EIN „A-TEAM“ FÜR DEN KLIMASCHUTZ
Text
Johannes Mayerhofer
Ausgabe
Die neu geschaffene Klimakoordinationsstelle soll St. Pölten dabei helfen seinem selbstbestimmten Anspruch einer „Klimapionierstadt“ gerecht zu werden. MFG stellt das sechsköpfige Team vor. Wer steckt dahinter und was ist der Nutzen der neuen Stabsstelle?
Im Bereich Energiewirtschaft ist Franz Gruber ein gefragter Fachmann. Nachdem er Anfang dieses Jahr die Geschäftsführung der Fernwärme St. Pölten GmbH sowie der Abfallverwertung- und Behandlung „Am Ziegelofen“ GmbH übernommen hatte, wartete bereits die nächste Aufgabe auf ihn: die Leitung der neuen städtischen Klimakoordinationsstelle. Mit fünf weiteren Mitstreitern soll die Stabsstelle unter Gruber als eine Art Klimaschutz-“A Team“ die Klimaagenda St. Pöltens durch Innovation, Beratung und Vernetzung vorantreiben.
Mit dabei ist unter anderem Carina Wenda, vormals in der Abteilung Stadtplanung beschäftigt. Sie war bereits für die Klimarahmenstrategie und den Bewerbungsprozess zur Klimapionierstadt verantwortlich. Im Klimakoordinations-Team wird sie sich um „Nachhaltige Planungskonzepte“ kümmern. Die wissenschaftliche Expertise kommt vom Biologen Martin Gruber-Dorninger. Christina Birett wechselt aus der Verkehrsabteilung und wird sich naheliegenderweise um Mobilitätsthemen, weiters um Bewusstseinsbildung und Fördereinreichung kümmern. Dora Schillinger ist mit dem Aufbau einer CO2-Datenbank betraut. David Obergruber, gelernter Landschaftsplaner und ehemals bei der Leader Region Donau NÖ-Mitte tätig, bereitet eine städtische Energiegemeinschaft vor. Vor allem die beiden letztgenannten Punkte sind zentrale Ziele der Klimakooradinationsstelle. Aber dazu gleich mehr.
Netzwerken, netzwerken, netzwerken ...
Klimaschutz kann nicht von einer einzigen Stelle abgewickelt werden, er ist Querschnittsmaterie sämtlicher Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und damit auch der kommunalen Verwaltung. Darum ist es für das Klima-Team unerlässlich, zu allen Abteilungen und Organisationen einen „guten Draht“ zu haben. „Das Thema Kommunikation steht derzeit an oberster Stelle. Aktuell stellen wir uns gerade bei den einzelnen Abteilungen und städtischen Beteiligungen vor, mit denen wir künftig eng zusammenarbeiten werden“, erklärt Gruber. „So wollen wir sichergehen, dass wir uns als neue Abteilung etablieren und von Beginn an in die Prozesse und Planungen der Stadt einbezogen werden. In weiterer Folge wollen wir auch den Parteien zeigen, warum es uns gibt und was unsere Arbeit ist.“ Doch auch in Richtung Zivilgesellschaft wollen die Klimakoordinatoren ihre Fühler ausstrecken. So sind Vorstellungsrunden bei NGOs, Organisationen und auch in Schulen und Kindergärten geplant. Gruber ventiliert die Idee eines „Klima-Cafés“ als Ort der Beteiligung, Vernetzung und Information. Eine Idee, die er aber zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht weiter konkretisiert hat. „Wir sind nicht nur Klimakoordinatoren, sondern auch Klimakommunikatoren.“
Energiegemeinschaft und CO2-Bilanz sind Kernziele
Mittelfristig gesehen soll es ans Eingemachte gehen. Damit ist die Umsetzung zweier Großprojekte der Koordinationsstelle gemeint. Beim Ersten handelt es sich um die Schaffung einer städtischen Energiegemeinschaft für erneuerbare Energie, welche im Rahmen der letzten Gemeinderatssitzung Ende November beschlossen wurde. Dazu sollen vorerst zwei Vereine gegründet werden, die lediglich städtische Gebäude betreffen. „Nach einer Testphase soll das Angebot weiter ausgerollt werden“, so Gruber. Zur kurzen Erläuterung: Eine Energiegemeinschaft ist ein vereinsrechtlicher oder genossenschaftlicher Zusammenschluss von Privatpersonen und/oder rechtlichen Personen (Firmen, Organisationen etc.) um gemeinschaftlich Energie zu produzieren, zu speichern, zu verwerten oder zu verkaufen. Das ist nicht zuletzt aufgrund stark gestiegener Strompreise von besonderer Bedeutung. Im Vordergrund stehen die lokale Begrenztheit und die Gemeinnützigkeit der Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaft.
Großprojekt Nummer zwei ist die Erstellung einer CO2-Bilanz für St. Pölten. Sie ist Voraussetzung für eine verlässliche Einschätzung, wo St. Pölten auf dem Weg zur Klimaneutralität steht, und welch umfassende Maßnahmen vonnöten sind. Nach welchen Regeln diese Bilanz zu erstellen ist, darüber herrscht bisher noch keine hundertprozentige Gewissheit. Um Vergleichbarkeit mit anderen Städten zu gewährleisten, werde es wohl ein Konzept aus dem Umweltbundesministerium brauchen. Mit dem Aufbau einer für die Bilanz unerlässlichen Datenbank ist Klimakoordinatorin Dora Schillinger bereits beschäftigt. „In fast allen Abteilungen der Stadt werden Daten gesammelt. Bisher waren diese Daten nur den jeweiligen Abteilungen zugänglich. Manche dieser Daten sind aber beispielsweise auch für andere Bereiche spannend. Hier soll ein besserer Austausch und ein regelmäßiges Update erfolgen“, erklärt Gruber die Funktionsweise des Projektes.
Die Datenbank ist aber nicht nur für die Bilanzierung des städtischen CO2-Saldos wichtig. Sie ist auch essentiell, um am e5-Programm teilnehmen zu können und Maßnahmen im Rahmen des Programms durchzusetzen. Das e5-Programm unterstützt Gemeinden beim Klimaschutz, sei es durch Analyse von Schwachstellen, Beratung, Planung und Hilfe zur Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. „Viele Maßnahmen des e5-Programms entsprechen auch den Vorgaben und Zielen der Pionierstadt. Wir schlagen damit praktisch zwei Fliegen mit einer Klappe.“ Außerdem profitiere man „enorm“ von der Expertise der eNu (Energie- und Umweltagentur Niederösterreichs), die bei der Umsetzung der Maßnahmen tatkräftig Unterstützung bieten werde.
Stadtklimaanalyse soll Aufklärung zu Wärme-Hotspots & mehr liefern
In Bezug auf das Thema Mobilität soll St. Pölten freundlicher für Fußgänger und Radfahrer werden, es soll also die „aktive Mobilität“ gefördert werden. „Aktuell entwickeln wir die Leitkonzeption Aktive Mobilität, die uns den Weg aufzeigen wird, welche Maßnahmen gesetzt werden müssen, um ein durchgängiges Rad- und Fußwegenetz zu schaffen“, erläutert Gruber. Auch der Aufbau von Photovoltaik-Anlagen auf Dach- und Freiflächen soll vorangetrieben werden. Neben diesen proaktiven Maßnahmen zur Verbesserung der CO2-Bilanz schlägt der Leiter der Klimakoordinationsstelle auch reaktive Maßnahmen vor, um sich an steigende Temperaturen anzupassen: „Die sogenannte Stadtklimaanalyse wird uns aufzeigen, welche Bereiche der Stadt besonders durch Hitze belastet sind und wo es somit besonders hohen Bedarf gibt, Maßnahmen zu setzen, um sich an diese neuen klimatischen Rahmenbedingungen anzupassen.“ Beschlossen wurde im Gemeinderat die Durchführung einer Stadtklimaanalyse, durchgeführt wird sie vom meteorologischen Ingenieursbüro „Weatherpark GmbH“ aus Wien. Dabei werden – vereinfacht gesprochen – alle meteorologischen Messdaten erhoben, Wirkungszusammenhänge analysiert und die Ergebnisse auf eine einfach dargestellte Klimafunktionskarte übertragen. Die Stadt St. Pölten stellt dafür 75.000 Euro bereit.
Jeder Gemeinderatsbeschluss soll auf Klima-Relevanz geprüft werden
Für weitere Ideen und Anregungen blicken Gruber und seine Teamkollegen auch über den Stadtrand St. Pöltens hinaus. Eine nachahmenswerte Idee ist aus seiner Sicht das „Klimarelevanz-Tool“ beziehungsweise ein „Klima-Check“, welche in Krems seit vier, oder auch in der deutschen Stadt Ludwigsburg seit etwa zwei Jahren zur Anwendung gebracht werden. Einfach formuliert bedeutet dies, dass alle Maßnahmen und Beschlüsse eines Gemeinderates auf ihre Klimarelevanz geprüft werden müssen. Der Fokus auf Klimafreundlichkeit soll so schon im Frühstadium politischer Maßnahmen und Beschlüsse implementiert werden, durch grobe Ersteinschätzungen, Umsetzungs- und Optimierungsvorschläge. Nach Angaben der Stadt Krems sind dort etwa 20 Prozent der Beschlüsse „unmittelbar klimarelevant.“
Gruber und seine fünf Mitstreiter sind zweifelsohne ambitioniert, auch mit etwas Hang zum Symbolischen: „Wir wollen in jedes Büro einen Blumentopf stellen, damit der Klimagedanke immer mitspielt.“ Am Ende des Tages sind es jedoch der St. Pöltner Gemeinderat und Stadtsenat die entscheiden, wie ambitioniert der Klimaschutz vorangetrieben wird. Sie geben den Rahmen vor, innerhalb dessen die Klimakoordinationsstelle arbeiten kann. Und auf der Strecke gab es in den vergangenen Jahren Kritik in Hülle und Fülle, Stichworte wären „S34“, „Rewe Frischezentrum“ oder der „Neue Domplatz“ (der vom Kurier auch „Platz des Todes“ betitelt wurde). Die Klimakoordinationsstelle hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, Klimabewusstsein in Schulen, Vereinen et cetera zu fördern. Ob entsprechende Bewusstseinsbildung auch bei den politischen Entscheidern vonnöten ist?