Ortskernbelebung
Text
Sascha Harold
Ausgabe
Eine neue Wohnsiedlung soll rund um einen alten Bauernhof in Pottenbrunn entstehen. MFG hat mit Architekt Ralf Bock über die Hintergründe gesprochen.
Die Vorlage des neuen Gemeinschaftswohnprojekts in Pottenbrunn liefert das Wiener Siedlungsmodell der 1920er-Jahre, das unter anderem Architekt Adolf Loos geprägt hat. Damals wurden, um auf die akute Wohnungsnot nach Ende des Ersten Weltkrieges zu reagieren, einfache Siedlungen an der Stadtgrenze errichtet. Daran angeschlossene Gärten sollten dabei die Lebensmittelversorgung sicherstellen. An diese grundlegende Idee, angepasst an moderne Erfordernisse, will nun Architekt Ralf Bock in Pottenbrunn anknüpfen. Gemeinsam mit einer Kerngruppe von etwa 15 Personen sei man im Vorjahr bei der Suche nach einem geeigneten Standort auf einen Bauernhof in Pottenbrunn aufmerksam geworden, der kurz vor dem Verkauf und anschließendem Abriss stand. „Wir haben gemeinsam mit der Stadt St. Pölten in nur einer Woche einen Masterplan entwickelt, der den Hof als gemeinschaftlich genutzte Fläche erhält und gleichzeitig um neun Häuser mit je vier Wohneinheiten erweitert“, so Ralf Bock. Man wolle damit zeigen, dass alte dörfliche Strukturen neu genutzt werden können und Alternativen zu Zersiedelung aufzeigen. „Wir sehen das niederösterreichweit als wichtiges Pilotprojekt dafür, wie man Ortskerne nachverdichten und wiederbeleben kann“, ergänzt der Wiener Architekt.
Genossenschaftsmodell statt Wohnbauspekulanten
Rein praktisch soll das Ganze auf einem Genossenschaftsmodell basieren, in der jeder künftige Bewohner Mitglied ist. Preislich will man dabei weit unter aktuellen Marktpreisen liegen. Beispiel: Für eine 60 m² Wohnung soll eine Einlage von etwa 110.000 Euro getätigt werden, bei Auszug wird diese Einlage wieder zurückerstattet – das Eigentum verbleibt also bei der Genossenschaft. Damit will man unter anderem Wohnraumspekulationen einen Riegel vorschieben. „Wir wollen damit ein Modell schaffen, das die aktuelle Wohnprobleme mit zu hohen Mieten und Preisen löst“, erläutert Bock. Zusätzlich zu Wohneinheiten, Gemeinschaftsflächen und -räumen soll auf dem etwa 1ha großen Grundstück ein gemeinsam genutzter und bewirtschafteter Garten entstehen, der es ermöglicht, alle Bewohner mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen. „Wir wollen mit dem Wohnprojekt zeigen, dass Gemeinschaftsleben Vorteile hat. So können in gemeinsam genutzten Räumen wie etwa Werkstätten, größere und qualitativ hochwertige Anschaffungen gemacht werden, als das jeder Einzelne für sich könnte. Private Rückzugsorte ergänzt um soziale Aspekte und gemeinschaftlichen Austausch“, fasst Bock die Idee des neuen Wohnprojekts zusammen. Auch energetisch will das Projekt Vorbildwirkung haben: Über eine PV-Anlage soll so viel Strom produziert werden, dass damit der private Verbrauch inklusive Betrieb von Wärmepumpen für jedes Haus abgedeckt wird.
Als nächster Schritt steht nun das Wachstum der Genossenschaft an. Aktuell ist man dabei, den Kaufvertrag mit den aktuellen Eigentümern zu finalisieren, der Baubeginn soll in einem Jahr erfolgen. Wenn alles nach Plan läuft, werden in drei Jahren die ersten Bewohner in die neue Pottenbrunner Siedlung einziehen und damit die Idee jenes vor einhundert Jahren entstandenen Siedlungsmodells fortführen, das auch in St. Pölten in den 20er- und 30er-Jahren erfolgreich war.
INFORMATIONEN
In mehreren Stufen soll das Genossenschaftsmodell, auf dem das Wohnprojekt basiert, weiter wachsen. Im Herbst werden weitere Mitbewohner in die Genossenschaft aufgenommen. Bewerbungen können eingereicht werden unter: info@woge-pottenbrunn.com
Weitere Informationen unter: www.woge-pottenbrunn.com