Festivals-The day after
Ausgabe
Der Festivalsommer ist zu Ende. Die Karawanen der Festivaljünger haben ihre Zelte abgebrochen, die leergeplünderten Lager sind wieder aufgefüllt, der Traisendamm ist gereinigt. Zeit Bilanz zu ziehen und zu fragen, was bleibt... und was kommt?
René Voak, Geschäftsführer des VAZ St. Pölten, wo sowohl das Beatpatrol als auch Kernbereiche des Frequency im wahrsten Sinne des Wortes über die Bühne gingen, ist mit dem Festivalsommer zufrieden. Allen voran freut ihn die gelungene Premiere der Eigenmarke „Beatpatrol Festival“, das rund 20.000 Besucher ansprechen konnte und sich so auf Anhieb unter die Top Five Festivals Österreichs hievte. „Das ist ein beachtliches Ergebnis, denn es ist nie leicht, etwas völlig Neues aus der Taufe zu heben!“
Nicht minder zufrieden zeigt sich Voak als Herbergsgeber fürs Frequency Festival und zollt dem Veranstalter Musicnet und dessen Chef Harry Jenner Anerkennung. „Es hat ja einige Ungewissheiten im Vorfeld gegeben, letztendlich hat von der Organisation her aber alles toll funktioniert.“
Dementsprechend zufrieden ist auch Jenner selbst, der das Frequency Festival von Salzburg in die niederösterreichische Landeshauptstadt lotste. “Prinzipiell war das Frequency ein großer Erfolg. Wir hatten 40.000 Beuscher pro Tag, das waren zufriedene Leute! Es standen – das wird in die Stadtgeschichte St. Pöltens eingehen – Größen wie Grace Jones oder, überhaupt zum allerersten Mal in Österreich, Radiohead auf der Bühne! Der Nightpark stellte eine österreichweite Innovation dar, noch nie fand ein Festival auf einem Kasernenareal statt. Es gab kaum Lärmprobleme, keine Staus und auch der Shuttledienst zwischen Day- und Nightpark hat reibungslos funktioniert! Ja“, fügt er schmunzelnd hinzu „sogar das Wetter war besser als in Salzburg!“
St. Pölten und die Welt
Auch das Feedback der Besucher fällt dementsprechend positiv aus, und wenn es darum geht, ob das Festival nächstes Jahr in St. Pölten oder Salzburg stattfinden soll, geht das Rennen klar für die niederösterreichische Hauptstadt aus. Dies selbst bei vielen, die aus der Westregion (!) anreisen. So heißt es etwa „Salzburg ist für uns 1000 mal besser zu erreichen. Aber der Fluss dieses Jahr war einfach zu geil!“, oder „Naja, die drei Stunden im Auto haben mir nichts ausgemacht. Das ganze Gewurschtl zum Salzburg-Ring hat mich immer angezipft. Nach St. Pölten muss man nur easy der Autobahn folgen.“
Die Festivalbesucher aus der Ostregion waren ob des neuen Frequency-Standortes ohnedies begeistert, wobei sich schon beim Beatpatrol gezeigt hatte, dass auch zahlreiche Besucher aus den Nachbarländern Slowakei, Tschechien oder Ungarn das nahe St. Pölten ansteuern.
Nicht zuletzt verweist Bürgermeister Matthias Stadler noch auf einen weiteren Feel-Good-Faktor. „Die Stadt war ein hervorragender Gastgeber, weil unsere Bürger und Bürgerinnen dieses Festival mit Weltoffenheit, weitgehender Akzeptanz und Toleranz mitgetragen haben.” Das sei keine Selbstverständlichkeit und insbesondere den Anrainern hoch anzurechen. „Das Entgegenkommen der Anrainer hat ermöglicht, dass auch für junge Menschen im Jubiläumsjahr etwas ganz Besonderes auf die Beine gestellt werden konnte.“ Der Bürgermeister verweist damit auf 850 Jahre St. Pölten – die älteste Stadt Österreichs hat ein mehr als zeitgemäßes Lebenszeichen gesetzt.
Ein Blick auf die österreichweite, nein europaweite Berichterstattung von Beatpatrol und Frequency belegt dies eindrucksvoll. „Ich habe mehrere bummvolle Ordner allein mit Printberichten über das Frequency Festival, da sind die Fernseh- und Radiobeiträge noch gar nicht mitgerechnet!“, so Jenner, und Voak berichtet im Hinblick auf Beatpatrol zufrieden über „Fernsehbeiträge auf ORF, Puls4, MTV, GOTV etc.“ Jenner flog diesmal sogar eigens nach England und nach Holland, um dort hiesigen Medien Interviews zu geben „Und da wurde St. Pölten klarerweise immer mitkommunziert. Wir hatten ja an die 1.000 Leute allein aus England!“ Die Pressestelle der Stadt stellte sodenn fest „Der Image- und Werbewert für die Landeshauptstadt erscheint unbezahlbar.“
Seid umschlungen Millionen
Liegt alleine der Werbewert aus Medienpräsenz bei mehreren Millionen Euro, so ist es insbesondre die Wertschöpfung, die handfestes Geld in die Region spült. Das bestätigt auch Univ. Prof. Dr. Egon Smeral vom WIFO. Schon fürs NUKE ging er ehemals von einer regionalen Wertschöpfung von mindestens fünf Millionen Euro aus – allein durch die Besucher! Wie es sich diesmal verhält, „kann man aufgrund der Besucherzahl allein nicht sagen, dafür muss man Erhebungen machen. Es gleicht kein Festival dem anderen“, erklärt er. Feststeht aber, dass sich mit Frequency und Beatpatrol die Besucherzahlen vervielfacht haben. Eine „Daumen x pi“-Regel besagt, dass man von einer durchschnittlichen Wertschöpfung pro Besucher von über 100 Euro ausgehen kann. Das wären bei insgesamt 140.000 Besuchern an fünf Festivaltagen (Frequency und Beatpatrol) 14 Millionen Euro!
Ein schöner Brocken, von dem ein Gutteil über Ausgaben in Lebensmittel, Gaststättenbesuche, Beherbergungsbetriebe, Tankstellen, verschiedenes Equipment von Gummistiefeln über Zelte bis hin zu Sonnencreme, Bikini & Co. direkt in der Region verbleibt. Wie hoch dieser Anteil exakt ist, lässt sich schwer eruieren, aber ein Vergleichsbeispiel aus Deutschland lässt eine gewisse Orientierung zu. So hat die TU Chemnitz (Abteilung Marketing und Handelsbetriebslehre) unter Prof. Dr. Cornelia Zanger sowie Dr. Jan Drengner im Jahr 2005 eine Studie über die Wertschöpfung des Hip-Hop und Reggaefestival „splash!“ (das sich mit 20.000 Besuchern größenmäßig auf Beatpatrol-Niveau bewegt) erstellt. Die Ergebnisse waren eindeutig. So errechnete man „alleine für die Stadt eine zusätzliche Wertschöpfung von mehr als zwei Millionen Euro“, wie Dr. Drengner ausführte. Zudem hätten die Festivalbesucher mit der Gastgeberstadt ein positives Bild verbunden. „Gerade dieses positive Bild auswärtiger Gäste bietet Chancen für das Marketing der Stadt Chemnitz, indem sich die Kommune als freundlicher Gastgeber des splash!-Publikums präsentiert“, so Dr. Drengner, und abschließend „Die Chemnitzer wissen, dass sich das splash!-Festival positiv auf die Region auswirkt!“
Auch – um ein anderes, bei weitem größeres Beispiel zum Vergleich heranzuziehen – beim Wiener Donauinselfest wird nicht zuletzt die Wertschöpfung als Grund herangeführt, warum man in Wiens größter Freizeit- und Erholoase ein Festival mit über zwei Millionen Besuchern durchführt. So verweist Veranstalter Harry Kopietz darauf, dass das Wiener Donauinselfest „zu einem unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor für Wien geworden ist“. Belegt ist dies durch die Dissertation von Mag. Klaus Winkler an der WU Wien. „Unter Berücksichtigung aller regionalen Abflüsse und der entrichteten Abgaben, erhält die Wiener Wirtschaft durch das Donauinselfest einen Impuls von 38,7 Millionen Euro!“
Die wirtschaftliche Zugkraft derlei Veranstaltungen, ganz abgesehen von ihren Imageeffekten, die ihrerseits wieder monetäre Folgeströme auslösen, steht also gänzlich außer Streit. Wichtig, darin sind sich sämtliche Experten einig, sei aber im Sinne von Nachhaltigkeit auch Kontinuität! Nur so kann man, wie auch Univ. Prof. Smeral betont, „eine Marke schaffen.“
Anrainerinteressen
Ebenso wichtig ist selbstverständlich die Berücksichtigung der Anrainerinteressen. „Für die Anrainer stellen diese Festivals natürlich immer eine große Einschränkung und Lärmbelästigung dar“, stellt sodenn Josef Dammerer, Anrainervertreter der Oskar Helmer Straße fest. Dabei sind unterschiedliche „Typen“ zu erkennen. So gibt es jene, die das Festival selbst besuchen (oder ihre Kinder, Enkel), jene, die sogar eigene Festivalpartys in ihrem Garten veranstalten, was dann witzige „Beschwerden“ nach sich zieht wie „bei Jan Delay hättet ihr ruhig lauter aufdrehen können!“. Es gibt jene, die das Festival offen unterstützen und im Nachbarschaftskreis dafür die Toleranz- und Lobbyingtrommel rühren „weil das einfach schön ist, all die jungen Menschen, und das alles in St. Pölten! Ist ja nur ein paar Tage im Jahr“. Es gibt jene, die regelrecht die Flucht ergreifen „weil ich mir das einfach nicht antun möchte“. Es gibt jene, die das Festival rundweg ablehnen nach dem Motto „soetwas brauchen wir nicht“. Und es gibt jene, die zwar nicht unbedingt begeistert sind, aber umgekehrt den Stellenwert für die Stadt anerkennen und daher die damit verbundenen Unannehmlichkeiten auf sich nehmen „Wenn es laut ist, kann ich halt die paar Tage nicht bei offenem Fenster schlafen.“
Prinzipiell geht es den Anrainern – zurecht – vor allem darum, dass ihre Interessen ernst genommen werden. Die Veranstalter sind diesbezüglich redlich bemüht. So meint etwa René Voak. „Beschwerden gibt es immer, das ist klar. Im Verhältnis zur Größenordnung der Veranstaltungen waren es aber sehr wenige. Einige der Konflikte kann man ja oftmals sofort lösen, etwa durch das Aufstellen von Zäunen oder deren Verrücken, durch das Sperren von Straßen etc. Kritik und Feedback sind wichtig, und wir bemühen uns, damit konstruktiv umzugehen und die Wünsche – so sie umsetzbar sind – auch zu berücksichtigen.“ Dies bestätigt Josef Dammerer. „Für mich persönlich als Anrainer habe ich in Zusammenarbeit mit NXP die Beeinträchtigung auf ein halbwegs verträgliches Maß reduzieren können, wobei es auch für meine Familie und mich eine enorme Lärmbelästigung gibt – 200 Meter von der Hauptbühne ist unsere Wohnung!“
Die, wie in manch lokalem Medium unverhälntismäßig dargestellt, große „Beschwerdeflut“ hat es jedenfalls nicht gegeben. Beim Bürgerservice der Stadt gingen etwa während des gesamten Frequency-Festivals 25 Beschwerde-E-Mails ein. „Sehr wenige im Vergleich zu anderen Festivals“, heißt es von Stadtseite. Und manch schlecht recherchierte Horrorgeschichten á la Gasexplosion, KO-Tropfen & Co. haben sich überhaupt rasch als sensationslüsterne Zeitungsenten entpuppt. Ganz im Gegenteil. Die eingesetzten Rettungsorganisationen sowie die Polizei sprachen von einem summa summarum friedlichen Festival. Das war es nicht zuletzt auch dank ihrer hervorragenden Arbeit selbst, was auch anerkennend bei der Stadt und in diversen Internetforen deponiert wurde. „Für die hervorragende Koordination und das flexible Agieren aller St. Pöltner Behörden und Einsatzorganisationen wurde dem Magistrat viel Lob und Dank übermittelt. Alle bestätigen: Es gab weder ein Sicherheits- noch ein Verkehrsproblem!“ Freilich fügt er auch hinzu: „Es gibt aber auch andere Stimmen, auf die ich ebenso höre. Grenzten Zeltplätze an einigen Stellen tatsächlich zu nahe an die Anrainer? Wurden einige zu wenig informiert? Es wird alles aufgelistet und ausgewertet.“
Die Zukunft
Wohl schon im Hinblick auf die Frage, ob es auch 2010 wieder ein Frequency geben wird? Der Veranstalter bekundet jedenfalls Interesse, und Harry Jenner stellt fest „Ich will prinzipiell immer dem Standort treu bleiben.“ Der Bürgermeister möchte sich noch nicht festlegen. „Mir ist wichtig, alle Für und Wider zu analysieren. Daher sind Festlegungen für 2010 derzeit kein Thema, auch wenn der Veranstalter und die Wirtschaft an den Bilanzen und dem außergewöhlichen Standort an der Traisen Gefallen gefunden haben.“
Fix ist bereits das Beatpatrol-Festival. Sogar der Termin steht schon fest – 23./24. Juli. „Das ging so schnell, weil diverse Kooperationspartner und Sponsoren gleich langfristige Verträge abschließen wollten. Normalerweise muss man ihnen deswegen nachrennen“, erläutert Voak den Hintergrund, der v.a. eines belegt: St. Pölten ist in der Branche kein blinder Fleck mehr. Das Interesse an der Stadt – und dies gilt im Schlepptau für alle Ebenen, nicht nur den Festivalsektor – ist mit einem Schlag so hoch wie noch nie. St. Pölten ist bis ins tiefste Ländle und bis in die flachste pannonische Tiefebene hin bekannt und begehrt. Man ist auf die Stadt aufmerksam geworden. In diesem Sommer 2009 ist etwas geschehen, wurde eine Visitenkarte abgegeben. Was, das bringt am besten vielleicht ein Leserbrief zum Ausdruck: „Seit Frequency ist eine neue Zeitrechnung angebrochen. 120 000 Jugendliche und Junggebliebene machten Party, hörten Musik und brachten gute Laune mit. Ich wohne in der Nähe vom VAZ und fand diesen Trubel sehr aufregend.
Dieses ständige Gejammer ‚In St. Pölten ist nix los‘ MUSS endgültig aus den Köpfen gestrichen werden. Weil diese Aussage seit diesem Wochenende keine Gültigkeit mehr hat. Ein Dankeschön an die Visionäre, die mit Einsatz und dem Willen, gemeinsam etwas Großes zu schaffen, St. Pölten (drei Tage lang) zu dem machten, was die Stadt sein könnte. Eine weltoffene Stadt ganz nah am Puls der Zeit.“
Infos zum Thema:
Festivalsplitter
Der Ö3 Wecker meldete sich live vom Frequency. Der Moderator: „St. Pölten hat offensichtlich einen neuen Helden.“ Danach hörte man via Radio bis in den letzen Zipfel Österreichs folgenden Sprechchor skandierender Festival-Besucher. „Matthias Stadler, wir lieben dich!“
Nach dem Festival machten sich die Mülltrupps auf – und auch zahlreiche St. Pöltner pilgerten zur Traisen, wo man manch aufgebrachtem Pensionisten begegnete. „Ein Wahnsinn, wie es da ausschaut!“ Der unterm Arm geklemmte Campingstuhl war wohl die Kompensation für die Erregung.
Die deutsche Band TOMTE trällerte im Zuge ihrer Liveperformance eine kleine Hommage an die Traisenstadt „Ich sollte eigentlich nach Wien, doch ich will viel lieber nach St. Pölten ziehen!“
Im Krankenhaus wurden angeblich viele Mädchen um die Pille vorstellig – die Pille danach!
Ein Mädchen düste mit dem Rad an die Traisen, um ein paar der stehengebliebenen Zelte zu ergattern. Als sie nach geraumer Zeit zum Rad zurückkehrte – war dieses verschwunden! Später machte folgendes Gerücht die Runde: „Die haben sogar neue Radln liegen lassen!“
Ein blaues Wunder erlebten auch drei Festivalbesucher am Sonntag. Sie hatten eben ihre Utensilien zum Auto gebracht und wollten nun ihr Zelt abbauen – nur dies hatte offensichtlich schon ein St. Pöltner erledigt, der dachte, das Zelt sei einfach stehen geblieben. Es war einfach weg!
Interview: DIE SACHE MIT DEM MÜLL
3 Fragen, 3 Antworten seitens des Veranstalters
Wie lange hat die Müllbeseitigung gedauert?
Die Reinigung hat rund 10 Tage in Anspruch genommen, das ist eine tolle Leistung. Es waren rund 100 Leute im Einsatz. Für die Traisen wurden sogar extra Fischerhosen angekauft. Dabei wurden auch Tonnen von Altmüll beseitigt, die eindeutig nicht vom Festival verursacht worden waren. Die Reinigungskosten trägt der Veranstalter.
Wie ist die Müll-Logistik?
Gereinigt wird rund um die Uhr am gesamten Festivalgelände. Die Reinigung des Campinggeländes gestaltet sich allerdings aufgrund der Enge zwischen den Zelten als sehr eingeschränkt. Im nächsten Jahr wird zur Verbesserung der Situation ein generelles Glasverbot eingeführt, zudem werden Dosenpressen aufgestellt. Damit die Leute ihre leeren Dosen dort abgeben, werden Anreize zum Sammeln geschaffen.
Warum gab es nicht mehr Müllrückgabestellen?
Das hat einen ganz einfachen Grund: Bei den Müllrückgabestellen muss man mit schweren LKW’s zum Abtransport zufahren. Wenn es mehrere am Traisenstrand gibt, würde damit das Grünareal zerstört – das wäre kontraproduktiv.
Interview: Univ.-Prof. Dr. Egon Smeral, WIFO
Warum reißen sich Städte um die Durchführung von Großveranstaltungen wie Beatpatrol oder Frequency?
Einerseits wegen des damit verbundenen Imagewandels, andererseits natürlich auch um mehr Einkünfte zu lukrieren. Temporäre Großveranstaltungen tun sich generell schwer mit Nachhaltigkeit. Das heißt es kommt auf Kontinuität an, dann ist der Imagewandel möglich.
Das heißt, eine „Nichttourismus“-Stadt wie St. Pölten kann durch Festivals wie diese eine Tourismusmarke kreieren?
Das kann sie absolut. Wenn St. Pölten einen Markennamen durch Zeitgeistveranstaltungen schaffen kann, hat das natürlich eine gewisse Zugkraft. Aber dementsprechend muss dann auch das restliche Angebot, die Infrastruktur mithalten.
Interview: Harry Jenner, Veranstalter Frequency Festival
Wenn Sie die beiden Frequency-Standorte Salzburg und St. Pölten miteinander vergleichen, welcher schneidet besser ab?
St. Pölten! Der Greenpark mit Kaserne und Grünanlage ist eine einzigartige Location in Österreich, die Anreise ist viel unkomplizierter als etwa in Salzburg. Was aber nicht heißen soll, dass in Salzburg alles schlecht war.
Ist es eigentlich einzigartig, dass so ein Festival mitten in der Stadt über die Bühne geht?
Eigentlich nicht. Es gibt zahlreiche internationale Beispiele, etwa in der Schweiz oder auch in New York. Und das „T in the park“ in Schottland zum Beispiel, dorthin kommen sogar dreimal so viele Leute wie zum Frequency, und es gibt trotzdem keine Probleme.
Interview: René Voak, VAZ Geschäftsführer
Sie verfolgen seit Jahren eine kontinuierliche Festivalpolitik. Warum?
Weil es dem Tourismus und der Wirtschaft sowie der Stadt insgesamt enorm viel bringt! Uns als VAZ wiederum geht es um eine breite Programmatik. Wir wollen und können nicht nur auf eine Schiene setzen, also etwa nur auf Messen, nur auf Kongresse, Tagungen, nur auf Konzerte. Das Rezept heißt Vielfalt!
Sie haben mit dem Beatpatrol heuer erstmals ein eigenes Festivalkonzept kreiert und waren Veranstaltungspartner – aus welchen Gründen?
Wir wollen einfach unabhängiger werden, was Festivals betrifft. Bei Fremdveranstaltungen musst du jedes Jahr neu verhandeln, hast keine Garantie, dass es weitergeht. Deswegen bauen wir eine Eigenmarke auf, um autonom zu sein und Festival-Kontinuität für den Standort zu gewährleisten.
Interview: Matthias Stadler, Bürgermeister St. Pölten
Wie beurteilen Sie persönlich den Wert der Festivals für die Stadt?
Mit Beatpatrol und Frequency ist etwas Einmaliges gelungen. Dazu gibt es eine Vielzahl von positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, von Besuchern, Künstlern und selbst von Mitbewerbern in der Eventbranche. „St. Pölten war einfach toll!“, so der Grundtenor. Der Image- und Werbewert ist unbezahlbar!
Möchten Sie St. Pölten als DIE FESTIVALSTADT positionieren?
Priorität hat für mich als Bürgermeister noch etwas anderes, über Frequency hinaus: In welcher Dichte und Größe sind Events an diesem Standort verträglich? Damit verknüpfe ich auch die Frage, was Anrainern zugemutet werden kann. Danach erst sind Weichenstellungen für die Zukunft möglich.
Interview: Josef Dammerer, Anrainervertreter
Was wäre aus Ihrer Sicht noch verbesserungswürdig?
Eine Verbesserung wäre die Positionierung der Bühne hinter dem Lärmschutzwall, wie dies etwa beim Beatpatrol erfolgte. Und sehr wichtig wäre, dass auch die Campinggäste die Nachtruhe um 1 Uhr einhalten. Mit den Spielzeiten bei den Konzerten funktioniert dies ja schon sehr gut. Schließlich – das ist ein dringender Appell an den Veranstalter, den Magistrat und die Besucher – muss die Müll- und Sanitärproblematik noch viel sensibler behandelt werden. Gibt es eigentlich Kontakte zwischen Besuchern und Anrainern?
Der Kontakt zu den Besuchern ist bei uns in der Oskar-Helmer-Straße eher gering. Aber wenn einer zustande kommt, dann ist er durchaus okay.
Nicht minder zufrieden zeigt sich Voak als Herbergsgeber fürs Frequency Festival und zollt dem Veranstalter Musicnet und dessen Chef Harry Jenner Anerkennung. „Es hat ja einige Ungewissheiten im Vorfeld gegeben, letztendlich hat von der Organisation her aber alles toll funktioniert.“
Dementsprechend zufrieden ist auch Jenner selbst, der das Frequency Festival von Salzburg in die niederösterreichische Landeshauptstadt lotste. “Prinzipiell war das Frequency ein großer Erfolg. Wir hatten 40.000 Beuscher pro Tag, das waren zufriedene Leute! Es standen – das wird in die Stadtgeschichte St. Pöltens eingehen – Größen wie Grace Jones oder, überhaupt zum allerersten Mal in Österreich, Radiohead auf der Bühne! Der Nightpark stellte eine österreichweite Innovation dar, noch nie fand ein Festival auf einem Kasernenareal statt. Es gab kaum Lärmprobleme, keine Staus und auch der Shuttledienst zwischen Day- und Nightpark hat reibungslos funktioniert! Ja“, fügt er schmunzelnd hinzu „sogar das Wetter war besser als in Salzburg!“
St. Pölten und die Welt
Auch das Feedback der Besucher fällt dementsprechend positiv aus, und wenn es darum geht, ob das Festival nächstes Jahr in St. Pölten oder Salzburg stattfinden soll, geht das Rennen klar für die niederösterreichische Hauptstadt aus. Dies selbst bei vielen, die aus der Westregion (!) anreisen. So heißt es etwa „Salzburg ist für uns 1000 mal besser zu erreichen. Aber der Fluss dieses Jahr war einfach zu geil!“, oder „Naja, die drei Stunden im Auto haben mir nichts ausgemacht. Das ganze Gewurschtl zum Salzburg-Ring hat mich immer angezipft. Nach St. Pölten muss man nur easy der Autobahn folgen.“
Die Festivalbesucher aus der Ostregion waren ob des neuen Frequency-Standortes ohnedies begeistert, wobei sich schon beim Beatpatrol gezeigt hatte, dass auch zahlreiche Besucher aus den Nachbarländern Slowakei, Tschechien oder Ungarn das nahe St. Pölten ansteuern.
Nicht zuletzt verweist Bürgermeister Matthias Stadler noch auf einen weiteren Feel-Good-Faktor. „Die Stadt war ein hervorragender Gastgeber, weil unsere Bürger und Bürgerinnen dieses Festival mit Weltoffenheit, weitgehender Akzeptanz und Toleranz mitgetragen haben.” Das sei keine Selbstverständlichkeit und insbesondere den Anrainern hoch anzurechen. „Das Entgegenkommen der Anrainer hat ermöglicht, dass auch für junge Menschen im Jubiläumsjahr etwas ganz Besonderes auf die Beine gestellt werden konnte.“ Der Bürgermeister verweist damit auf 850 Jahre St. Pölten – die älteste Stadt Österreichs hat ein mehr als zeitgemäßes Lebenszeichen gesetzt.
Ein Blick auf die österreichweite, nein europaweite Berichterstattung von Beatpatrol und Frequency belegt dies eindrucksvoll. „Ich habe mehrere bummvolle Ordner allein mit Printberichten über das Frequency Festival, da sind die Fernseh- und Radiobeiträge noch gar nicht mitgerechnet!“, so Jenner, und Voak berichtet im Hinblick auf Beatpatrol zufrieden über „Fernsehbeiträge auf ORF, Puls4, MTV, GOTV etc.“ Jenner flog diesmal sogar eigens nach England und nach Holland, um dort hiesigen Medien Interviews zu geben „Und da wurde St. Pölten klarerweise immer mitkommunziert. Wir hatten ja an die 1.000 Leute allein aus England!“ Die Pressestelle der Stadt stellte sodenn fest „Der Image- und Werbewert für die Landeshauptstadt erscheint unbezahlbar.“
Seid umschlungen Millionen
Liegt alleine der Werbewert aus Medienpräsenz bei mehreren Millionen Euro, so ist es insbesondre die Wertschöpfung, die handfestes Geld in die Region spült. Das bestätigt auch Univ. Prof. Dr. Egon Smeral vom WIFO. Schon fürs NUKE ging er ehemals von einer regionalen Wertschöpfung von mindestens fünf Millionen Euro aus – allein durch die Besucher! Wie es sich diesmal verhält, „kann man aufgrund der Besucherzahl allein nicht sagen, dafür muss man Erhebungen machen. Es gleicht kein Festival dem anderen“, erklärt er. Feststeht aber, dass sich mit Frequency und Beatpatrol die Besucherzahlen vervielfacht haben. Eine „Daumen x pi“-Regel besagt, dass man von einer durchschnittlichen Wertschöpfung pro Besucher von über 100 Euro ausgehen kann. Das wären bei insgesamt 140.000 Besuchern an fünf Festivaltagen (Frequency und Beatpatrol) 14 Millionen Euro!
Ein schöner Brocken, von dem ein Gutteil über Ausgaben in Lebensmittel, Gaststättenbesuche, Beherbergungsbetriebe, Tankstellen, verschiedenes Equipment von Gummistiefeln über Zelte bis hin zu Sonnencreme, Bikini & Co. direkt in der Region verbleibt. Wie hoch dieser Anteil exakt ist, lässt sich schwer eruieren, aber ein Vergleichsbeispiel aus Deutschland lässt eine gewisse Orientierung zu. So hat die TU Chemnitz (Abteilung Marketing und Handelsbetriebslehre) unter Prof. Dr. Cornelia Zanger sowie Dr. Jan Drengner im Jahr 2005 eine Studie über die Wertschöpfung des Hip-Hop und Reggaefestival „splash!“ (das sich mit 20.000 Besuchern größenmäßig auf Beatpatrol-Niveau bewegt) erstellt. Die Ergebnisse waren eindeutig. So errechnete man „alleine für die Stadt eine zusätzliche Wertschöpfung von mehr als zwei Millionen Euro“, wie Dr. Drengner ausführte. Zudem hätten die Festivalbesucher mit der Gastgeberstadt ein positives Bild verbunden. „Gerade dieses positive Bild auswärtiger Gäste bietet Chancen für das Marketing der Stadt Chemnitz, indem sich die Kommune als freundlicher Gastgeber des splash!-Publikums präsentiert“, so Dr. Drengner, und abschließend „Die Chemnitzer wissen, dass sich das splash!-Festival positiv auf die Region auswirkt!“
Auch – um ein anderes, bei weitem größeres Beispiel zum Vergleich heranzuziehen – beim Wiener Donauinselfest wird nicht zuletzt die Wertschöpfung als Grund herangeführt, warum man in Wiens größter Freizeit- und Erholoase ein Festival mit über zwei Millionen Besuchern durchführt. So verweist Veranstalter Harry Kopietz darauf, dass das Wiener Donauinselfest „zu einem unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor für Wien geworden ist“. Belegt ist dies durch die Dissertation von Mag. Klaus Winkler an der WU Wien. „Unter Berücksichtigung aller regionalen Abflüsse und der entrichteten Abgaben, erhält die Wiener Wirtschaft durch das Donauinselfest einen Impuls von 38,7 Millionen Euro!“
Die wirtschaftliche Zugkraft derlei Veranstaltungen, ganz abgesehen von ihren Imageeffekten, die ihrerseits wieder monetäre Folgeströme auslösen, steht also gänzlich außer Streit. Wichtig, darin sind sich sämtliche Experten einig, sei aber im Sinne von Nachhaltigkeit auch Kontinuität! Nur so kann man, wie auch Univ. Prof. Smeral betont, „eine Marke schaffen.“
Anrainerinteressen
Ebenso wichtig ist selbstverständlich die Berücksichtigung der Anrainerinteressen. „Für die Anrainer stellen diese Festivals natürlich immer eine große Einschränkung und Lärmbelästigung dar“, stellt sodenn Josef Dammerer, Anrainervertreter der Oskar Helmer Straße fest. Dabei sind unterschiedliche „Typen“ zu erkennen. So gibt es jene, die das Festival selbst besuchen (oder ihre Kinder, Enkel), jene, die sogar eigene Festivalpartys in ihrem Garten veranstalten, was dann witzige „Beschwerden“ nach sich zieht wie „bei Jan Delay hättet ihr ruhig lauter aufdrehen können!“. Es gibt jene, die das Festival offen unterstützen und im Nachbarschaftskreis dafür die Toleranz- und Lobbyingtrommel rühren „weil das einfach schön ist, all die jungen Menschen, und das alles in St. Pölten! Ist ja nur ein paar Tage im Jahr“. Es gibt jene, die regelrecht die Flucht ergreifen „weil ich mir das einfach nicht antun möchte“. Es gibt jene, die das Festival rundweg ablehnen nach dem Motto „soetwas brauchen wir nicht“. Und es gibt jene, die zwar nicht unbedingt begeistert sind, aber umgekehrt den Stellenwert für die Stadt anerkennen und daher die damit verbundenen Unannehmlichkeiten auf sich nehmen „Wenn es laut ist, kann ich halt die paar Tage nicht bei offenem Fenster schlafen.“
Prinzipiell geht es den Anrainern – zurecht – vor allem darum, dass ihre Interessen ernst genommen werden. Die Veranstalter sind diesbezüglich redlich bemüht. So meint etwa René Voak. „Beschwerden gibt es immer, das ist klar. Im Verhältnis zur Größenordnung der Veranstaltungen waren es aber sehr wenige. Einige der Konflikte kann man ja oftmals sofort lösen, etwa durch das Aufstellen von Zäunen oder deren Verrücken, durch das Sperren von Straßen etc. Kritik und Feedback sind wichtig, und wir bemühen uns, damit konstruktiv umzugehen und die Wünsche – so sie umsetzbar sind – auch zu berücksichtigen.“ Dies bestätigt Josef Dammerer. „Für mich persönlich als Anrainer habe ich in Zusammenarbeit mit NXP die Beeinträchtigung auf ein halbwegs verträgliches Maß reduzieren können, wobei es auch für meine Familie und mich eine enorme Lärmbelästigung gibt – 200 Meter von der Hauptbühne ist unsere Wohnung!“
Die, wie in manch lokalem Medium unverhälntismäßig dargestellt, große „Beschwerdeflut“ hat es jedenfalls nicht gegeben. Beim Bürgerservice der Stadt gingen etwa während des gesamten Frequency-Festivals 25 Beschwerde-E-Mails ein. „Sehr wenige im Vergleich zu anderen Festivals“, heißt es von Stadtseite. Und manch schlecht recherchierte Horrorgeschichten á la Gasexplosion, KO-Tropfen & Co. haben sich überhaupt rasch als sensationslüsterne Zeitungsenten entpuppt. Ganz im Gegenteil. Die eingesetzten Rettungsorganisationen sowie die Polizei sprachen von einem summa summarum friedlichen Festival. Das war es nicht zuletzt auch dank ihrer hervorragenden Arbeit selbst, was auch anerkennend bei der Stadt und in diversen Internetforen deponiert wurde. „Für die hervorragende Koordination und das flexible Agieren aller St. Pöltner Behörden und Einsatzorganisationen wurde dem Magistrat viel Lob und Dank übermittelt. Alle bestätigen: Es gab weder ein Sicherheits- noch ein Verkehrsproblem!“ Freilich fügt er auch hinzu: „Es gibt aber auch andere Stimmen, auf die ich ebenso höre. Grenzten Zeltplätze an einigen Stellen tatsächlich zu nahe an die Anrainer? Wurden einige zu wenig informiert? Es wird alles aufgelistet und ausgewertet.“
Die Zukunft
Wohl schon im Hinblick auf die Frage, ob es auch 2010 wieder ein Frequency geben wird? Der Veranstalter bekundet jedenfalls Interesse, und Harry Jenner stellt fest „Ich will prinzipiell immer dem Standort treu bleiben.“ Der Bürgermeister möchte sich noch nicht festlegen. „Mir ist wichtig, alle Für und Wider zu analysieren. Daher sind Festlegungen für 2010 derzeit kein Thema, auch wenn der Veranstalter und die Wirtschaft an den Bilanzen und dem außergewöhlichen Standort an der Traisen Gefallen gefunden haben.“
Fix ist bereits das Beatpatrol-Festival. Sogar der Termin steht schon fest – 23./24. Juli. „Das ging so schnell, weil diverse Kooperationspartner und Sponsoren gleich langfristige Verträge abschließen wollten. Normalerweise muss man ihnen deswegen nachrennen“, erläutert Voak den Hintergrund, der v.a. eines belegt: St. Pölten ist in der Branche kein blinder Fleck mehr. Das Interesse an der Stadt – und dies gilt im Schlepptau für alle Ebenen, nicht nur den Festivalsektor – ist mit einem Schlag so hoch wie noch nie. St. Pölten ist bis ins tiefste Ländle und bis in die flachste pannonische Tiefebene hin bekannt und begehrt. Man ist auf die Stadt aufmerksam geworden. In diesem Sommer 2009 ist etwas geschehen, wurde eine Visitenkarte abgegeben. Was, das bringt am besten vielleicht ein Leserbrief zum Ausdruck: „Seit Frequency ist eine neue Zeitrechnung angebrochen. 120 000 Jugendliche und Junggebliebene machten Party, hörten Musik und brachten gute Laune mit. Ich wohne in der Nähe vom VAZ und fand diesen Trubel sehr aufregend.
Dieses ständige Gejammer ‚In St. Pölten ist nix los‘ MUSS endgültig aus den Köpfen gestrichen werden. Weil diese Aussage seit diesem Wochenende keine Gültigkeit mehr hat. Ein Dankeschön an die Visionäre, die mit Einsatz und dem Willen, gemeinsam etwas Großes zu schaffen, St. Pölten (drei Tage lang) zu dem machten, was die Stadt sein könnte. Eine weltoffene Stadt ganz nah am Puls der Zeit.“
Infos zum Thema:
Festivalsplitter
Der Ö3 Wecker meldete sich live vom Frequency. Der Moderator: „St. Pölten hat offensichtlich einen neuen Helden.“ Danach hörte man via Radio bis in den letzen Zipfel Österreichs folgenden Sprechchor skandierender Festival-Besucher. „Matthias Stadler, wir lieben dich!“
Nach dem Festival machten sich die Mülltrupps auf – und auch zahlreiche St. Pöltner pilgerten zur Traisen, wo man manch aufgebrachtem Pensionisten begegnete. „Ein Wahnsinn, wie es da ausschaut!“ Der unterm Arm geklemmte Campingstuhl war wohl die Kompensation für die Erregung.
Die deutsche Band TOMTE trällerte im Zuge ihrer Liveperformance eine kleine Hommage an die Traisenstadt „Ich sollte eigentlich nach Wien, doch ich will viel lieber nach St. Pölten ziehen!“
Im Krankenhaus wurden angeblich viele Mädchen um die Pille vorstellig – die Pille danach!
Ein Mädchen düste mit dem Rad an die Traisen, um ein paar der stehengebliebenen Zelte zu ergattern. Als sie nach geraumer Zeit zum Rad zurückkehrte – war dieses verschwunden! Später machte folgendes Gerücht die Runde: „Die haben sogar neue Radln liegen lassen!“
Ein blaues Wunder erlebten auch drei Festivalbesucher am Sonntag. Sie hatten eben ihre Utensilien zum Auto gebracht und wollten nun ihr Zelt abbauen – nur dies hatte offensichtlich schon ein St. Pöltner erledigt, der dachte, das Zelt sei einfach stehen geblieben. Es war einfach weg!
Interview: DIE SACHE MIT DEM MÜLL
3 Fragen, 3 Antworten seitens des Veranstalters
Wie lange hat die Müllbeseitigung gedauert?
Die Reinigung hat rund 10 Tage in Anspruch genommen, das ist eine tolle Leistung. Es waren rund 100 Leute im Einsatz. Für die Traisen wurden sogar extra Fischerhosen angekauft. Dabei wurden auch Tonnen von Altmüll beseitigt, die eindeutig nicht vom Festival verursacht worden waren. Die Reinigungskosten trägt der Veranstalter.
Wie ist die Müll-Logistik?
Gereinigt wird rund um die Uhr am gesamten Festivalgelände. Die Reinigung des Campinggeländes gestaltet sich allerdings aufgrund der Enge zwischen den Zelten als sehr eingeschränkt. Im nächsten Jahr wird zur Verbesserung der Situation ein generelles Glasverbot eingeführt, zudem werden Dosenpressen aufgestellt. Damit die Leute ihre leeren Dosen dort abgeben, werden Anreize zum Sammeln geschaffen.
Warum gab es nicht mehr Müllrückgabestellen?
Das hat einen ganz einfachen Grund: Bei den Müllrückgabestellen muss man mit schweren LKW’s zum Abtransport zufahren. Wenn es mehrere am Traisenstrand gibt, würde damit das Grünareal zerstört – das wäre kontraproduktiv.
Interview: Univ.-Prof. Dr. Egon Smeral, WIFO
Warum reißen sich Städte um die Durchführung von Großveranstaltungen wie Beatpatrol oder Frequency?
Einerseits wegen des damit verbundenen Imagewandels, andererseits natürlich auch um mehr Einkünfte zu lukrieren. Temporäre Großveranstaltungen tun sich generell schwer mit Nachhaltigkeit. Das heißt es kommt auf Kontinuität an, dann ist der Imagewandel möglich.
Das heißt, eine „Nichttourismus“-Stadt wie St. Pölten kann durch Festivals wie diese eine Tourismusmarke kreieren?
Das kann sie absolut. Wenn St. Pölten einen Markennamen durch Zeitgeistveranstaltungen schaffen kann, hat das natürlich eine gewisse Zugkraft. Aber dementsprechend muss dann auch das restliche Angebot, die Infrastruktur mithalten.
Interview: Harry Jenner, Veranstalter Frequency Festival
Wenn Sie die beiden Frequency-Standorte Salzburg und St. Pölten miteinander vergleichen, welcher schneidet besser ab?
St. Pölten! Der Greenpark mit Kaserne und Grünanlage ist eine einzigartige Location in Österreich, die Anreise ist viel unkomplizierter als etwa in Salzburg. Was aber nicht heißen soll, dass in Salzburg alles schlecht war.
Ist es eigentlich einzigartig, dass so ein Festival mitten in der Stadt über die Bühne geht?
Eigentlich nicht. Es gibt zahlreiche internationale Beispiele, etwa in der Schweiz oder auch in New York. Und das „T in the park“ in Schottland zum Beispiel, dorthin kommen sogar dreimal so viele Leute wie zum Frequency, und es gibt trotzdem keine Probleme.
Interview: René Voak, VAZ Geschäftsführer
Sie verfolgen seit Jahren eine kontinuierliche Festivalpolitik. Warum?
Weil es dem Tourismus und der Wirtschaft sowie der Stadt insgesamt enorm viel bringt! Uns als VAZ wiederum geht es um eine breite Programmatik. Wir wollen und können nicht nur auf eine Schiene setzen, also etwa nur auf Messen, nur auf Kongresse, Tagungen, nur auf Konzerte. Das Rezept heißt Vielfalt!
Sie haben mit dem Beatpatrol heuer erstmals ein eigenes Festivalkonzept kreiert und waren Veranstaltungspartner – aus welchen Gründen?
Wir wollen einfach unabhängiger werden, was Festivals betrifft. Bei Fremdveranstaltungen musst du jedes Jahr neu verhandeln, hast keine Garantie, dass es weitergeht. Deswegen bauen wir eine Eigenmarke auf, um autonom zu sein und Festival-Kontinuität für den Standort zu gewährleisten.
Interview: Matthias Stadler, Bürgermeister St. Pölten
Wie beurteilen Sie persönlich den Wert der Festivals für die Stadt?
Mit Beatpatrol und Frequency ist etwas Einmaliges gelungen. Dazu gibt es eine Vielzahl von positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung, von Besuchern, Künstlern und selbst von Mitbewerbern in der Eventbranche. „St. Pölten war einfach toll!“, so der Grundtenor. Der Image- und Werbewert ist unbezahlbar!
Möchten Sie St. Pölten als DIE FESTIVALSTADT positionieren?
Priorität hat für mich als Bürgermeister noch etwas anderes, über Frequency hinaus: In welcher Dichte und Größe sind Events an diesem Standort verträglich? Damit verknüpfe ich auch die Frage, was Anrainern zugemutet werden kann. Danach erst sind Weichenstellungen für die Zukunft möglich.
Interview: Josef Dammerer, Anrainervertreter
Was wäre aus Ihrer Sicht noch verbesserungswürdig?
Eine Verbesserung wäre die Positionierung der Bühne hinter dem Lärmschutzwall, wie dies etwa beim Beatpatrol erfolgte. Und sehr wichtig wäre, dass auch die Campinggäste die Nachtruhe um 1 Uhr einhalten. Mit den Spielzeiten bei den Konzerten funktioniert dies ja schon sehr gut. Schließlich – das ist ein dringender Appell an den Veranstalter, den Magistrat und die Besucher – muss die Müll- und Sanitärproblematik noch viel sensibler behandelt werden. Gibt es eigentlich Kontakte zwischen Besuchern und Anrainern?
Der Kontakt zu den Besuchern ist bei uns in der Oskar-Helmer-Straße eher gering. Aber wenn einer zustande kommt, dann ist er durchaus okay.