Therapiesex
Ausgabe
Ich konnte es kaum glauben! Rosa saß also wirklich in der Straßenbahn und fuhr ihrer Vergangenheit entgegen. Unser altes Café, hm. Rosa als Teil einer Therapiesitzung. Rosa, ja Rosa. Kaum, dass mich meine Beine trugen, so nervös und zittrig war ich in diesem Moment. Ich drückte die Tür ruckartig auf, dass Rosa für einen Moment der Atem wegblieb. Und da saß er also nun: meine Jugendliebe in persona. Die Haare kürzer, der Verstand wirrer, das Lachen von einst. „Rosa! Hallo, Rosa!“ Schon hatte er seine Arme links und rechts an meine Schultern gelegt und hauchte mir eines von jenen Künstlerküsschen auf, deren Anmutung nach Verlangen und Distanz eine perfide Mischung ergaben – und er roch immer noch nach ‚Egoiste’. In diesem Moment hätte ich es ihm sagen müssen… dass Rosa kein Teil seiner Therapiesitzungen wird. Dass Rosa ihn schon längst aus ihrem Gedächtnis verbannt hatte. Dass Rosa keinen Gedanken daran verschwendet, irgendetwas für ihn zu tun. Alleine hier zu sitzen, war schon ein Schritt zuviel. Nach dem ersten „Rotwein, Rosa?“, und „Es tut so gut, dass Du hier bist, Rosa!“ platzierte ich also meine vier Buchstaben in die roten Sessel von damals und versuchte so desinteressiert zu wirken wie nur möglich. „Also?“ fragte ich M. P. „Was willst du?“ 4 Stunden später, 1 Flasche Rotwein betrunkener, kannte ich jedes Detail seiner Panikattacken. Die Rolle, die er mir in dieser Geschichte zuteilte, ist mir heute nicht mehr im Gedächtnis. Hat also offenbar funktioniert, der Therapiesex vom 16. September. Sitzung geschlossen. Patient geheilt! Der Nächste, bitte!