Von Theatermachern und Höhlenmenschen
Ausgabe
Von „Endzeitstimmung“ ist im Landestheater Niederösterreich keine Spur, auch wenn der Abschied von Isabella Suppanz nach sieben Jahren künstlerischer Leitung zusehends näher rückt. Noch blickt man in die Zukunft – wie wir mit ihr gemeinsam.
Die Hausherrin selbst bringt dieser Tage mit Feydeaus „Einer ist der Dumme“ ihre letzte Inszenierung heraus. Als ich sie in ihrem Büro aufsuche, geht sie mit Mitarbeitern gerade Details für die nächste Produktion durch. Business as usual sozusagen, auch wenn Isabella Suppanz auf meine Frage nach ihrer Gefühlslage einräumt, dass „da natürlich Wehmut mit dabei ist. “ Sieben Jahre sind schließlich eine lange Zeit.
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich damals mit der Intendantin ein Antrittsinterview führte und sie ihre Vision vom Landestheater, das gerade als schale Morgengabe im Zuge der Krankenhausübergabe von der Stadt ans Land quasi mitverscherbelt worden war, darlegte. Sieben Jahre später muss man mit Respekt konstatieren, dass ihr praktisch alles aufgegangen ist. Sie hat das Landestheater St. Pölten überhaupt erst ernstzunehmend auf der Landkarte der deutschsprachigen Theaterszene verankert, die Auslastung auf über 90% geschraubt. Das macht ihr so schnell keiner nach. Und so hört man dieser Tage nicht selten, wie etwa aus dem Mund des ehemaligen St. Pöltner Festspielhaus-Intendanten Michael Birkmeyer, der mir zufällig in einem Supermarkt über den Weg läuft, die irritierte Frage „Wie kann man die Suppanz nur gehen lassen?“ So empfinden es viele, wobei nicht eindeutig ist, ob die Theatermacherin nun freiwillig geht, was ihre eigene Sprachregelung nahelegt, wenn sie meint „dass da natürlich Wehmut ist, wenn man für sich beschließt, etwas zu Ende gehen zu lassen“, oder ob es nicht doch auch, wie Fama streut, andere sphärische Gründe gegeben hat. Wie auch immer, Fakt ist, dass Suppanz großartige Arbeit geleistet hat. Doch wollen wir an dieser Stelle keine Rückschau halten – dies wird völlig zurecht noch zur Genüge geschehen – sondern vielmehr nach ihren Zukunftsplänen fragen. Nach Dienstschluss
„Ich habe sehr viele Pläne“, so Suppanz. En detail verraten möchte sie diese aber noch nicht. Eine nahtlos anknüpfende Theaterleitung an einem anderen Haus schließt sie jedenfalls aus. „Ich werde jetzt sicher nicht gleich von A nach B gehen, sondern möchte zunächst einmal Reisen unternehmen, insbesondere Theaterreisen!“ Wobei sie sich dabei auf eine fast vergessene Erfahrung freut: War sie nämlich in den letzten Jahren sozusagen immer mit voreingenommener Intendantenbrille auf der Nase unterwegs, so kann sie sich in Zukunft wieder völlig unvoreingenommen oder, wie es Suppanz formuliert „viel entspannter“ dem Theatervergnügen hingeben. „Die gute Nachricht ist, dass ich mich sehr darauf freue“, spielt sie darauf an, dass ihre Liebe zum Theater keinesfalls erloschen ist. „Es gibt keine Ermüdungserscheinungen!“ Sehr wohl aber große Neugierde, die Theaterszene nunmehr aus kritischer Distanz unter die Lupe zu nehmen, „für mich persönlich herauszufinden, wie es mit dem Theater weitergeht.“ Als Bekennerin zu einem Haus mit fixem Ensemble kann man erahnen, in welche Richtung Suppanz Gedanken gehen. Ebenso aus der Tatsache, „dass ich ‚Theatertheater‘ nicht mag“, wie sie offen bekennt. Vielmehr geht es ihr auch um einen volksbildenden Charakter. „Theater muss greifbar sein, Antworten geben. Es hat eine gesellschaftliche Funktion!“
Wenn man die Theatermacherin so voller Esprit reden hört, darf man jedenfalls aufatmen und mutmaßen, dass sie dem Theaterbetrieb nicht auf Dauer abhanden kommen wird.
Jetzt ist aber erst einmal „Frei-Zeit“ angesagt. In verstärktem Maße möchte Suppanz ihren großen Leidenschaften nachgehen: „Musik, Malerei, Architektur, Film, Theater, Menschen, Kinder – das sind meine Lebensthemen“, verrät sie. Beschäftigungen, die sie nicht oberflächlich ausüben, sondern in die Tiefe ergründen möchte. „Ich habe jetzt z. B. wieder mit der Lektüre alter Bücher begonnen. Wenn man sich darauf wirklich einlässt, kann das für ein Buch ein Jahr dauern! Oder im Bereich der Musik lese ich die Partituren, weil ich ihre Struktur verstehen möchte – dafür braucht man Zeit!“
Zeit, die gnadenlos fortschreitet. „Ich fürchte, dass ich all das, was ich tun möchte, in einem einzigen Leben gar nicht unterbringe“, meint Suppanz sodenn nachdenklich und fügt mit einem Hauch Bitterkeit hinzu. „Das ist schon auch irgendwie ein Fluch.“
Insbesondere der Fluch der Vielbegabten – Suppanz ist etwa auch Flötistin. Frieden zu finden ist deshalb schwer, denn sobald man das eine abgeschlossen hat, fordert das nächste seine Aufmerksamkeit ein. Blockiert dies nicht auch in gewisser Weise? „Nein, das nicht“, schüttelt Suppanz den Kopf, „aber ich empfinde diesen Umstand dennoch nicht gerade als beglückend. Es ist leider nicht so, dass ich etwa eine Briefmarkensammlung habe, in der mir vielleicht noch zwei, drei Marken fehlen. Und wenn ich diese dann endlich finde, zufrieden bin.“
Es bleibt sozusagen immer etwas zu tun, ein Ende gibt es nie. Für den Künstler ist dies Fluch und Segen zugleich, denn umgekehrt speist er gerade aus dieser Diskrepanz seine Produktivität und Energie. Wobei Suppanz auf meine Frage hin, ob sie ein Energiebündel sei, abwinkt. „Ich bin eher eine Grüblerin, eine Leserin. Wenn irgendwo mehr als sechs Personen zusammenstehen, dann weiß ich nicht recht, was ich machen soll. Da bin ich eher der Höhlenmensch.“
Dann aber einer mit enormen intellektuellen und kreativen Output, der viel Licht und Glanz für St. Pölten gebracht hat.
Ich kann mich noch gut erinnern, als ich damals mit der Intendantin ein Antrittsinterview führte und sie ihre Vision vom Landestheater, das gerade als schale Morgengabe im Zuge der Krankenhausübergabe von der Stadt ans Land quasi mitverscherbelt worden war, darlegte. Sieben Jahre später muss man mit Respekt konstatieren, dass ihr praktisch alles aufgegangen ist. Sie hat das Landestheater St. Pölten überhaupt erst ernstzunehmend auf der Landkarte der deutschsprachigen Theaterszene verankert, die Auslastung auf über 90% geschraubt. Das macht ihr so schnell keiner nach. Und so hört man dieser Tage nicht selten, wie etwa aus dem Mund des ehemaligen St. Pöltner Festspielhaus-Intendanten Michael Birkmeyer, der mir zufällig in einem Supermarkt über den Weg läuft, die irritierte Frage „Wie kann man die Suppanz nur gehen lassen?“ So empfinden es viele, wobei nicht eindeutig ist, ob die Theatermacherin nun freiwillig geht, was ihre eigene Sprachregelung nahelegt, wenn sie meint „dass da natürlich Wehmut ist, wenn man für sich beschließt, etwas zu Ende gehen zu lassen“, oder ob es nicht doch auch, wie Fama streut, andere sphärische Gründe gegeben hat. Wie auch immer, Fakt ist, dass Suppanz großartige Arbeit geleistet hat. Doch wollen wir an dieser Stelle keine Rückschau halten – dies wird völlig zurecht noch zur Genüge geschehen – sondern vielmehr nach ihren Zukunftsplänen fragen. Nach Dienstschluss
„Ich habe sehr viele Pläne“, so Suppanz. En detail verraten möchte sie diese aber noch nicht. Eine nahtlos anknüpfende Theaterleitung an einem anderen Haus schließt sie jedenfalls aus. „Ich werde jetzt sicher nicht gleich von A nach B gehen, sondern möchte zunächst einmal Reisen unternehmen, insbesondere Theaterreisen!“ Wobei sie sich dabei auf eine fast vergessene Erfahrung freut: War sie nämlich in den letzten Jahren sozusagen immer mit voreingenommener Intendantenbrille auf der Nase unterwegs, so kann sie sich in Zukunft wieder völlig unvoreingenommen oder, wie es Suppanz formuliert „viel entspannter“ dem Theatervergnügen hingeben. „Die gute Nachricht ist, dass ich mich sehr darauf freue“, spielt sie darauf an, dass ihre Liebe zum Theater keinesfalls erloschen ist. „Es gibt keine Ermüdungserscheinungen!“ Sehr wohl aber große Neugierde, die Theaterszene nunmehr aus kritischer Distanz unter die Lupe zu nehmen, „für mich persönlich herauszufinden, wie es mit dem Theater weitergeht.“ Als Bekennerin zu einem Haus mit fixem Ensemble kann man erahnen, in welche Richtung Suppanz Gedanken gehen. Ebenso aus der Tatsache, „dass ich ‚Theatertheater‘ nicht mag“, wie sie offen bekennt. Vielmehr geht es ihr auch um einen volksbildenden Charakter. „Theater muss greifbar sein, Antworten geben. Es hat eine gesellschaftliche Funktion!“
Wenn man die Theatermacherin so voller Esprit reden hört, darf man jedenfalls aufatmen und mutmaßen, dass sie dem Theaterbetrieb nicht auf Dauer abhanden kommen wird.
Jetzt ist aber erst einmal „Frei-Zeit“ angesagt. In verstärktem Maße möchte Suppanz ihren großen Leidenschaften nachgehen: „Musik, Malerei, Architektur, Film, Theater, Menschen, Kinder – das sind meine Lebensthemen“, verrät sie. Beschäftigungen, die sie nicht oberflächlich ausüben, sondern in die Tiefe ergründen möchte. „Ich habe jetzt z. B. wieder mit der Lektüre alter Bücher begonnen. Wenn man sich darauf wirklich einlässt, kann das für ein Buch ein Jahr dauern! Oder im Bereich der Musik lese ich die Partituren, weil ich ihre Struktur verstehen möchte – dafür braucht man Zeit!“
Zeit, die gnadenlos fortschreitet. „Ich fürchte, dass ich all das, was ich tun möchte, in einem einzigen Leben gar nicht unterbringe“, meint Suppanz sodenn nachdenklich und fügt mit einem Hauch Bitterkeit hinzu. „Das ist schon auch irgendwie ein Fluch.“
Insbesondere der Fluch der Vielbegabten – Suppanz ist etwa auch Flötistin. Frieden zu finden ist deshalb schwer, denn sobald man das eine abgeschlossen hat, fordert das nächste seine Aufmerksamkeit ein. Blockiert dies nicht auch in gewisser Weise? „Nein, das nicht“, schüttelt Suppanz den Kopf, „aber ich empfinde diesen Umstand dennoch nicht gerade als beglückend. Es ist leider nicht so, dass ich etwa eine Briefmarkensammlung habe, in der mir vielleicht noch zwei, drei Marken fehlen. Und wenn ich diese dann endlich finde, zufrieden bin.“
Es bleibt sozusagen immer etwas zu tun, ein Ende gibt es nie. Für den Künstler ist dies Fluch und Segen zugleich, denn umgekehrt speist er gerade aus dieser Diskrepanz seine Produktivität und Energie. Wobei Suppanz auf meine Frage hin, ob sie ein Energiebündel sei, abwinkt. „Ich bin eher eine Grüblerin, eine Leserin. Wenn irgendwo mehr als sechs Personen zusammenstehen, dann weiß ich nicht recht, was ich machen soll. Da bin ich eher der Höhlenmensch.“
Dann aber einer mit enormen intellektuellen und kreativen Output, der viel Licht und Glanz für St. Pölten gebracht hat.