Music was my first love
Ausgabe
Robert Lehrbaumer ist ein vielbeschäftigter Mann. Unseren Termin konnte er gerade noch irgendwie reinzwicken. Heuer gab er schon Konzerte in Beirut, Paris, Los Angeles, Marroko, Kanada, Senegal, Japan und – selbstredend – Österreich. „Zuletzt spielte ich innerhalb von 14 Tagen 13 Konzerte! Und im Sommer gebe ich immer Meisterkurse.“ Über ein Musikerleben.
Bevor wir uns im „Schubert“ auf ein Plauscherl zusammensetzen, steht noch ein Fotoshooting im Dom an. Domorganist Ludwig Lusser geleitet uns hinauf auf den Chor, wo Lehrbaumer an der Orgel im wahrsten Sinne des Wortes, wenn nicht alle, so doch einige Register seines Könnens zieht. Im Anschluss, Lusser hat sich mittlerweile verabschiedet, bringt uns Lehrbaumer wieder raus, öffnet wie selbstverständlich den Zählerkasten und schaltet das Licht aus, geleitet uns durch das vermeintliche Labyrinth der Kirche hinunter – der Mann kennt sich hier definitv aus! Die Domorgel ist ihm vertraut, auf ihr gibt er heuer im Rahmen der Meisterkonzerte ein Konzert. Da sind ganz offensichtlich Bande zu St. Pölten, so starke, „dass viele glauben, ich sei St. Pöltner. Das empfinde ich als großes Kompliment! Es ist doch schön, wenn man einem Ort zugeordnet wird, obwohl man gar nicht hier lebt.“
Mostviertel-Connection
Die Beziehung zur Region ist ihm quasi in die Wiege gelegt. “Mein Vater stammt aus Wilhelmsburg, meine Mutter aus Aschbach bei Amstetten.“ Zwar lebt die Familie in Wien, „aber wir sind jede freie Minute hinaus aufs Land gefahren. Das war eine fantastische Zeit für uns Kinder!“ Und nicht etwa im großen Wien, sondern in der kleinen Provinzstadt St. Pölten findet – so grotesk es klingen mag – die erste Konzertsozialisierung Lehrbaumers statt. „St. Pölten war Bezugspunkt von Wilhelmsburg aus betrachtet. Wir sind in jedes Hochamt im St. Pöltner Dom gefahren.“ Profaner geht es im Wirtshaus des Großvaters in Wilhelmsburg zu. „Beim ‚Lehrbaumer‘, wie die Leute sagten, probte die Stadtmusikkapelle, da hab ich oft zugehört.“
Wichtigstes Musikbiotop ist aber natürlich das elterliche Zuhause in Wien, wo der kleine Bub schon sehr früh – und das ist euphemistisch ausgedrückt – seine Liebe zur Musik entdeckt. „Ich komme aus einem sehr musikliebhabenden Haushalt“, verweist Lehrbaumer auf den Umstand, dass zuhause etwa diverse Instrumente zu finden waren. „Mein Vater spielte Klavier, Gitarre, Ziehharmoniker und noch so einiges, meine Mutter Zither“, erzählt er. Außerdem wurde im Hause Lehrbaumer „gesungen, gesungen und gesungen. Ununterbrochen! Und zu jedem Anlass. Das hat Riesenspaß gemacht!“
Schon als kleiner Bub krallt sich der Sohnemann die Schallplatten des Vaters, hört „von Beethoven bis Marschmusik, alles bunt durcheinander“, und auf einem Foto sieht man den zweijährigen Knirps vorm Radio stehen und dirigieren. „So mit vier Jahren, wenn andere Kinder Berufswünsche wie Feuerwehrmann, Polizist etc. äußern, sagte ich schon: Ich werde Musiker.“
Multitalent
Ein Kind ein Wort. Irgendwie ist da etwas in ihm, ein Talent, eine Leidenschaft, ein Zug zur Musik, der sich unaufhaltsam Bahn bricht. Lehrbaumer entdeckt das Klavier für sich, erlernt es spielend leicht, und mit seiner Stimme bringt er die Herzen der Zuhörer zum Schmelzen, so dass er von neun bis dreizehn bei den Mozart Sängerknaben landet.
Im Nachhinein betrachtet wohl der Ausgangspunkt seiner Karriere, denn alsbald wird Lehrbaumer – publikumswirksam in Frack und Mozartperrücke gesteckt – als Solist eingesetzt und als „Wunderkind“ verkauft, das er auch ist. „Mit den Sängerknaben reiste ich durch die ganze Welt. Ich sang solo vor ausverkauften Häusern und spielte auch solo am Klavier im Rahmen der Konzerte. Damals gewöhnte ich mich wohl daran, vor großem Publikum aufzutreten.“
Dabei hat der Bub zu dieser Zeit auch schon andere Talente aufblitzen lassen. So spielt Klein-Robert im Alter von neun Jahren an der Seite Fritz Muliars im Film „Der Gürtel des Namanjuk“, wo er neben seiner Unbekümmertheit auch durch sein Mundwerk auffällt. „Der Regisseur hat schließlich gemeint: ‘Also Robert, wenn du nicht gerade spielst, dann setzt dich einfach hierher neben mich in den Stuhl und sag mir immer, was du dir denkst.‘ Er hat mich sozusagen als Regieassistent engagiert“, muss Lehrbaumer noch heute darüber schmunzeln.
Später sollte er auch noch in anderen Filmen mitwirken, etwa in „Mozart und Da Ponte“, in dem er einen Pianisten und Organisten mimt, oder – nicht auf der Mattscheibe sicht-, aber sehr wohl hörbar – in Fritz Lehners Schubertfilm. „Da habe ich sämtliche Klavierszenen am Hammerflügel synchronisiert!“
Irgendwie scheint Lehrbaumer alles mit einer gewissen Leichtigkeit zuzufliegen. „Ich habe komponiert, da hat der Lehrer gesagt – Robert, du musst Komponist werden. Ich habe Violone gespielt, da hat der Lehrer gesagt – Robert, du musst Geiger werden.“ Selbst Jus beginnt der junge Mann später, damals musikalisch schon voll eingedeckt, zu studieren. „Aber ich hab dann bald gespürt, wenn du jetzt nicht aufpasst, dann verzettelst du dich. Dann wirst du ein Dilettant, der nicht mit der Spitze mithalten kann, sondern nur Mittelmaß bleibt.“
Daher rekalibriert er seinen Fokus wieder ausschließlich auf die Musik – und das im großen Stil! Manchmal sitzt Lehrbaumer acht bis zehn Stunden am Tag vorm Klavier. „Das war nach der Matura, da hab ich wie ein Wahnsinniger geübt. Mein Tag bestand aus essen, üben, schlafen“, erinnert er sich. Nicht unbedingt gesellschaftsfördernd, „aber die Freunde, die diese Phase mit mir durchgemacht haben, sind die wahren!“, meint er anerkennend. „Die haben mich, auch wenn ich zum xten Mal kurzfristig abgesagt habe, trotzdem wieder zur nächsten Party eingeladen“.
Karriere
Dafür macht sich das harte Training bezahlt. Nicht nur, dass Lehrbaumer in diesen Jahren eine breite Basis seiner Klavierfertigkeit schafft, die ihm bis heute zugutekommt, führt sie ihn auch zu weiteren Höhenflügen. Ganz oben angelangt scheint er mit 25 Jahren zu sein, als er in Wien triumphiert. „Im Wiener Konzerthaus war der Zyklus ‚Meisterinterpreten‘, da haben Künstler wie Abado, Sinopoli, Cabalé, Brendel gastiert – und der kleine Lehrbaumer hat einen Orgel-Soloabend gegeben! Jetzt hab ich gedacht, ich habs geschafft!“ Und das hat er auch. Aber Erfolg zieht auch Neider nach sich, die gegen ihn unter dem Motto „warum er und nicht ich?“ intrigieren, und das übliche österreichische Karussell vom Propheten im eigenen Land, der nichts zählt, beginnt sich zu drehen. „Man hat mir in Folge ans Herz gelegt: Lehrbaumer, gehen Sie ins Ausland, erobern sie die Welt, und wenn sie zurückkommen, sind sie ein gemachter Mann.“ Für den jungen Mann ein völlig widersinniger Gedanke. „Ich habe geantwortet: Alle wollen nach Wien, das ist die Musikhauptstadt der Welt, und ich soll weg?!“ Er weigert sich, und bleibt. „Ich habe mich nicht korrumpieren lassen. Aber es ist wirklich eigenartig, eine zutiefst österreichische Mentalität: In Deutschland fördern sie die Deutschen. In Holland die Holländer, nur bei uns ist es eine regelrechte Tugend, dass jeder deutsche Burgtheaterdirektor, jeder ausländische Staatsoperndirektor scheinbar ‚besser‘ ist als die heimische Alternative.“ Verweigerung, das muss Lehrbaumer in dieser Zeit erfahren, hat ihren Preis. „Wenn man das Spiel nicht mitspielt, muss man zur Kenntnis nehmen, dass man dann letztlich nicht immer dort mitschwimmt, wo man mitschwimmen könnte“, meint er nachdenklich, fügt aber voll Überzeugung hinzu: „Aber meine Individualität war mir immer wichtig, und je älter ich werde, desto mehr fühle ich mich darin bestätigt. Man muss sich treu bleiben!“
Karriere macht der Künstler trotzdem. Vielleicht nicht mit soviel Glamour und Scheinwerferlicht, „weil ich nicht der Typ dafür bin. Die Menschen brauchen ihre Idole, da bedarf es einer gewissen Eitelkeit, die erst den Starkult ermöglicht – das ist nicht meine Sache“, aber substanziell bleibt er seinem Talent nichts schuldig. Hat er schon zahlreiche Preise abgestaubt, etwa 1985 beim Internationalen Musikwettbewerb Genf, spielt er im Laufe der Jahre auf den größten Musikfestivals, in den bedeutendsten Konzerthäusern, mit den berühmtesten Orchestern und unter den renommiertesten Dirigenten der Welt! Noch heute zeigt er gerne ein Dankschreiben von Gottfried von Einem her, dessen Klavierkonzerte er einspielte, oder ein Empfehlungsschreiben Claudio Abados, der ihn als exzellenten Pianisten und Organisten bezeichnet.
Lehrbaumer – und das ist seine ganz persönliche Note – „verkommt“ dabei aber nicht zum Spezialisten, „der nach 20 Jahren leer ist“, sondern bleibt, wie es seinem Naturell entspricht, breit aufgestellt. Er reüssiert international als Pianist und zugleich – eine absolute Ausnahme im Musikbetrieb – als Solo-Organist. Er dirigiert, er tritt als künstlerischer Leiter diverser Festivals in Erscheinung und, eine ganz große Leidenschaft, wie man herauszuhören vermeint, er gibt sein Wissen als Lehrer in Meisterkursen weiter. „Ich versuche den Studenten Wegweiser zu zeigen, damit sie Abkürzer nehmen können und sich unnötige Wege ersparen.“ Das klingt weniger nach Musik, als nach Lebensschule, und tatsächlich möchte Lehrbaumer seinen Eleven ein gewisses philosophisches Rüstzeug mit auf den Weg geben. „Manche Lehrer lassen sich ja gerne anbeten, als Stars feiern. Das kann und will ich nicht. Im Gegenteil: Ich möchte den Leuten bewusst machen: ‚Schaff dir keine Gurus. All dein Talent steckt in dir selbst. Bleib dir treu!‘ Das ist die Message!“
Balance
Eine Botschaft, die Lehrbaumer auch selbst lebt und zu seinen Grundsätzen zählt, ebenso wie Inspiration und Balance. „Inspiration ist eine der wichtigsten Dinge überhaupt. Sie steht für die Faszination des Lebens, wobei es nicht nur darum geht, inspiriert zu werden, sondern auch zu inspirieren!“ Gerade diese Wechselseitigkeit, dieses Ausgleichende scheint in Lehrbaumers Leben das übergeordnete Prinzip schlechthin zu sein. „Es geht um Balance! Du kannst nicht nur geben, ebensowenig kannst du nur empfangen. Da muss ein Ausgleich stattfinden. Wenn du etwa als Lehrer dein Wissen nur weitergibst, selbst aber stehen bleibst und dich nicht mehr weiterentwickelst, wirst du schnell vertrotteln. Nur die Balance, die Inspiration lassen dich lebendig bleiben!“
Diese Lebendigkeit spürt man regelrecht, und sie geht mit einer dritten, unausgesprochenen Eigenschaft einher: Gelassenheit. Das widerspricht nicht dem Umstand, dass Lehrbaumer sich 100%ig ins Zeug hängt und vor manch Auftritt so angespannt und konzentriert ist „dass ich weder links noch rechts schaue, was manche mir schon fälschlicherweise als Arroganz ausgelegt haben.“ Aber Gelassenheit ist eine Tugend, die er sich selbst erst über die Jahre, durch das Leben selbst angeeignet hat. „Man kann nichts erzwingen, bzw. man kann vielleicht sogar manches erzwingen, von dem man sich einbildet, es muss so sein – aber ob der darauf fußende Erfolg wirklich zum Glück und zur Zufriedenheit führt, das ist die Frage.“
Dass sein Leben ausgefüllt und glücklich ist, daran lässt er keinen Zweifel. „Vieles hat sich einfach so ergeben. Mein Leben ist unglaublich spannend, ich habe eine Riesenfreude an all den Dingen, die ich machen darf, und ich habe eine Frau, die unglaublich verständnisvoll ist. Wenn ich mir wünschen dürfte, wie es sein sollte – dann genau so!“
Mostviertel-Connection
Die Beziehung zur Region ist ihm quasi in die Wiege gelegt. “Mein Vater stammt aus Wilhelmsburg, meine Mutter aus Aschbach bei Amstetten.“ Zwar lebt die Familie in Wien, „aber wir sind jede freie Minute hinaus aufs Land gefahren. Das war eine fantastische Zeit für uns Kinder!“ Und nicht etwa im großen Wien, sondern in der kleinen Provinzstadt St. Pölten findet – so grotesk es klingen mag – die erste Konzertsozialisierung Lehrbaumers statt. „St. Pölten war Bezugspunkt von Wilhelmsburg aus betrachtet. Wir sind in jedes Hochamt im St. Pöltner Dom gefahren.“ Profaner geht es im Wirtshaus des Großvaters in Wilhelmsburg zu. „Beim ‚Lehrbaumer‘, wie die Leute sagten, probte die Stadtmusikkapelle, da hab ich oft zugehört.“
Wichtigstes Musikbiotop ist aber natürlich das elterliche Zuhause in Wien, wo der kleine Bub schon sehr früh – und das ist euphemistisch ausgedrückt – seine Liebe zur Musik entdeckt. „Ich komme aus einem sehr musikliebhabenden Haushalt“, verweist Lehrbaumer auf den Umstand, dass zuhause etwa diverse Instrumente zu finden waren. „Mein Vater spielte Klavier, Gitarre, Ziehharmoniker und noch so einiges, meine Mutter Zither“, erzählt er. Außerdem wurde im Hause Lehrbaumer „gesungen, gesungen und gesungen. Ununterbrochen! Und zu jedem Anlass. Das hat Riesenspaß gemacht!“
Schon als kleiner Bub krallt sich der Sohnemann die Schallplatten des Vaters, hört „von Beethoven bis Marschmusik, alles bunt durcheinander“, und auf einem Foto sieht man den zweijährigen Knirps vorm Radio stehen und dirigieren. „So mit vier Jahren, wenn andere Kinder Berufswünsche wie Feuerwehrmann, Polizist etc. äußern, sagte ich schon: Ich werde Musiker.“
Multitalent
Ein Kind ein Wort. Irgendwie ist da etwas in ihm, ein Talent, eine Leidenschaft, ein Zug zur Musik, der sich unaufhaltsam Bahn bricht. Lehrbaumer entdeckt das Klavier für sich, erlernt es spielend leicht, und mit seiner Stimme bringt er die Herzen der Zuhörer zum Schmelzen, so dass er von neun bis dreizehn bei den Mozart Sängerknaben landet.
Im Nachhinein betrachtet wohl der Ausgangspunkt seiner Karriere, denn alsbald wird Lehrbaumer – publikumswirksam in Frack und Mozartperrücke gesteckt – als Solist eingesetzt und als „Wunderkind“ verkauft, das er auch ist. „Mit den Sängerknaben reiste ich durch die ganze Welt. Ich sang solo vor ausverkauften Häusern und spielte auch solo am Klavier im Rahmen der Konzerte. Damals gewöhnte ich mich wohl daran, vor großem Publikum aufzutreten.“
Dabei hat der Bub zu dieser Zeit auch schon andere Talente aufblitzen lassen. So spielt Klein-Robert im Alter von neun Jahren an der Seite Fritz Muliars im Film „Der Gürtel des Namanjuk“, wo er neben seiner Unbekümmertheit auch durch sein Mundwerk auffällt. „Der Regisseur hat schließlich gemeint: ‘Also Robert, wenn du nicht gerade spielst, dann setzt dich einfach hierher neben mich in den Stuhl und sag mir immer, was du dir denkst.‘ Er hat mich sozusagen als Regieassistent engagiert“, muss Lehrbaumer noch heute darüber schmunzeln.
Später sollte er auch noch in anderen Filmen mitwirken, etwa in „Mozart und Da Ponte“, in dem er einen Pianisten und Organisten mimt, oder – nicht auf der Mattscheibe sicht-, aber sehr wohl hörbar – in Fritz Lehners Schubertfilm. „Da habe ich sämtliche Klavierszenen am Hammerflügel synchronisiert!“
Irgendwie scheint Lehrbaumer alles mit einer gewissen Leichtigkeit zuzufliegen. „Ich habe komponiert, da hat der Lehrer gesagt – Robert, du musst Komponist werden. Ich habe Violone gespielt, da hat der Lehrer gesagt – Robert, du musst Geiger werden.“ Selbst Jus beginnt der junge Mann später, damals musikalisch schon voll eingedeckt, zu studieren. „Aber ich hab dann bald gespürt, wenn du jetzt nicht aufpasst, dann verzettelst du dich. Dann wirst du ein Dilettant, der nicht mit der Spitze mithalten kann, sondern nur Mittelmaß bleibt.“
Daher rekalibriert er seinen Fokus wieder ausschließlich auf die Musik – und das im großen Stil! Manchmal sitzt Lehrbaumer acht bis zehn Stunden am Tag vorm Klavier. „Das war nach der Matura, da hab ich wie ein Wahnsinniger geübt. Mein Tag bestand aus essen, üben, schlafen“, erinnert er sich. Nicht unbedingt gesellschaftsfördernd, „aber die Freunde, die diese Phase mit mir durchgemacht haben, sind die wahren!“, meint er anerkennend. „Die haben mich, auch wenn ich zum xten Mal kurzfristig abgesagt habe, trotzdem wieder zur nächsten Party eingeladen“.
Karriere
Dafür macht sich das harte Training bezahlt. Nicht nur, dass Lehrbaumer in diesen Jahren eine breite Basis seiner Klavierfertigkeit schafft, die ihm bis heute zugutekommt, führt sie ihn auch zu weiteren Höhenflügen. Ganz oben angelangt scheint er mit 25 Jahren zu sein, als er in Wien triumphiert. „Im Wiener Konzerthaus war der Zyklus ‚Meisterinterpreten‘, da haben Künstler wie Abado, Sinopoli, Cabalé, Brendel gastiert – und der kleine Lehrbaumer hat einen Orgel-Soloabend gegeben! Jetzt hab ich gedacht, ich habs geschafft!“ Und das hat er auch. Aber Erfolg zieht auch Neider nach sich, die gegen ihn unter dem Motto „warum er und nicht ich?“ intrigieren, und das übliche österreichische Karussell vom Propheten im eigenen Land, der nichts zählt, beginnt sich zu drehen. „Man hat mir in Folge ans Herz gelegt: Lehrbaumer, gehen Sie ins Ausland, erobern sie die Welt, und wenn sie zurückkommen, sind sie ein gemachter Mann.“ Für den jungen Mann ein völlig widersinniger Gedanke. „Ich habe geantwortet: Alle wollen nach Wien, das ist die Musikhauptstadt der Welt, und ich soll weg?!“ Er weigert sich, und bleibt. „Ich habe mich nicht korrumpieren lassen. Aber es ist wirklich eigenartig, eine zutiefst österreichische Mentalität: In Deutschland fördern sie die Deutschen. In Holland die Holländer, nur bei uns ist es eine regelrechte Tugend, dass jeder deutsche Burgtheaterdirektor, jeder ausländische Staatsoperndirektor scheinbar ‚besser‘ ist als die heimische Alternative.“ Verweigerung, das muss Lehrbaumer in dieser Zeit erfahren, hat ihren Preis. „Wenn man das Spiel nicht mitspielt, muss man zur Kenntnis nehmen, dass man dann letztlich nicht immer dort mitschwimmt, wo man mitschwimmen könnte“, meint er nachdenklich, fügt aber voll Überzeugung hinzu: „Aber meine Individualität war mir immer wichtig, und je älter ich werde, desto mehr fühle ich mich darin bestätigt. Man muss sich treu bleiben!“
Karriere macht der Künstler trotzdem. Vielleicht nicht mit soviel Glamour und Scheinwerferlicht, „weil ich nicht der Typ dafür bin. Die Menschen brauchen ihre Idole, da bedarf es einer gewissen Eitelkeit, die erst den Starkult ermöglicht – das ist nicht meine Sache“, aber substanziell bleibt er seinem Talent nichts schuldig. Hat er schon zahlreiche Preise abgestaubt, etwa 1985 beim Internationalen Musikwettbewerb Genf, spielt er im Laufe der Jahre auf den größten Musikfestivals, in den bedeutendsten Konzerthäusern, mit den berühmtesten Orchestern und unter den renommiertesten Dirigenten der Welt! Noch heute zeigt er gerne ein Dankschreiben von Gottfried von Einem her, dessen Klavierkonzerte er einspielte, oder ein Empfehlungsschreiben Claudio Abados, der ihn als exzellenten Pianisten und Organisten bezeichnet.
Lehrbaumer – und das ist seine ganz persönliche Note – „verkommt“ dabei aber nicht zum Spezialisten, „der nach 20 Jahren leer ist“, sondern bleibt, wie es seinem Naturell entspricht, breit aufgestellt. Er reüssiert international als Pianist und zugleich – eine absolute Ausnahme im Musikbetrieb – als Solo-Organist. Er dirigiert, er tritt als künstlerischer Leiter diverser Festivals in Erscheinung und, eine ganz große Leidenschaft, wie man herauszuhören vermeint, er gibt sein Wissen als Lehrer in Meisterkursen weiter. „Ich versuche den Studenten Wegweiser zu zeigen, damit sie Abkürzer nehmen können und sich unnötige Wege ersparen.“ Das klingt weniger nach Musik, als nach Lebensschule, und tatsächlich möchte Lehrbaumer seinen Eleven ein gewisses philosophisches Rüstzeug mit auf den Weg geben. „Manche Lehrer lassen sich ja gerne anbeten, als Stars feiern. Das kann und will ich nicht. Im Gegenteil: Ich möchte den Leuten bewusst machen: ‚Schaff dir keine Gurus. All dein Talent steckt in dir selbst. Bleib dir treu!‘ Das ist die Message!“
Balance
Eine Botschaft, die Lehrbaumer auch selbst lebt und zu seinen Grundsätzen zählt, ebenso wie Inspiration und Balance. „Inspiration ist eine der wichtigsten Dinge überhaupt. Sie steht für die Faszination des Lebens, wobei es nicht nur darum geht, inspiriert zu werden, sondern auch zu inspirieren!“ Gerade diese Wechselseitigkeit, dieses Ausgleichende scheint in Lehrbaumers Leben das übergeordnete Prinzip schlechthin zu sein. „Es geht um Balance! Du kannst nicht nur geben, ebensowenig kannst du nur empfangen. Da muss ein Ausgleich stattfinden. Wenn du etwa als Lehrer dein Wissen nur weitergibst, selbst aber stehen bleibst und dich nicht mehr weiterentwickelst, wirst du schnell vertrotteln. Nur die Balance, die Inspiration lassen dich lebendig bleiben!“
Diese Lebendigkeit spürt man regelrecht, und sie geht mit einer dritten, unausgesprochenen Eigenschaft einher: Gelassenheit. Das widerspricht nicht dem Umstand, dass Lehrbaumer sich 100%ig ins Zeug hängt und vor manch Auftritt so angespannt und konzentriert ist „dass ich weder links noch rechts schaue, was manche mir schon fälschlicherweise als Arroganz ausgelegt haben.“ Aber Gelassenheit ist eine Tugend, die er sich selbst erst über die Jahre, durch das Leben selbst angeeignet hat. „Man kann nichts erzwingen, bzw. man kann vielleicht sogar manches erzwingen, von dem man sich einbildet, es muss so sein – aber ob der darauf fußende Erfolg wirklich zum Glück und zur Zufriedenheit führt, das ist die Frage.“
Dass sein Leben ausgefüllt und glücklich ist, daran lässt er keinen Zweifel. „Vieles hat sich einfach so ergeben. Mein Leben ist unglaublich spannend, ich habe eine Riesenfreude an all den Dingen, die ich machen darf, und ich habe eine Frau, die unglaublich verständnisvoll ist. Wenn ich mir wünschen dürfte, wie es sein sollte – dann genau so!“