St. Pölten schiesst scharf
Ausgabe
„Polizist erschießt Jugendlichen“, „Trafikant erschießt Einbrecher“, „Ganove erschießt Polizist“ – Schlagzeilen wie diese dominierten die letzten Monate die Medien und vermittelten den Eindruck, dass der Finger am Abzug allzu locker sitzt. Wir wollten wissen, wie man überhaupt zu einer Waffe kommt in diesem Staat, und wie es so aussieht mit der Waffenlobby in St. Pölten.
Der Weg zur Waffe
Um den Weg zur Waffenbesitzkarte nachzuzeichnen, haben wir eine potenzielle Testperson auf den Weg geschickt, denn, wie es der Zufall will: Ein Kollege möchte sich seit längerem eine Waffenbesitzkarte zulegen. „Warum das denn?“, so der allgemeine Tenor in der Redaktion. Gegenfrage: „Warum nicht? Ich sehe kein Risiko im Besitz einer Waffe, sofern man sich an die gesetzlichen Vorschriften hält. Und ich schieße eben gerne.“
Der Weg zum Waffenbesitz beginnt bei Polizei oder Bezirkshauptmannschaft. Dort erhält man zunächst grundlegende Informationen zum Thema Waffenbesitz und meldet sich an.
In einem nächsten Schritt steht ein verpflich-tendes psychologisches Gespräch an, das – was doch einigermaßen überrascht – am Kuratorium für Verkehrssicherheit abgelegt wird. „Die Waffenrechtliche Verlässlichkeitsprüfung besteht aus einem standardisierten Persönlichkeitsfragebogen, und darauf aufbauend einem persönlichen psychologischen Gespräch, anhand dessen dann ein Befund gegeben werden kann“, erläutert Rainer Kastner vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. Worüber wird dabei gesprochen? „Es werden hauptsächlich Dinge wie die Motivation abgefragt, außerdem erhält die Person noch Informationen zur Verwahrung der Waffe und deren Gebrauch“, wobei der Experte als größtes Problem eine Art Gutachtentourismus ortet. „Es wird vom Gesetz nur verlangt, ein positives Gutachten vorzuweisen. Das heißt, wenn ich einen negativen Befund abgebe, kann die Person einfach so lange zu anderen Psychologen gehen, bis sie einen positiven Befund in Händen hält! “ Und was kann zu einem negativen Befund führen? „Dafür gibt es tausende Gründe. Es hängt sehr stark von den Persönlichkeitsmerkmalen ab. Wie kommt die Person mit Stress zurecht, wie reagiert sie in Konfliktsituationen, ist sie gewaltbereit… Ein Psychologe braucht auf jeden Fall jahrelange analytische Erfahrung, um solche Gutachten ausstellen zu dürfen.“ Dass man all dies aus einem einzigen Gespräch herauslesen kann, scheint allerdings fraglich.
Nach dem Gespräch muss noch beim Waffenhändler oder beim Schützenverein ein sogenannter „Waffenführerschein“ erworben werden. „Beim Waffenführerschein geht es um die gesetzlichen Richtlinien, den richtigen Transport der Waffe sowie deren Aufbewahrung. Es wird auf Gefahrenmomente bei der Benützung hingewiesen, und man erfährt zusätzlich zur praktischen Belehrung auch, wo und wann man schießen darf!“, so unser Testpilot, der betont: „Man muss sich in jedem Moment bewusst sein, dass man eine Waffe in Händen hält!“
Gefährdete Gruppen?
Stellt sich als nächstes die Frage, wie es die laut Gesetz gefährdeten Berufsgruppen mit dem Waffenbesitz halten? Führen viele eine Waffe bei sich? Zwar räumt etwa Andi Novosad, Taxifahrer bei Rittner, gewisse Gefahrenmomente bei seinem Job ein „vor drei Jahren wurde ich von einem Fahrgast, der nicht bezahlen wollte, mit einem Messer attackiert“, dennoch kann er sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, eine Waffe im Auto mitzuführen: „Ich hätte einfach Angst, dass ich in eine Situation komme, in der ich sie womöglich einsetze.“ Auch sein Chef, Joe Rittner, schlägt in diese Kerbe: „In einem Taxi hat eine Waffe nichts verloren! Es stellt sich nämlich die Frage, wer die Waffe dann letztendlich verwendet. So gesehen ist es sicherer, gleich gar keine mitzuführen.“ Ein Waffengegner ist er allerdings nicht: „Ich habe selber eine Waffe. Das ist ein liebes Hobby, wenn es die richtigen Personen im richtigen Rahmen ausüben.“
Auch die junge Taxilenkerin Carina Ringelhahn vertraut auf andere Verteidigungsmittel. „So gefährlich ist Taxifahren auch wieder nicht, außerdem hab ich eh immer einen Pfefferspray mit.“ Hat sie ihn schon einmal benützt? „Nein!“
Auch in Trafikanten-Kreisen ist die Waffenfrage umstritten. „Ich bin schon dafür, dass Trafikanten Waffen haben dürfen – die Kriminalität wird ja doch immer mehr“, meint etwa eine Angestellte der Trafik Bauer, wenngleich die Trafik noch nie Opfer eines Überfalls wurde. „Wir sind ja im Einkaufszentrum situiert, da haben wir gleich unten die Polizei.“ Gefahren für seinen Berufsstand ortet auch ein Mitarbeiter der Trafik Kovar in der Linzerstrasse, „Waffenbesitz ist allerdings keine Lösung!“
Hobbyschützen
Dann kommen wir als nächstes zu jenen, die just for fun schießen. Diesbezüglich führt der Weg unweigerlich über die „Privilegierte Schützenkompagnie St. Pölten“ im Hammerpark. Gegründet wurde der Verein 1540 und zählt damit zu den ältesten Vereinen Österreichs überhaupt, der anno dazumal auch kaiserliche Weihen erfuhr. So besuchte Kaiser Franz Josef die Schießstätte zuletzt 1910. Da das Wetter keine Schießübungen zulässt, sind die meisten Mitglieder gerade beim Essen im Aufenthaltsraum, als wir aufkreuzen. Wir setzen uns mit Schützenrat Walter Lechner sowie Oberschützenmeister Josef Figl zusammen. Wie wird man überhaupt Mitglied im Verein? „Prinzipiell kann jeder Mitglied werden. Besonders wichtig ist, dass wir Vertrauen zu der Person aufbauen“, erläutert Lechner das Eintrittsszenario. Und wie weiß man, ob jemand vertrauenswürdig ist? „Er schießt eine Zeit lang als Gast mit und bekommt erst später den Mitgliedsstatus.“ Im Verein selbst sind hauptsächlich Sportschützen anzutreffen, wobei man ein Problem mit vielen anderen Vereinen teilt: fehlender Nachwuchs. „Schießsport ist ein sterbender Sport“, meint Figl trocken. „Vor 20, 30 Jahren gab es noch eine große Anzahl von Schützen, heute sind es nur mehr wenige.“ Was besonders an Schützenvereinen ist: Mitglieder brauchen nicht unbedingt eine Waffenbesitzkarte, sondern können sich die Schießeisen vom Verein ausborgen „mit nach Hause nehmen dürfen sie diese aber natürlich nicht!“
Und wie beurteilen die Herren das österreichische Waffengesetz? „Das ist zu streng“, findet Figl „es kriminalisiert ja geradezu die Waffenbesitzer, die legal eine Waffe erworben haben – aber was ist mit den illegalen Waffen?“ Gerade darin sieht der Oberschützenmeister das Hauptproblem, damit würden auch die meisten Verbrechen mit Schusswaffengebrauch begangen. Deshalb regen ihn auch Diskussionen um das Verhalten jenes Trafikanten, der einen Einbrecher erschossen hat, auf. „Die sollen arbeiten gehen und net einbrechen. Wenn ein Polizist bei der Arbeit angeschossen wird, dann sagt keiner etwas, da heißt es ganz logischerweise ‚Berufsrisiko‘. Nun, bei den Einbrechern ist es genauso Berufsrisiko.“ Auch die verfassungsrechtlich verankerte Eigenheimverteidigung, deren Sinnhaftigkeit von vielen in Frage gestellt wird, relativiert Figl: „Wissen Sie – Eigenheimverteidigung ist mit der Besitzkarte theoretisch gar nicht möglich. Bis ich meine Waffe nämlich aus dem verschlossenen Schrank geholt und geladen hab, ist der Einbrecher schon wieder weg.“ Stellt sich natürlich die Frage, wofür man dann überhaupt noch eine Besitzkarte braucht? „In der Form, wie sie existiert, ist sie ohnedies nur mehr für Waffensammler und Sportschützen interessant.“ Waffenfreaks gäbe es im Verein nicht, auch niemand, der sich eine Waffe kauft, nur um sich zu Hause sicherer zu fühlen. „Ich habe mich selber eigentlich noch nie mit dem Sicherheitsgedanken beschäftigt“, so Figl.
Und was ist überhaupt das Faszinierende am Schießen? „Beim Schießsport braucht man viel Ehrgeiz, Konzentration – die geistige Komponente ist extrem wichtig“, gerät Lechner ins Schwärmen. Auf professionelle Schützen, die auch internationale Bewerbe bestreiten, wartet hartes körperliches Training. Im St. Pöltner Verein tummeln sich aber vorwiegend Hobbyschützen, „die den Sport zum Vergnügen ausüben.“ Der Sport selbst sei nicht gefährlich, weil es ganz klare Regeln am Schießstand gibt. „Wenn einer reinkommt und meint, er muss gleich seine Waffe auspacken und herumzeigen, kann er gleich wieder heim gehen“, so Figl. Mit Blick auf den Esstisch, um den einige Vereinsmitglieder sitzen, fügt Lechner hinzu „Letztlich ist uns die gesellschaftliche Komponente sehr wichtig. Man kennt sich untereinander, auch die Schützen von anderen Vereinen.“
Polizeischützenverein
Bleibt zuletzt noch der Weg zum zweiten großen Schützenverein St. Pöltens, dem Polizeischützenverein. Dessen Schießstand befindet sich am Kalvarienberg. Wir kommen unangemeldet, was zunächst für leichte Irritation sorgt – wer weiß schon, was wir Medienfritzen alles schreiben werden. Schließlich plauschen wir aber mit Vereinsobmann Oberschützenmeister Reinhard Arlt, der das seiner Meinung nach „durch die Medien verzerrte Bild des Schießsportes“ zurechtrücken will. „Schießen ist der sicherste Sport – wegen der Disziplin!“ Nachsatz: „Wenn man sich an das Gesetz hält, dürfte eigentlich gar nichts passieren.“ Also ist das Waffengesetz in Österreich in Ordnung wie es ist? „Ja! Das Versperren der Waffe ist wichtig, vor allem wenn Kinder im Haus sind.“ Trotzdem hört man bisweilen von schlimmen Unfällen. Für Arlt nur Ergebnis falscher Erziehung. „Ich habe meinen Kindern die Waffe einmal gezeigt und erklärt, was das ist – damit geht der Reiz des Verbotenen verloren.“ In Punkto Eigenheimschutz schlägt er in dieselbe Kerbe wie Figl: „Das Sicherheitsgefühl ist halt sehr subjektiv. Manche fühlen sich sicherer wenn sie einen grünen Pullover anziehen, andere wenn sie eine Waffe im Haus haben. In der Praxis verhindern die strengen Auflagen bei der Verwahrung aber meistens die Verteidigung mit der Waffe.“ Dann wäre aber doch der Waffenbesitz zuhause ohnedies nicht notwendig, also warum nicht gleich ein generelles Waffenverbot. Arlt winkt ab: „Das ist nicht zielführend. Seit in England Waffen verboten sind, verkauft die russische Mafia soviele Waffen wie noch nie!“
Nachwuchssorgen plagen Arlt im übrigen nicht. „Derzeit gibt es sogar einen Aufnahmestopp, weil der Verein so viele Mitglieder hat!“
Und so neigt sich unsere Reise durch St. Pöltens Waffenwelt dem Ende zu. Schießen ist ein Sport wie jeder andere, den – entgegen manch Vorurteils – nicht nur „Waffennarren“ ausüben. Soweit so gut. Dennoch darf man das Waffengesetz, insbesondere in seiner Argumentation der Eigenheimverteidigung, hinterfragen. Waffenbesitz an sich impliziert immer Gefahr. Ein Schuss ist schnell abgegeben, die Konsequenzen währen ein Leben lang.
Infos zum Thema:
Waffenrecht
Prinzipiell hat jeder volljährige österreichische Staatsbürger das Recht auf eine Waffe, begründet wird dies mit dem Bedürfnis nach „Eigenheimverteidigung“. Ein Passus, der etwa in Großbritannien schon seit 1946 aus dem Gesetz gestrichen ist. Um in Österreich eine Waffe bei sich zu führen, benötigt man einen Waffenpass. Die Waffenbesitzkarte hingegen erlaubt zwar, eine Waffe zu Hause zu lagern, diese darf aber nur ungeladen und ausschließlich auf dem Weg zum Schießplatz und Büchsenmacher transportiert werden. Ein dauerndes Tragen der Waffe ist nicht gestattet. Die Verwahrung unterliegt strengen Auflagen: Munition und Waffe dürfen für Dritte nicht erreichbar sein.
Besitzt man einen Waffenpass, darf man die Waffe bei sich führen, allerdings gilt das nur für, vom Gesetz genau definierte, gefährdete Berufsgruppen wie Taxifahrer, Trafikanten, Tankstellenbesitzer…
„Generell werden immer weniger Pässe und immer mehr Besitzkarten ausgestellt“, so Oberschützenmeister Reinhard Arlt. Unter diese Regelungen fallen v.a. Faustfeuerwaffen – Gewehre etwa dürfen nach Registrierung und Ablauf einer dreitägigen Wartefrist auch ohne entsprechende Berechtigung erworben werden. Im Bezirk St. Pölten sind 2290 Waffenbesitzkarten und 1900 Waffenpässe ausgestellt, in St. Pölten Stadt 953 Waffenbesitzkarten sowie 630 Waffenpässe.
Um den Weg zur Waffenbesitzkarte nachzuzeichnen, haben wir eine potenzielle Testperson auf den Weg geschickt, denn, wie es der Zufall will: Ein Kollege möchte sich seit längerem eine Waffenbesitzkarte zulegen. „Warum das denn?“, so der allgemeine Tenor in der Redaktion. Gegenfrage: „Warum nicht? Ich sehe kein Risiko im Besitz einer Waffe, sofern man sich an die gesetzlichen Vorschriften hält. Und ich schieße eben gerne.“
Der Weg zum Waffenbesitz beginnt bei Polizei oder Bezirkshauptmannschaft. Dort erhält man zunächst grundlegende Informationen zum Thema Waffenbesitz und meldet sich an.
In einem nächsten Schritt steht ein verpflich-tendes psychologisches Gespräch an, das – was doch einigermaßen überrascht – am Kuratorium für Verkehrssicherheit abgelegt wird. „Die Waffenrechtliche Verlässlichkeitsprüfung besteht aus einem standardisierten Persönlichkeitsfragebogen, und darauf aufbauend einem persönlichen psychologischen Gespräch, anhand dessen dann ein Befund gegeben werden kann“, erläutert Rainer Kastner vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. Worüber wird dabei gesprochen? „Es werden hauptsächlich Dinge wie die Motivation abgefragt, außerdem erhält die Person noch Informationen zur Verwahrung der Waffe und deren Gebrauch“, wobei der Experte als größtes Problem eine Art Gutachtentourismus ortet. „Es wird vom Gesetz nur verlangt, ein positives Gutachten vorzuweisen. Das heißt, wenn ich einen negativen Befund abgebe, kann die Person einfach so lange zu anderen Psychologen gehen, bis sie einen positiven Befund in Händen hält! “ Und was kann zu einem negativen Befund führen? „Dafür gibt es tausende Gründe. Es hängt sehr stark von den Persönlichkeitsmerkmalen ab. Wie kommt die Person mit Stress zurecht, wie reagiert sie in Konfliktsituationen, ist sie gewaltbereit… Ein Psychologe braucht auf jeden Fall jahrelange analytische Erfahrung, um solche Gutachten ausstellen zu dürfen.“ Dass man all dies aus einem einzigen Gespräch herauslesen kann, scheint allerdings fraglich.
Nach dem Gespräch muss noch beim Waffenhändler oder beim Schützenverein ein sogenannter „Waffenführerschein“ erworben werden. „Beim Waffenführerschein geht es um die gesetzlichen Richtlinien, den richtigen Transport der Waffe sowie deren Aufbewahrung. Es wird auf Gefahrenmomente bei der Benützung hingewiesen, und man erfährt zusätzlich zur praktischen Belehrung auch, wo und wann man schießen darf!“, so unser Testpilot, der betont: „Man muss sich in jedem Moment bewusst sein, dass man eine Waffe in Händen hält!“
Gefährdete Gruppen?
Stellt sich als nächstes die Frage, wie es die laut Gesetz gefährdeten Berufsgruppen mit dem Waffenbesitz halten? Führen viele eine Waffe bei sich? Zwar räumt etwa Andi Novosad, Taxifahrer bei Rittner, gewisse Gefahrenmomente bei seinem Job ein „vor drei Jahren wurde ich von einem Fahrgast, der nicht bezahlen wollte, mit einem Messer attackiert“, dennoch kann er sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, eine Waffe im Auto mitzuführen: „Ich hätte einfach Angst, dass ich in eine Situation komme, in der ich sie womöglich einsetze.“ Auch sein Chef, Joe Rittner, schlägt in diese Kerbe: „In einem Taxi hat eine Waffe nichts verloren! Es stellt sich nämlich die Frage, wer die Waffe dann letztendlich verwendet. So gesehen ist es sicherer, gleich gar keine mitzuführen.“ Ein Waffengegner ist er allerdings nicht: „Ich habe selber eine Waffe. Das ist ein liebes Hobby, wenn es die richtigen Personen im richtigen Rahmen ausüben.“
Auch die junge Taxilenkerin Carina Ringelhahn vertraut auf andere Verteidigungsmittel. „So gefährlich ist Taxifahren auch wieder nicht, außerdem hab ich eh immer einen Pfefferspray mit.“ Hat sie ihn schon einmal benützt? „Nein!“
Auch in Trafikanten-Kreisen ist die Waffenfrage umstritten. „Ich bin schon dafür, dass Trafikanten Waffen haben dürfen – die Kriminalität wird ja doch immer mehr“, meint etwa eine Angestellte der Trafik Bauer, wenngleich die Trafik noch nie Opfer eines Überfalls wurde. „Wir sind ja im Einkaufszentrum situiert, da haben wir gleich unten die Polizei.“ Gefahren für seinen Berufsstand ortet auch ein Mitarbeiter der Trafik Kovar in der Linzerstrasse, „Waffenbesitz ist allerdings keine Lösung!“
Hobbyschützen
Dann kommen wir als nächstes zu jenen, die just for fun schießen. Diesbezüglich führt der Weg unweigerlich über die „Privilegierte Schützenkompagnie St. Pölten“ im Hammerpark. Gegründet wurde der Verein 1540 und zählt damit zu den ältesten Vereinen Österreichs überhaupt, der anno dazumal auch kaiserliche Weihen erfuhr. So besuchte Kaiser Franz Josef die Schießstätte zuletzt 1910. Da das Wetter keine Schießübungen zulässt, sind die meisten Mitglieder gerade beim Essen im Aufenthaltsraum, als wir aufkreuzen. Wir setzen uns mit Schützenrat Walter Lechner sowie Oberschützenmeister Josef Figl zusammen. Wie wird man überhaupt Mitglied im Verein? „Prinzipiell kann jeder Mitglied werden. Besonders wichtig ist, dass wir Vertrauen zu der Person aufbauen“, erläutert Lechner das Eintrittsszenario. Und wie weiß man, ob jemand vertrauenswürdig ist? „Er schießt eine Zeit lang als Gast mit und bekommt erst später den Mitgliedsstatus.“ Im Verein selbst sind hauptsächlich Sportschützen anzutreffen, wobei man ein Problem mit vielen anderen Vereinen teilt: fehlender Nachwuchs. „Schießsport ist ein sterbender Sport“, meint Figl trocken. „Vor 20, 30 Jahren gab es noch eine große Anzahl von Schützen, heute sind es nur mehr wenige.“ Was besonders an Schützenvereinen ist: Mitglieder brauchen nicht unbedingt eine Waffenbesitzkarte, sondern können sich die Schießeisen vom Verein ausborgen „mit nach Hause nehmen dürfen sie diese aber natürlich nicht!“
Und wie beurteilen die Herren das österreichische Waffengesetz? „Das ist zu streng“, findet Figl „es kriminalisiert ja geradezu die Waffenbesitzer, die legal eine Waffe erworben haben – aber was ist mit den illegalen Waffen?“ Gerade darin sieht der Oberschützenmeister das Hauptproblem, damit würden auch die meisten Verbrechen mit Schusswaffengebrauch begangen. Deshalb regen ihn auch Diskussionen um das Verhalten jenes Trafikanten, der einen Einbrecher erschossen hat, auf. „Die sollen arbeiten gehen und net einbrechen. Wenn ein Polizist bei der Arbeit angeschossen wird, dann sagt keiner etwas, da heißt es ganz logischerweise ‚Berufsrisiko‘. Nun, bei den Einbrechern ist es genauso Berufsrisiko.“ Auch die verfassungsrechtlich verankerte Eigenheimverteidigung, deren Sinnhaftigkeit von vielen in Frage gestellt wird, relativiert Figl: „Wissen Sie – Eigenheimverteidigung ist mit der Besitzkarte theoretisch gar nicht möglich. Bis ich meine Waffe nämlich aus dem verschlossenen Schrank geholt und geladen hab, ist der Einbrecher schon wieder weg.“ Stellt sich natürlich die Frage, wofür man dann überhaupt noch eine Besitzkarte braucht? „In der Form, wie sie existiert, ist sie ohnedies nur mehr für Waffensammler und Sportschützen interessant.“ Waffenfreaks gäbe es im Verein nicht, auch niemand, der sich eine Waffe kauft, nur um sich zu Hause sicherer zu fühlen. „Ich habe mich selber eigentlich noch nie mit dem Sicherheitsgedanken beschäftigt“, so Figl.
Und was ist überhaupt das Faszinierende am Schießen? „Beim Schießsport braucht man viel Ehrgeiz, Konzentration – die geistige Komponente ist extrem wichtig“, gerät Lechner ins Schwärmen. Auf professionelle Schützen, die auch internationale Bewerbe bestreiten, wartet hartes körperliches Training. Im St. Pöltner Verein tummeln sich aber vorwiegend Hobbyschützen, „die den Sport zum Vergnügen ausüben.“ Der Sport selbst sei nicht gefährlich, weil es ganz klare Regeln am Schießstand gibt. „Wenn einer reinkommt und meint, er muss gleich seine Waffe auspacken und herumzeigen, kann er gleich wieder heim gehen“, so Figl. Mit Blick auf den Esstisch, um den einige Vereinsmitglieder sitzen, fügt Lechner hinzu „Letztlich ist uns die gesellschaftliche Komponente sehr wichtig. Man kennt sich untereinander, auch die Schützen von anderen Vereinen.“
Polizeischützenverein
Bleibt zuletzt noch der Weg zum zweiten großen Schützenverein St. Pöltens, dem Polizeischützenverein. Dessen Schießstand befindet sich am Kalvarienberg. Wir kommen unangemeldet, was zunächst für leichte Irritation sorgt – wer weiß schon, was wir Medienfritzen alles schreiben werden. Schließlich plauschen wir aber mit Vereinsobmann Oberschützenmeister Reinhard Arlt, der das seiner Meinung nach „durch die Medien verzerrte Bild des Schießsportes“ zurechtrücken will. „Schießen ist der sicherste Sport – wegen der Disziplin!“ Nachsatz: „Wenn man sich an das Gesetz hält, dürfte eigentlich gar nichts passieren.“ Also ist das Waffengesetz in Österreich in Ordnung wie es ist? „Ja! Das Versperren der Waffe ist wichtig, vor allem wenn Kinder im Haus sind.“ Trotzdem hört man bisweilen von schlimmen Unfällen. Für Arlt nur Ergebnis falscher Erziehung. „Ich habe meinen Kindern die Waffe einmal gezeigt und erklärt, was das ist – damit geht der Reiz des Verbotenen verloren.“ In Punkto Eigenheimschutz schlägt er in dieselbe Kerbe wie Figl: „Das Sicherheitsgefühl ist halt sehr subjektiv. Manche fühlen sich sicherer wenn sie einen grünen Pullover anziehen, andere wenn sie eine Waffe im Haus haben. In der Praxis verhindern die strengen Auflagen bei der Verwahrung aber meistens die Verteidigung mit der Waffe.“ Dann wäre aber doch der Waffenbesitz zuhause ohnedies nicht notwendig, also warum nicht gleich ein generelles Waffenverbot. Arlt winkt ab: „Das ist nicht zielführend. Seit in England Waffen verboten sind, verkauft die russische Mafia soviele Waffen wie noch nie!“
Nachwuchssorgen plagen Arlt im übrigen nicht. „Derzeit gibt es sogar einen Aufnahmestopp, weil der Verein so viele Mitglieder hat!“
Und so neigt sich unsere Reise durch St. Pöltens Waffenwelt dem Ende zu. Schießen ist ein Sport wie jeder andere, den – entgegen manch Vorurteils – nicht nur „Waffennarren“ ausüben. Soweit so gut. Dennoch darf man das Waffengesetz, insbesondere in seiner Argumentation der Eigenheimverteidigung, hinterfragen. Waffenbesitz an sich impliziert immer Gefahr. Ein Schuss ist schnell abgegeben, die Konsequenzen währen ein Leben lang.
Infos zum Thema:
Waffenrecht
Prinzipiell hat jeder volljährige österreichische Staatsbürger das Recht auf eine Waffe, begründet wird dies mit dem Bedürfnis nach „Eigenheimverteidigung“. Ein Passus, der etwa in Großbritannien schon seit 1946 aus dem Gesetz gestrichen ist. Um in Österreich eine Waffe bei sich zu führen, benötigt man einen Waffenpass. Die Waffenbesitzkarte hingegen erlaubt zwar, eine Waffe zu Hause zu lagern, diese darf aber nur ungeladen und ausschließlich auf dem Weg zum Schießplatz und Büchsenmacher transportiert werden. Ein dauerndes Tragen der Waffe ist nicht gestattet. Die Verwahrung unterliegt strengen Auflagen: Munition und Waffe dürfen für Dritte nicht erreichbar sein.
Besitzt man einen Waffenpass, darf man die Waffe bei sich führen, allerdings gilt das nur für, vom Gesetz genau definierte, gefährdete Berufsgruppen wie Taxifahrer, Trafikanten, Tankstellenbesitzer…
„Generell werden immer weniger Pässe und immer mehr Besitzkarten ausgestellt“, so Oberschützenmeister Reinhard Arlt. Unter diese Regelungen fallen v.a. Faustfeuerwaffen – Gewehre etwa dürfen nach Registrierung und Ablauf einer dreitägigen Wartefrist auch ohne entsprechende Berechtigung erworben werden. Im Bezirk St. Pölten sind 2290 Waffenbesitzkarten und 1900 Waffenpässe ausgestellt, in St. Pölten Stadt 953 Waffenbesitzkarten sowie 630 Waffenpässe.