefragt.
 
Was will man von Schubert heute vermitteln – was ist das Zeitlose an dem Genie?
Im Schatten der Pandemie ist die Beantwortung tendenziös. Schubert zeigt uns, hinauszugehen, die Zeit zu nützen, sich von einer Krankheit, so geht, nicht aufhalten zu lassen, Gesellschaft zu suchen, seinen Gefühlen und Ängsten Ausdruck zu verleihen und etwas Neues zu wagen. In der Kulturvermittlung steht natürlich das unbegreiflich große Opus dieses Komponisten mit über 1.000 Werken im Mittelpunkt. Man muss ihn gehört haben. Eine Inspiration ist er allemal.
 
Für Künstler war die Corona-Pandemie ein Desaster – welche Hoffnungen knüpfen Sie nun an die endlich erfolgten Öffnungen?
Der staatlich subventionierte Betrieb an den Theatern, Opernhäusern und auch Konzertsälen lief die ganze Zeit weiter, nur mit Publikum vor der Mattscheibe. Das Wichtige ist jetzt die Reaktivierung der Künstler im semiprofessionellen und Laien-Bereich, die wirklich nichts mehr durften. Unser neuer Kulturamtsdirektor Alfred Kellner hat mit seiner Initiative letzten Herbst, Beiträge für das Schubertjahr von allen Kulturvereinen und Kunstschaffenden zu sammeln, jedenfalls eine Ermunterung in düsteren Zeiten gesetzt.