Literatur...Etcetera
Ausgabe
Die Literarische Gesellschaft St. Pölten feiert ihr 25jähriges Bestehen. Das MFG gratuliert und Thomas Fröhlich, bekennendes Mitglied der Kulturinstitution und jahrelang Redakteur der Zeitschrift Etcetera, lässt ein Vierteljahrhundert regionaler Literaturgeschichte Revue passieren.
Eigentlich geht man nicht mehr zu einer Lesung, sondern auf eine Lesung. Ähnlich, wie man halt auch auf ein Konzert oder eine Party ginge.“ Meint Thomas Havlik, Poetry Slam-Master vor seinem Auftritt im Cinema Paradiso am 15. April dieses Jahres. Was das mit der Literarischen Gesellschaft St. Pölten (kurz: LitGes) zu tun hat? Viel.
Schließlich hat der langjährige LitGes-Aktivist Havlik (gemeinsam mit dem Schreiber dieser Zeilen) schon 2003 unter dem Namen Litarena Litges Lounge im EGON die ersten Poetry Slams in St. Pölten durchgeführt, zu einer Zeit also, als das alles noch neu und gar nicht Mainstream war. Und Poetry Slams haben nun einmal mit einer herkömmlichen Lesung gerade einmal das geschriebene und gesprochene Wort gemeinsam. Doch während man bei einer Lesung üblicherweise hübsch artig auf seinem Sessel sitzt und mehr oder weniger ergriffen – auf jeden Fall aber still ergriffen – den tiefgründigen Ausführungen des Schriftstellers oder der Schriftstellerin lauscht, gehört ja interaktives Verhalten (Jubeln, Schimpfen, Klatschen, Buuuh-Rufen) beim Slam zum guten Ton.
Facettenreichtum
Die LitGes pflegt jedenfalls beide Facetten der Literaturvermittlung.
Und offensichtlich nicht ganz erfolglos.
Denn sieht man sich die aus dem Großraum St. Pölten stammenden Autorinnen und Autoren der letzten Zeit an, die auch überregional bekannt und erfolgreich sind, so ist ein Großteil derer entweder selbst aktives LitGes-Mitglied oder zumindest LitGes-nahe zu nennen. Die Literatinnen Cornelia Travnicek und Milena Michiko Flasar etwa oder der Thriller-Schreiber Andreas Gruber (der grad mit dem Roman „Rachesommer“ dabei ist, die Bestseller-Listen zu entern) sind nur einige, die nicht zuletzt bei LitGes-Veranstaltungen oder in der von der LitGes herausgegebenen Zeitschrift Etcetera nachhaltig ihr Publikum gefunden haben. Und auch die beiden Youngster-of-Arts-Preisträger 2010, die Autorin und Filmemacherin Jessica Lind und der Rapper Chill-Ill sind sowohl Slam- als auch LitGes-erprobt.
„Die Litges, das ist mein literarisches Zuhause,“ streut Lind Rosen. „Das immer liebevoll gestaltete Heft Etcetera aufschlagen, das ist wie die Kartoffelpuffer von meiner Oma. Mit der Litarena bin ich groß geworden, das erste Mal auf der Bühne gestanden beim Poetry Slam 2005. Gezittert wie ein Häufchen Espenlaub. Aber auch Bühnenluft geschnuppert und süchtig geworden, nach dem geschriebenen Wort.“
Häutungen
Doch auch schon in früheren Jahren war die LitGes nicht untätig. Und nicht nur einmal hat sie sich im Laufe ihrer inzwischen ein Vierteljahrhundert dauernden Geschichte gleichsam gehäutet und neu erfunden. Was klarerweise nicht immer ganz ohne Bruchstellen abging.
„Literaturvereine fallen nicht vom Himmel, zunächst fallen sie jemandem ein,“ so der inzwischen in den wohlverdienten Ruhestand getretene Schriftsteller und Historiker (sowie LitGes-Urgestein) Alois Eder. Die Grundidee ist ja denkbar einfach: Ein paar Literaturverrückte (Autoren, Vermittler oder „nur“ Interessierte) gründen eine Vereinigung, die sich der Beschäftigung mit Literatur und deren Förderung verschreibt. 1985 setzten Eder, der Schriftsteller Günther Stingl, der damalige St. Pöltner Kulturamtsleiter Karl Gutkas und einige mehr diese Idee um. Als Nachfolgeprojekt der von Klaus Sandler betreuten literarischen Publikation „das pult“ begann man die Zeitschrift „Limes“ heraus zu geben: ein Podium für (nicht nur) St. Pöltner Autoren, dessen Erscheinungsbild übrigens der jetzige Künstlerbund-Chef Ernest Kienzl prägte.
Waren die Anfangsjahre eher von einer Insider-Orientierung des Vereines geprägt, so änderte sich das in den späten 90ern recht massiv. Mit der Autorin Doris Kloimstein als Obfrau, gefolgt von der Malerin Eva Riebler, erhielten die jeweiligen Heftpräsentationen des „Etcetera“, wie die Weiterführung des Limes nun hieß, beinahe schon Performance-Charakter und waren nun auch für ein breiteres Publikum abseits der traditionellen Literaturghettos interessant. Zudem gelang es, ein funktionierendes Netzwerk von und für Literaten aufzubauen. Was früher vielleicht den charmanten Old School-Touch von Literaturkränzchen hatte, machte nun einer größeren Öffnung nach außen bei gleichzeitig verstärkter Hinwendung zu erhöhter Textqualität Platz. Der Jour Fixe, allmonatlicher Treffpunkt für Literaturinteressierte, die Schreibwochen im Waldviertel, verschiedenartige, übers ganze Jahr verteilte literarische Aktivitäten sowie das Andocken an benachbarte Kunstformen wie Malerei, Musik oder Film ließen das LitGes-Image kantiger und zugleich selbstbewusster erscheinen.
Reibung und Output
Doch sind Richtungsentscheidungen auch immer Entscheidungen für oder gegen Personen – und so kam es, dass die eigenen Befindlichkeiten (nicht nur mancher Vorständler) in der Wahrnehmung mancher mitunter wichtiger erschienen als die Vereinstätigkeiten selbst. „In der LitGes wird ja eh nur dauernd g’stritten!“, war ein in St. Pölten durchaus oft gehörter Satz. Sieht man sich allerdings den literarischen und auch veranstalterischen Output der 2000er-Jahre an, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. Die von Havlik konzipierte Litarena beispielsweise, eine fixe Einrichtung einer Publikationsmöglichkeit für Autorinnen und Autoren unter 27 im Rahmen des Etcetera, ist ein Teil davon. Dazu gesellen sich die alle zwei Jahre vergebenen LitArena-Literaturpreise sowie besagte Poetry Slams und – last but not least – die viermal im Jahr erscheinenden, inzwischen oft beinahe buchdicken Etcetera-Ausgaben, bei denen spannende Texte von (noch) No-Names gleichberechtigt neben denen von Literatur-Stars wie Elfriede Jelinek oder Franzobel stehen. Abgerundet wird das Etcetera durch im besten Sinne des Wortes eigen-sinnige Bildbeiträge, etwa der Fotografin Hermi Pohl, des Malers Manuel Gras, des VJs Markus Polivka oder des Trash-Allrounders Karl Kilian, der mit seinen noisigen Sounds auch die Slams untermalt, wenn er nicht gerade die Theaterwerkstatt des NÖ Landestheaters oder das Wiener rhiz beschallt.
Seit 2003 hat nun Eva Riebler die Obfrauenschaft inne, unterstützt unter anderem von der Malerin Ingrid Reichel, nunmehr Chefredakteurin des Etcetera. Überhaupt ist eine – mancherorts auch kritisch betrachtete – personelle Gewichtung in Richtung bildender Kunst festzustellen, was aber der Literaturbegeisterung der Verantwortlichen keinen Abbruch tut. Vielleicht ermöglicht ja gerade dieser unvoreingenommene Blick letztendlich eine erhöhte Offenheit gegenüber nicht-kanonisierter (sprich: junger und frischer) Literatur/Kunst-Produktion, die bei einer ausschließlich schriftstellerischen Orientierung nicht zwangsläufig gegeben wäre.
Riebler bringt’s – nicht ganz uneigennützig – auf den Punkt: „Die LitGes ist für mich ein Muss, sonst würd’ ich mir neben Beruf und Familie zu wenig Zeit nehmen Bücher zu lesen, aufs Philosophikum Lech zu fahren usw. Ich hätte nie mit Franz Schuh, Köhlmeier, Schmidt-Dengler, Elfriede Gerstl oder Kurt Palm geplaudert.“
Schließlich heißt’s beim Etcetera als immer wiederkehrender Zusatz zum Titel: „Literatur … und so weiter“.
Dazu nochmals Preisträgerin Lind: „Literatur und so weiter – das ist so viel mehr, das sind meine Wurzeln.“ Und an die LitGes gerichtet, beinahe überschwänglich: „Ihr habt mich begleitet und da kann man gar nichts zurückgeben, sondern nur Danke sagen. Und alles Gute zu eurem 25. Geburtstag!“
Dem kann man sich eigentlich nur anschließen.
Und ein Viertel aufs Viertel trinken.
Dazu Kartoffelpuffer. Versteht sich.
Meinungen zum Thema:
Obfrau Eva Riebler:
„Die LitGes ist für mich ein Muss!“
Alois Eder:
„Literaturvereine fallen nicht vom Himmel, zunächst fallen sie jemandem ein.“
Jessica Lind:
„Literatur und So weiter - das ist so viel mehr, das sind meine Wurzeln.“
Schließlich hat der langjährige LitGes-Aktivist Havlik (gemeinsam mit dem Schreiber dieser Zeilen) schon 2003 unter dem Namen Litarena Litges Lounge im EGON die ersten Poetry Slams in St. Pölten durchgeführt, zu einer Zeit also, als das alles noch neu und gar nicht Mainstream war. Und Poetry Slams haben nun einmal mit einer herkömmlichen Lesung gerade einmal das geschriebene und gesprochene Wort gemeinsam. Doch während man bei einer Lesung üblicherweise hübsch artig auf seinem Sessel sitzt und mehr oder weniger ergriffen – auf jeden Fall aber still ergriffen – den tiefgründigen Ausführungen des Schriftstellers oder der Schriftstellerin lauscht, gehört ja interaktives Verhalten (Jubeln, Schimpfen, Klatschen, Buuuh-Rufen) beim Slam zum guten Ton.
Facettenreichtum
Die LitGes pflegt jedenfalls beide Facetten der Literaturvermittlung.
Und offensichtlich nicht ganz erfolglos.
Denn sieht man sich die aus dem Großraum St. Pölten stammenden Autorinnen und Autoren der letzten Zeit an, die auch überregional bekannt und erfolgreich sind, so ist ein Großteil derer entweder selbst aktives LitGes-Mitglied oder zumindest LitGes-nahe zu nennen. Die Literatinnen Cornelia Travnicek und Milena Michiko Flasar etwa oder der Thriller-Schreiber Andreas Gruber (der grad mit dem Roman „Rachesommer“ dabei ist, die Bestseller-Listen zu entern) sind nur einige, die nicht zuletzt bei LitGes-Veranstaltungen oder in der von der LitGes herausgegebenen Zeitschrift Etcetera nachhaltig ihr Publikum gefunden haben. Und auch die beiden Youngster-of-Arts-Preisträger 2010, die Autorin und Filmemacherin Jessica Lind und der Rapper Chill-Ill sind sowohl Slam- als auch LitGes-erprobt.
„Die Litges, das ist mein literarisches Zuhause,“ streut Lind Rosen. „Das immer liebevoll gestaltete Heft Etcetera aufschlagen, das ist wie die Kartoffelpuffer von meiner Oma. Mit der Litarena bin ich groß geworden, das erste Mal auf der Bühne gestanden beim Poetry Slam 2005. Gezittert wie ein Häufchen Espenlaub. Aber auch Bühnenluft geschnuppert und süchtig geworden, nach dem geschriebenen Wort.“
Häutungen
Doch auch schon in früheren Jahren war die LitGes nicht untätig. Und nicht nur einmal hat sie sich im Laufe ihrer inzwischen ein Vierteljahrhundert dauernden Geschichte gleichsam gehäutet und neu erfunden. Was klarerweise nicht immer ganz ohne Bruchstellen abging.
„Literaturvereine fallen nicht vom Himmel, zunächst fallen sie jemandem ein,“ so der inzwischen in den wohlverdienten Ruhestand getretene Schriftsteller und Historiker (sowie LitGes-Urgestein) Alois Eder. Die Grundidee ist ja denkbar einfach: Ein paar Literaturverrückte (Autoren, Vermittler oder „nur“ Interessierte) gründen eine Vereinigung, die sich der Beschäftigung mit Literatur und deren Förderung verschreibt. 1985 setzten Eder, der Schriftsteller Günther Stingl, der damalige St. Pöltner Kulturamtsleiter Karl Gutkas und einige mehr diese Idee um. Als Nachfolgeprojekt der von Klaus Sandler betreuten literarischen Publikation „das pult“ begann man die Zeitschrift „Limes“ heraus zu geben: ein Podium für (nicht nur) St. Pöltner Autoren, dessen Erscheinungsbild übrigens der jetzige Künstlerbund-Chef Ernest Kienzl prägte.
Waren die Anfangsjahre eher von einer Insider-Orientierung des Vereines geprägt, so änderte sich das in den späten 90ern recht massiv. Mit der Autorin Doris Kloimstein als Obfrau, gefolgt von der Malerin Eva Riebler, erhielten die jeweiligen Heftpräsentationen des „Etcetera“, wie die Weiterführung des Limes nun hieß, beinahe schon Performance-Charakter und waren nun auch für ein breiteres Publikum abseits der traditionellen Literaturghettos interessant. Zudem gelang es, ein funktionierendes Netzwerk von und für Literaten aufzubauen. Was früher vielleicht den charmanten Old School-Touch von Literaturkränzchen hatte, machte nun einer größeren Öffnung nach außen bei gleichzeitig verstärkter Hinwendung zu erhöhter Textqualität Platz. Der Jour Fixe, allmonatlicher Treffpunkt für Literaturinteressierte, die Schreibwochen im Waldviertel, verschiedenartige, übers ganze Jahr verteilte literarische Aktivitäten sowie das Andocken an benachbarte Kunstformen wie Malerei, Musik oder Film ließen das LitGes-Image kantiger und zugleich selbstbewusster erscheinen.
Reibung und Output
Doch sind Richtungsentscheidungen auch immer Entscheidungen für oder gegen Personen – und so kam es, dass die eigenen Befindlichkeiten (nicht nur mancher Vorständler) in der Wahrnehmung mancher mitunter wichtiger erschienen als die Vereinstätigkeiten selbst. „In der LitGes wird ja eh nur dauernd g’stritten!“, war ein in St. Pölten durchaus oft gehörter Satz. Sieht man sich allerdings den literarischen und auch veranstalterischen Output der 2000er-Jahre an, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. Die von Havlik konzipierte Litarena beispielsweise, eine fixe Einrichtung einer Publikationsmöglichkeit für Autorinnen und Autoren unter 27 im Rahmen des Etcetera, ist ein Teil davon. Dazu gesellen sich die alle zwei Jahre vergebenen LitArena-Literaturpreise sowie besagte Poetry Slams und – last but not least – die viermal im Jahr erscheinenden, inzwischen oft beinahe buchdicken Etcetera-Ausgaben, bei denen spannende Texte von (noch) No-Names gleichberechtigt neben denen von Literatur-Stars wie Elfriede Jelinek oder Franzobel stehen. Abgerundet wird das Etcetera durch im besten Sinne des Wortes eigen-sinnige Bildbeiträge, etwa der Fotografin Hermi Pohl, des Malers Manuel Gras, des VJs Markus Polivka oder des Trash-Allrounders Karl Kilian, der mit seinen noisigen Sounds auch die Slams untermalt, wenn er nicht gerade die Theaterwerkstatt des NÖ Landestheaters oder das Wiener rhiz beschallt.
Seit 2003 hat nun Eva Riebler die Obfrauenschaft inne, unterstützt unter anderem von der Malerin Ingrid Reichel, nunmehr Chefredakteurin des Etcetera. Überhaupt ist eine – mancherorts auch kritisch betrachtete – personelle Gewichtung in Richtung bildender Kunst festzustellen, was aber der Literaturbegeisterung der Verantwortlichen keinen Abbruch tut. Vielleicht ermöglicht ja gerade dieser unvoreingenommene Blick letztendlich eine erhöhte Offenheit gegenüber nicht-kanonisierter (sprich: junger und frischer) Literatur/Kunst-Produktion, die bei einer ausschließlich schriftstellerischen Orientierung nicht zwangsläufig gegeben wäre.
Riebler bringt’s – nicht ganz uneigennützig – auf den Punkt: „Die LitGes ist für mich ein Muss, sonst würd’ ich mir neben Beruf und Familie zu wenig Zeit nehmen Bücher zu lesen, aufs Philosophikum Lech zu fahren usw. Ich hätte nie mit Franz Schuh, Köhlmeier, Schmidt-Dengler, Elfriede Gerstl oder Kurt Palm geplaudert.“
Schließlich heißt’s beim Etcetera als immer wiederkehrender Zusatz zum Titel: „Literatur … und so weiter“.
Dazu nochmals Preisträgerin Lind: „Literatur und so weiter – das ist so viel mehr, das sind meine Wurzeln.“ Und an die LitGes gerichtet, beinahe überschwänglich: „Ihr habt mich begleitet und da kann man gar nichts zurückgeben, sondern nur Danke sagen. Und alles Gute zu eurem 25. Geburtstag!“
Dem kann man sich eigentlich nur anschließen.
Und ein Viertel aufs Viertel trinken.
Dazu Kartoffelpuffer. Versteht sich.
Meinungen zum Thema:
Obfrau Eva Riebler:
„Die LitGes ist für mich ein Muss!“
Alois Eder:
„Literaturvereine fallen nicht vom Himmel, zunächst fallen sie jemandem ein.“
Jessica Lind:
„Literatur und So weiter - das ist so viel mehr, das sind meine Wurzeln.“