Ich bereue nichts
Ausgabe
Wenn es nach Tezcans Soylus Vater gegangen wäre, hätte der Spross ja der erste türkischstämmige Arzt in St. Pölten werden sollen. Allein, Soylu schmiss das Studium und machte sich auf seinen eigenen Weg auf: „Ich bereue nichts!“
Und seine Gäste sind schon gar nicht traurig darüber, denn mit Verlaub: Soylu wäre zwar vielleicht ein guter Arzt unter vielen geworden, aber – so behaupten wir jetzt mal salopp: Er ist ein noch besserer Wirt!
Auch, oder vielleicht gerade deshalb, weil ihm, als er vor über einem Jahrzehnt auf der Baustelle des heutigen EGON schuftet, nicht wenige ganz in Freundschaft wissen lassen: „Tezcan, du hast einen Vogel!“ Mag sein, was die Risiken betrifft. Soylu – der zu diesem Zeitpunkt schon sieben Jahre lang das „Mittendrin“ führte – hat aber vor allem eine Vision: „Ich wollte eine Mischung aus Lokal und Veranstaltungslocation eröffnen, einen Jazzkeller, wie es sie auch in Wien gab.“ Als ihm auf seiner Suche nach einer geeigneten Location die "Langmann Melly" angeboten wird, schlägt Soylu zu. „Das Lokal hat alles geboten: Den Keller, den Innenhof, das schöne Gewölbeambiente.“ Freilich, bedurfte es erst vieler Strapazen, Mühen und schlafloser Nächte, um aus dem alten Wirtshaus St. Pöltens vielleicht schönstes Beisl zu gestalten. Nicht ohne Stolz resümiert Soylu heute: „Es ist letztendlich genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte.“ Er verheimlicht aber auch nicht, dass der Weg ein steiniger war – auch aufgrund einer gewissen Naivität zu Beginn. „Der Aufwand war extrem. Ich hatte es baulich unterschätzt und mich finanziell verschätzt.“ Zahlreiche behördliche Auflagen treiben die Ausgaben weiter in die Höhe, das anvisierte Budget läuft aus dem Ruder, zumal Soylu wider Plan das Ganze allein „stemmen“ muss, nachdem sich sein ursprünglicher Kompagnon absentiert hat.
Trotzdem eröffnet das EGON (die Legende sagt, dass der Name – nachdem man keinen passenden finden konnte – genau das zum Ausdruck bringt: Ein Gasthaus Ohne Namen) vor genau 10 Jahren. Die Hütte ist knackevoll, St. Pölten ab sofort ein Stück urbaner und um einen Kulturbetrieb reicher. „Wir waren nie nur ein Lokal, sondern immer auch ein Kulturbetrieb!“, betont Soylu. Das Publikum kommt, bei unbekannteren Acts bleibt der Hype aber aus. „Kulturmäßig hab ich St. Pölten damals wohl überschätzt. Natürlich gab es viele, die gesagt haben ‚Das ist super, wir kommen!‘ Nur so viele waren es dann doch nicht.“ Die Folge ist, dass sich Soylu programmatisch umstellen muss, weil er sich finanziell zu verbluten beginnt. Von der öffentlichen Hand fühlt er sich dabei im Stich gelassen. „Weder die Stadt noch das Land haben je den eigentlichen Wert des EGON erkannt, was es für die Kultur in St. Pötlen leistet. Das EGON ist zu 50% ein Kulturbetrieb. Ohne Unterstützung ist gute Kultur in der Form aber nicht zu erhalten.“
Vom Land Niederösterreich fühlt er sich indirekt sogar existenziell angegriffen, weil es in seinen Augen die Mitbewerber übermäßig hochrüstet. Das Fass zum Überlaufen bringt diesbezüglich der Beschluss eines komplett neuen Veranstaltungssaales für das Cinema Paradiso, das aufgrund seiner ähnlichen Programmierung – wie es auch andere Szeneveranstalter in St. Pölten empfinden – eine öffentlich subventionierte Konkurrenz darstellt, die die nicht oder in Relation weniger subventionierten Mitbewerber unter Druck bringt. „Ich hab mich gefragt, nach welchen Kriterien läuft das ab? Wer ist förderwürdig und warum, wer nicht? Warum bekommt der eine soviel, und der andere, obwohl der dasselbe macht, so wenig?“, schüttelt Soylu den Kopf. „Obwohl das Land weiß, dass es bestehende Institutionen mit gutem Renommee und Potenzial gibt, richten sie z.B. das Café Publik neu ein!“, verweist er auch auf einen anderen Betrieb. Das Cinema Paradiso ist für Soylu überhaupt „das Paradebeispiel für Misswirtschaft von Fördergeldern, wo man einen Privatbetrieb massiv fördert, weil man dort halt offensichtlich Einfluss hat. Um mich nicht falsch zu verstehen. Das Cinema Paradiso gehört gefördert, aber in einer gesunden Relation zu allen. Ich habe versucht zu ergründen, woran die Abneigung mir gegenüber liegt – war ich zu aufdringlich? Glauben sie, dass ich die falsche politische Farbe habe? Vielleicht wollten sie mir auch nicht ins Gesicht sagen ‚Sie heißen nicht Gruber sondern Soylu.‘ Ich verstehe es bis heute nicht!“ Nachsatz: „Vielleicht braucht man auch einfach nur gute Beziehungen.“
Vor ca. einem Jahr zieht Soylu jedenfalls in Sachen Kulturprogramm die Reißleine. „Ich habe mich persönlich – bis auf wenige Ausnahmen – aus dem Veranstaltungssektor komplett zurückgezogen und stelle den Keller nur mehr für Kulturveranstaltungen zur Verfügung.“ Als befriedigend empfindet er das nicht, weil er gerne selbst „experimentieren würde. Ich kann sozusagen nicht mehr das bringen, was einzigartig, selten, spannend ist.“ Aber das Risiko sei zu hoch, und so gehören ehemalige EGON-Reihen wie Musikerfesitval, Bluesfestival, Frühjahrsfestival oder auch der Jazzherbst der Vergangenheit an. Ohne Zweifel ein kultureller Substanzverlust für St. Pölten, wenngleich im EGON nach wie vor tolle Veranstaltungen stattfinden und der Keller seinesgleichen sucht.
Auch aus der Initiative „Bühnenwirtshäuser“ hat sich der Wirt mehr oder weniger aus Protest zurückgezogen. „Damals hatte ich kurz den Eindruck, dass ich jetzt endlich die Anerkennung für all die geleistete Arbeit bekomme. Fakt ist aber, dass diese Vereinigung in der Form für das EGON keinen Sinn macht – ich hatte eher das Gefühl, dass man instrumentalisiert wird. Was bringt es, wenn ein Amstettner weiß, was wir im EGON machen, oder ein St. Pölten, was sich in Zwettl abspielt.“
Auch wenn aus diesen Ausführungen eine gewisse Frustration und Enttäuschung nicht zu überhören ist, stellt Soylu dezidiert klar, dass „ich noch immer mit Leidenschaft dabei bin. Es gibt so viele Dinge, die für mich schön sind, mich geprägt und bereichert haben: die Gespräche mit den Gästen, das Schmähführen – da ist auch sehr viel Persönliches drin. Und was andere mittels finanziellen Mitteln schaffen, machen wir hier eben mit Persönlichkeit wett.“ Das spürten die Gäste, und so verweist Soylu nicht ohne Stolz darauf, dass das Lokal nach wie vor funktioniert und über all die Jahre das hohe Niveau halten konnte. „Der höchste Lohn ist das positive Feedback der Gäste und der Künstler, die das Lokal, die Veranstaltungen, das gute Service schätzen. Die Leute gehen auch nach 10 Jahren noch immer gern her, weil wir eine gewisse Beständigkeit bewiesen haben. Das EGON ist immer noch das EGON! Es spricht für sich selbst!“
Und seine persönlich schönsten Erinnerungen? „Puh, das ist schwierig. Da sind so viele – zum einen natürlich die unzähligen Momente mit den Gästen, veranstaltungsmäßig hatten wir den Gitarristen von Supertramp da, die Imperial Crowns wollten nur mehr im EGON spielen, die WM- und EM-Übertragungen sind sensationell, und natürlich die Eröffnung vor 10 Jahren, die unglaublich berührend war!“ Beim Gedanken an damals wird Soylu einen Moment lang sentimental. „Das war damals ein so ein riesengroßer Schritt für mich persönlich. Ich hätte mich auch ruinieren können“, erinnert er sich. „Aber nach 10 Jahren kann ich sagen: Ich hab es richtig gemacht!“ Wobei da auch ein großer Wermutstropfen ist. „Eine Schattenseite war, dass ich mich zu sehr und zu ausschließlich auf die Arbeit konzentriert habe, während ich das Privatleben hintangestellt habe, auch die Familie. Das bedauere ich", sagt er nachdenklich. „Aber sonst ist das EGON eine Erfolgsgeschichte!“
Dem ist nichts hinzuzufügen, außer „Alles Gute zum Geburtstag EGON und dir, lieber Tezcan, vielen Dank für deine großartige Gastfreundschaft und die schönen Stunden in deinem Lokal!“ Tezcan Soylu Out of Türkiye
Eigentlich treffen wir einander ja, um über 10 Jahre Egon zu plaudern. Schließlich landen wir aber auch beim Thema „Integration“, zumal Tezcan Soylu ja gerne als „Paradebeispiel gelungener Integration“ vor den Vorhang gebeten wird – was durchaus auch irgendwie mit dem EGON zu tun hat.
Mein Vater ist 1970 nach St. Pölten gekommen und hat in der Glanzstoff zu arbeiten begonnen – er gehörte damals zu den ersten Gastarbeitern in der Stadt überhaupt“, erinnert sich Soylu an die Anfänge seiner Familie in Österreich. Die Republik suchte damals Gastarbeiter wie einen Bissen Brot (und betrieb u. a. eigene Anwerbestellen direkt in der Türkei oder Jugoslawien), um die österreichische Wirtschaft erfolgreich am Laufen zu halten – was dieser Bevölkerungsgruppe nebstbei eigentlich bis heute nie gebührend gedankt wurde. Die ersten zwei Jahre hält Emin Soylu allein die Stellung, dann erst kann er seine Familie nachholen. Ein Ereignis, das sich dem damals siebenjährigen Tezcan fest ins Gedächtnis eingebrannt hat. „Das war an einem 12. Februar. Ich bin sofort in die Schule gekommen, und da saß ich nun als schwarzer Bub in der letzten Reihe – meine Geschwister und ich waren die ersten Türken in der Volksschule Viehofen.“ Ins kalte Wasser gestoßen sozusagen, wobei Soylu nicht unglücklich über den Aufbruch nach Österreich war. „Ich habe die Schule in der Türkei gehasst! Dort gab es noch Prügelstrafe“, erinnert er sich, und auch an seine Form von Rache. „Als ich raus bin, war ich so glücklich, dass ich meine Schulbücher verbrannt habe!“ Mit Österreich verknüpft der Bub jedenfalls die Hoffnung, dass jetzt alles schöner, besser, anders wird. Dies erfüllt sich anfangs aber nur zum Teil, denn vor allem das Anderssein wird ihm rasch und belastend bewusst. „Das war schon eine schlimme Erfahrung, zu spüren, dass du anders bist, irgendwie nicht dazugehörst, keine Freunde hast.“ Der Unterschied ist dabei ein kultureller, sprachlicher – der Bub kann noch kein Wort Deutsch – sowie sozialer gleichermaßen. „Da prallten Welten aufeinander. In der Türkei waren wir sozusagen alle auf dem selben Level, alle waren gleich arm. Hier war ich in jeder Beziehung anders. Das Gewand, die altmodischen Schuhe, das Spielzeug, das ich nicht hatte. Natürlich die Sprache. Ich war völlig isoliert, bin irgendwie nicht rangekommen.“
Dabei machte er durchaus rasche Fortschritte, „in der vierten Klasse hatte ich schon einen Vorzug“, auch ein Netzwerk aus engen Freunden entsteht. Trotzdem bleibt Soylu als Bub eher schüchtern und zurückgezogen. Aus heutiger Sicht verweist er auf eine grundsätzliche Doppelbödigkeit, die ein bisschen an eine doppelte Mühle erinnert. „Das Gefühl des Andersseins geht ja zum einen von dir selbst aus, ebenso bekommst du es aber auch ununterbrochen vermittelt.“ Auch in Form von offenem Fremdenhass. Die demütigendste Erfahrung diesbezüglich macht Soylu, als er in einem Supermarkt eines Diebstahls verdächtigt wird und sich ausziehen muss – selbstredend, dass er nichts gestohlen hat. Aber es hätte ja sein können, bei den Ausländern weiß man ja nie. Verbale Attacken gehören ebenfalls zum Alltag. „Wir waren lang die Sündenböcke – die Tschuschen, die Polen, die Kümmeltürken“, verweist er auf eine ungustiöse Grundmentalität der Bevölkerung. „Aktuell sind es halt die Banker und die Griechen.“
Trotzdem geht er seinen Weg und emanzipiert sich. Das einschneidendste Erlebnis, ja eine Art „Erweckungserfahrung“, bedeutet die Matura. „Wenn ich mich nicht täusche, war ich der erste Türke in St. Pölten, der maturiert hat. Das war für mein Selbstbewusstsein enorm wichtig. Damals hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich jetzt mit den anderen auf Augenhöhe stehe, ganz abgekoppelt von meiner Ursprungskultur.“ Kurzum, dass er dazugehört und respektiert wird.
Zugleich kommt er an einem Punkt an, dem sich – wie er überzeugt ist – jeder Mensch mit anderem kulturellen Background stellen muss. „Irgendwann musst du eine Entscheidung fällen, wie du leben möchtest. Du musst dich zu einer Lebensweise bekennen, beides gleichzeitig geht nicht.“
Das heißt nicht, dass Soylu deshalb mit seiner Familie bricht. „Wir sind schon eingefleischt. Ich respektiere meine Eltern, die Tradition – die ich zum Teil auch mitlebe, das ist schon eine wichtige soziale Sicherheit“, aber er emanzipiert sich in gewisser Weise auch von den traditionellen Lebensmustern. Andere seiner Freunde wiederum gehen den umgekehrten Weg. „Ich habe türkische Freunde, die in ihrer Jugend viel unterwegs waren, in Discos gingen etc. Nach ihrer Heirat haben sie ihr Leben aber plötzlich komplett umgedreht und begonnen, sehr traditionell zu leben.“
Soylu sieht dies wertneutral, beides muss in einer offenen Gesellschaft möglich sein. Die Gründe dieses „Rückzuges“ ortet er in einem logischen Bedürfnis nach Geborgenheit. „Es ist für jeden Menschen wichtig zu wissen, wohin man gehört.“ Für Menschen mit „Migrationshintergrund“ ist aber gerade das oft schwierig. Sie geraten quasi zwischen die Fronten, eine Rollen- und Identitätskonfusion ist die Folge: Bin ich Türke? Bin ich Österreicher? Bin ich beides? Jemand, dem das Gefühl der Zughörigkeit nicht vermittelt werden kann – und es sei nun völlig dahingestellt, ob aus eigenem oder Fremdverschulden, „der verankert sich umso mehr in seiner Tradition, seiner Religion, dem, was er kennt und was ihm Heimat darstellt“, ist Soylu überzeugt.
Damit sind wir wohl bei einem Grundaspekt der Integrationsdebatten angekommen, wobei Soylu prinzipiell davon überzeugt ist, „dass DIE Integration, von der immer alle groß reden, in Wahrheit nur über Generationen funktioniert.“ All die Navratils, Kokoschkas und wie sie alle heißen sind bester Beweis dafür. Letztlich geht es darum, einander gegenseitig abzuholen. Was Soylu in den Debatten am meisten stört ist „dieser Stehsatz ‚Ihr müsst euch anpassen!‘ Wie soll das etwa ein Kind anstellen, wenn es schon grundsätzlich schwer zu verkraften ist, nicht dazuzugehören, es den Eindruck hat, keine Chance zu bekommen?“
Gerade hier müsse der Staat, die Gesellschaft ansetzen. „Aktuell haben die Jugendlichen wenig Perspektiven. Sie bekommen nur Forderungen um die Ohren geworfen: Macht dies, macht das, lernt Deutsch. Der Staat müsste aber auch vermitteln ‚Ihr seid anerkannt, seid hier zuhause, gehört dazu und werdet gleich behandelt.‘“ Konkret fordert Soylu etwa mehr Lehrstellen, ebenso müsse die Integrationsarbeit in den Schulen „wo zum Glück schon viel passiert“ noch weiter flexibler gestaltet werden. Schließlich schlägt er vor, dass Kinder, die nicht Deutsch können, „schon ein Jahr vorher in den Kindergarten gehen, um die Sprache lernen!“
All dies würde Erfolg zeitigen. Für Soylu war es ein weiter Weg vom isolierten türkischen Gastarbeiterkind zum integrierten österreichischen Wirten, der sich seiner Wurzeln bewusst ist. Er hat sich aus der Doppelmühle befreit, weiß wer er ist. Jedenfalls sehr österreichisch. „Jetzt ist für mich das Schöne und in gewisser Weise auch die Genugtuung, dass ich das Gefühl habe, ich kann auch schimpfen, kritisieren und öffentlich meine Meinung sagen wie alle anderen, selbst wenn ich ‚optisch‘ noch immer ein Türke bin und mich die Leute bisweilen mit gebrochenem Deutsch anreden“, lacht er. Nachsatz, was als Beleg manifester Integration betrachtet werden mag: „Das hat sicher auch mit dem EGON zu tun!“ Das eben mehr als „nur“ ein Lokal ist – nicht nur für die Gäste, sondern auch für Soylu selbst! Infos zum Thema:
Förderungswürdig
Im Hinblick auf die unterschiedlich hohe Förderung diverser (Jugend/Szene) Kulturinitiativen in St. Pölten richtete MFG folgende Fragen an die Abteilung Kunst und Kultur des Landes NÖ.
1.Nach welchen Kriterien erfolgt die Vergabe von Kultursubventionen des Landes NÖ? Wonach richtet sich die Höhe?
3.Wie sind die bisweilen großen Unterschiede zwischen geförderten Einrichtungen, die zum Teil ähnliche Programmierungen machen, zu erklären – z. B. in Sachen Kleinkunst cinema paradiso gegenüber EGON oder Seedose?
4.Werden die Vergaben vorort gescoutet und auf ihre Relevanz geprüft? Wie verschafft man sich ein Bild – was z. B. rechtfertigt 27.500 Euro für LAMES gegenüber Veranstaltern wie EGON, Seedose etc., die 1/3 davon bekommen?
5.Warum werden manche Förderansuchen wie z. B. vom Warehouse, die vergleichbares Programm wie etwa Café Publik oder Club3/Cinema Paradiso machen, abgelehnt?
6.Inwieweit wird die Gesamtszene einer Örtlichkeit berücksichtigt, so dass die Förderung eines Protagonisten nicht zu einer Konkurrenzierung anderer Betreiber führt? Abteilungsleiter Hermann Dikowitsch übermittelte hierzu folgende Stellungnahme: „Ein mannigfaltiges Kulturgeschehen kann nicht nach rein betriebswirtschaftlichen Prinzipien ermöglicht werden, sondern bedarf der Unterstützung durch die öffentliche Hand. [...] Die Förderung der Unabhängigkeit und der Freiheit von Kunst und Kultur stehen dabei im Zentrum. Aus Sicht der Abteilung Kunst und Kultur ist die Begleitung und Beratung von Projektträgern ein wichtiges Anliegen, um eine ziel- und zweckorientierte Verwendung der Mittel zu gewährleisten.
Die Vergabe von Kulturförderungen des Landes Niederösterreich erfolgt nach den Kriterien des Niederösterreichischen Kulturfördergesetzes 1996 und den dazu erlassenen Richtlinien. Kulturförderung soll demnach kein starres Regulativ sein, welches das Kulturleben in den Regionen beeinflusst. Die Kulturförderung soll Rahmenbedingungen schaffen, die kulturelle Vielfalt ermöglichen und das kreative Potential zur Entfaltung bringen. Die Landesförderung dient auch der Unterstützung privater Kulturinitiativen und soll zugleich die kulturelle Eigenständigkeit des Landes Niederösterreich stärken. Daher wird jedes Förderansuchen einer Einzelprüfung unterzogen. Die künstlerische Qualität des Projektes, die regionale Impulskraft sowie der Finanzierungsbedarf sind Bemessungsgrundlagen für die Fördervergabe. Das Ziel der Förderung ist nicht die Gleichbehandlung im Sinne der Ausschüttung gleich hoher Förderbeiträge, sondern individuell abgestimmte Förderungen, die ein vielfältiges kulturelles Schaffen ermöglichen sollen."
Auch, oder vielleicht gerade deshalb, weil ihm, als er vor über einem Jahrzehnt auf der Baustelle des heutigen EGON schuftet, nicht wenige ganz in Freundschaft wissen lassen: „Tezcan, du hast einen Vogel!“ Mag sein, was die Risiken betrifft. Soylu – der zu diesem Zeitpunkt schon sieben Jahre lang das „Mittendrin“ führte – hat aber vor allem eine Vision: „Ich wollte eine Mischung aus Lokal und Veranstaltungslocation eröffnen, einen Jazzkeller, wie es sie auch in Wien gab.“ Als ihm auf seiner Suche nach einer geeigneten Location die "Langmann Melly" angeboten wird, schlägt Soylu zu. „Das Lokal hat alles geboten: Den Keller, den Innenhof, das schöne Gewölbeambiente.“ Freilich, bedurfte es erst vieler Strapazen, Mühen und schlafloser Nächte, um aus dem alten Wirtshaus St. Pöltens vielleicht schönstes Beisl zu gestalten. Nicht ohne Stolz resümiert Soylu heute: „Es ist letztendlich genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte.“ Er verheimlicht aber auch nicht, dass der Weg ein steiniger war – auch aufgrund einer gewissen Naivität zu Beginn. „Der Aufwand war extrem. Ich hatte es baulich unterschätzt und mich finanziell verschätzt.“ Zahlreiche behördliche Auflagen treiben die Ausgaben weiter in die Höhe, das anvisierte Budget läuft aus dem Ruder, zumal Soylu wider Plan das Ganze allein „stemmen“ muss, nachdem sich sein ursprünglicher Kompagnon absentiert hat.
Trotzdem eröffnet das EGON (die Legende sagt, dass der Name – nachdem man keinen passenden finden konnte – genau das zum Ausdruck bringt: Ein Gasthaus Ohne Namen) vor genau 10 Jahren. Die Hütte ist knackevoll, St. Pölten ab sofort ein Stück urbaner und um einen Kulturbetrieb reicher. „Wir waren nie nur ein Lokal, sondern immer auch ein Kulturbetrieb!“, betont Soylu. Das Publikum kommt, bei unbekannteren Acts bleibt der Hype aber aus. „Kulturmäßig hab ich St. Pölten damals wohl überschätzt. Natürlich gab es viele, die gesagt haben ‚Das ist super, wir kommen!‘ Nur so viele waren es dann doch nicht.“ Die Folge ist, dass sich Soylu programmatisch umstellen muss, weil er sich finanziell zu verbluten beginnt. Von der öffentlichen Hand fühlt er sich dabei im Stich gelassen. „Weder die Stadt noch das Land haben je den eigentlichen Wert des EGON erkannt, was es für die Kultur in St. Pötlen leistet. Das EGON ist zu 50% ein Kulturbetrieb. Ohne Unterstützung ist gute Kultur in der Form aber nicht zu erhalten.“
Vom Land Niederösterreich fühlt er sich indirekt sogar existenziell angegriffen, weil es in seinen Augen die Mitbewerber übermäßig hochrüstet. Das Fass zum Überlaufen bringt diesbezüglich der Beschluss eines komplett neuen Veranstaltungssaales für das Cinema Paradiso, das aufgrund seiner ähnlichen Programmierung – wie es auch andere Szeneveranstalter in St. Pölten empfinden – eine öffentlich subventionierte Konkurrenz darstellt, die die nicht oder in Relation weniger subventionierten Mitbewerber unter Druck bringt. „Ich hab mich gefragt, nach welchen Kriterien läuft das ab? Wer ist förderwürdig und warum, wer nicht? Warum bekommt der eine soviel, und der andere, obwohl der dasselbe macht, so wenig?“, schüttelt Soylu den Kopf. „Obwohl das Land weiß, dass es bestehende Institutionen mit gutem Renommee und Potenzial gibt, richten sie z.B. das Café Publik neu ein!“, verweist er auch auf einen anderen Betrieb. Das Cinema Paradiso ist für Soylu überhaupt „das Paradebeispiel für Misswirtschaft von Fördergeldern, wo man einen Privatbetrieb massiv fördert, weil man dort halt offensichtlich Einfluss hat. Um mich nicht falsch zu verstehen. Das Cinema Paradiso gehört gefördert, aber in einer gesunden Relation zu allen. Ich habe versucht zu ergründen, woran die Abneigung mir gegenüber liegt – war ich zu aufdringlich? Glauben sie, dass ich die falsche politische Farbe habe? Vielleicht wollten sie mir auch nicht ins Gesicht sagen ‚Sie heißen nicht Gruber sondern Soylu.‘ Ich verstehe es bis heute nicht!“ Nachsatz: „Vielleicht braucht man auch einfach nur gute Beziehungen.“
Vor ca. einem Jahr zieht Soylu jedenfalls in Sachen Kulturprogramm die Reißleine. „Ich habe mich persönlich – bis auf wenige Ausnahmen – aus dem Veranstaltungssektor komplett zurückgezogen und stelle den Keller nur mehr für Kulturveranstaltungen zur Verfügung.“ Als befriedigend empfindet er das nicht, weil er gerne selbst „experimentieren würde. Ich kann sozusagen nicht mehr das bringen, was einzigartig, selten, spannend ist.“ Aber das Risiko sei zu hoch, und so gehören ehemalige EGON-Reihen wie Musikerfesitval, Bluesfestival, Frühjahrsfestival oder auch der Jazzherbst der Vergangenheit an. Ohne Zweifel ein kultureller Substanzverlust für St. Pölten, wenngleich im EGON nach wie vor tolle Veranstaltungen stattfinden und der Keller seinesgleichen sucht.
Auch aus der Initiative „Bühnenwirtshäuser“ hat sich der Wirt mehr oder weniger aus Protest zurückgezogen. „Damals hatte ich kurz den Eindruck, dass ich jetzt endlich die Anerkennung für all die geleistete Arbeit bekomme. Fakt ist aber, dass diese Vereinigung in der Form für das EGON keinen Sinn macht – ich hatte eher das Gefühl, dass man instrumentalisiert wird. Was bringt es, wenn ein Amstettner weiß, was wir im EGON machen, oder ein St. Pölten, was sich in Zwettl abspielt.“
Auch wenn aus diesen Ausführungen eine gewisse Frustration und Enttäuschung nicht zu überhören ist, stellt Soylu dezidiert klar, dass „ich noch immer mit Leidenschaft dabei bin. Es gibt so viele Dinge, die für mich schön sind, mich geprägt und bereichert haben: die Gespräche mit den Gästen, das Schmähführen – da ist auch sehr viel Persönliches drin. Und was andere mittels finanziellen Mitteln schaffen, machen wir hier eben mit Persönlichkeit wett.“ Das spürten die Gäste, und so verweist Soylu nicht ohne Stolz darauf, dass das Lokal nach wie vor funktioniert und über all die Jahre das hohe Niveau halten konnte. „Der höchste Lohn ist das positive Feedback der Gäste und der Künstler, die das Lokal, die Veranstaltungen, das gute Service schätzen. Die Leute gehen auch nach 10 Jahren noch immer gern her, weil wir eine gewisse Beständigkeit bewiesen haben. Das EGON ist immer noch das EGON! Es spricht für sich selbst!“
Und seine persönlich schönsten Erinnerungen? „Puh, das ist schwierig. Da sind so viele – zum einen natürlich die unzähligen Momente mit den Gästen, veranstaltungsmäßig hatten wir den Gitarristen von Supertramp da, die Imperial Crowns wollten nur mehr im EGON spielen, die WM- und EM-Übertragungen sind sensationell, und natürlich die Eröffnung vor 10 Jahren, die unglaublich berührend war!“ Beim Gedanken an damals wird Soylu einen Moment lang sentimental. „Das war damals ein so ein riesengroßer Schritt für mich persönlich. Ich hätte mich auch ruinieren können“, erinnert er sich. „Aber nach 10 Jahren kann ich sagen: Ich hab es richtig gemacht!“ Wobei da auch ein großer Wermutstropfen ist. „Eine Schattenseite war, dass ich mich zu sehr und zu ausschließlich auf die Arbeit konzentriert habe, während ich das Privatleben hintangestellt habe, auch die Familie. Das bedauere ich", sagt er nachdenklich. „Aber sonst ist das EGON eine Erfolgsgeschichte!“
Dem ist nichts hinzuzufügen, außer „Alles Gute zum Geburtstag EGON und dir, lieber Tezcan, vielen Dank für deine großartige Gastfreundschaft und die schönen Stunden in deinem Lokal!“ Tezcan Soylu Out of Türkiye
Eigentlich treffen wir einander ja, um über 10 Jahre Egon zu plaudern. Schließlich landen wir aber auch beim Thema „Integration“, zumal Tezcan Soylu ja gerne als „Paradebeispiel gelungener Integration“ vor den Vorhang gebeten wird – was durchaus auch irgendwie mit dem EGON zu tun hat.
Mein Vater ist 1970 nach St. Pölten gekommen und hat in der Glanzstoff zu arbeiten begonnen – er gehörte damals zu den ersten Gastarbeitern in der Stadt überhaupt“, erinnert sich Soylu an die Anfänge seiner Familie in Österreich. Die Republik suchte damals Gastarbeiter wie einen Bissen Brot (und betrieb u. a. eigene Anwerbestellen direkt in der Türkei oder Jugoslawien), um die österreichische Wirtschaft erfolgreich am Laufen zu halten – was dieser Bevölkerungsgruppe nebstbei eigentlich bis heute nie gebührend gedankt wurde. Die ersten zwei Jahre hält Emin Soylu allein die Stellung, dann erst kann er seine Familie nachholen. Ein Ereignis, das sich dem damals siebenjährigen Tezcan fest ins Gedächtnis eingebrannt hat. „Das war an einem 12. Februar. Ich bin sofort in die Schule gekommen, und da saß ich nun als schwarzer Bub in der letzten Reihe – meine Geschwister und ich waren die ersten Türken in der Volksschule Viehofen.“ Ins kalte Wasser gestoßen sozusagen, wobei Soylu nicht unglücklich über den Aufbruch nach Österreich war. „Ich habe die Schule in der Türkei gehasst! Dort gab es noch Prügelstrafe“, erinnert er sich, und auch an seine Form von Rache. „Als ich raus bin, war ich so glücklich, dass ich meine Schulbücher verbrannt habe!“ Mit Österreich verknüpft der Bub jedenfalls die Hoffnung, dass jetzt alles schöner, besser, anders wird. Dies erfüllt sich anfangs aber nur zum Teil, denn vor allem das Anderssein wird ihm rasch und belastend bewusst. „Das war schon eine schlimme Erfahrung, zu spüren, dass du anders bist, irgendwie nicht dazugehörst, keine Freunde hast.“ Der Unterschied ist dabei ein kultureller, sprachlicher – der Bub kann noch kein Wort Deutsch – sowie sozialer gleichermaßen. „Da prallten Welten aufeinander. In der Türkei waren wir sozusagen alle auf dem selben Level, alle waren gleich arm. Hier war ich in jeder Beziehung anders. Das Gewand, die altmodischen Schuhe, das Spielzeug, das ich nicht hatte. Natürlich die Sprache. Ich war völlig isoliert, bin irgendwie nicht rangekommen.“
Dabei machte er durchaus rasche Fortschritte, „in der vierten Klasse hatte ich schon einen Vorzug“, auch ein Netzwerk aus engen Freunden entsteht. Trotzdem bleibt Soylu als Bub eher schüchtern und zurückgezogen. Aus heutiger Sicht verweist er auf eine grundsätzliche Doppelbödigkeit, die ein bisschen an eine doppelte Mühle erinnert. „Das Gefühl des Andersseins geht ja zum einen von dir selbst aus, ebenso bekommst du es aber auch ununterbrochen vermittelt.“ Auch in Form von offenem Fremdenhass. Die demütigendste Erfahrung diesbezüglich macht Soylu, als er in einem Supermarkt eines Diebstahls verdächtigt wird und sich ausziehen muss – selbstredend, dass er nichts gestohlen hat. Aber es hätte ja sein können, bei den Ausländern weiß man ja nie. Verbale Attacken gehören ebenfalls zum Alltag. „Wir waren lang die Sündenböcke – die Tschuschen, die Polen, die Kümmeltürken“, verweist er auf eine ungustiöse Grundmentalität der Bevölkerung. „Aktuell sind es halt die Banker und die Griechen.“
Trotzdem geht er seinen Weg und emanzipiert sich. Das einschneidendste Erlebnis, ja eine Art „Erweckungserfahrung“, bedeutet die Matura. „Wenn ich mich nicht täusche, war ich der erste Türke in St. Pölten, der maturiert hat. Das war für mein Selbstbewusstsein enorm wichtig. Damals hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich jetzt mit den anderen auf Augenhöhe stehe, ganz abgekoppelt von meiner Ursprungskultur.“ Kurzum, dass er dazugehört und respektiert wird.
Zugleich kommt er an einem Punkt an, dem sich – wie er überzeugt ist – jeder Mensch mit anderem kulturellen Background stellen muss. „Irgendwann musst du eine Entscheidung fällen, wie du leben möchtest. Du musst dich zu einer Lebensweise bekennen, beides gleichzeitig geht nicht.“
Das heißt nicht, dass Soylu deshalb mit seiner Familie bricht. „Wir sind schon eingefleischt. Ich respektiere meine Eltern, die Tradition – die ich zum Teil auch mitlebe, das ist schon eine wichtige soziale Sicherheit“, aber er emanzipiert sich in gewisser Weise auch von den traditionellen Lebensmustern. Andere seiner Freunde wiederum gehen den umgekehrten Weg. „Ich habe türkische Freunde, die in ihrer Jugend viel unterwegs waren, in Discos gingen etc. Nach ihrer Heirat haben sie ihr Leben aber plötzlich komplett umgedreht und begonnen, sehr traditionell zu leben.“
Soylu sieht dies wertneutral, beides muss in einer offenen Gesellschaft möglich sein. Die Gründe dieses „Rückzuges“ ortet er in einem logischen Bedürfnis nach Geborgenheit. „Es ist für jeden Menschen wichtig zu wissen, wohin man gehört.“ Für Menschen mit „Migrationshintergrund“ ist aber gerade das oft schwierig. Sie geraten quasi zwischen die Fronten, eine Rollen- und Identitätskonfusion ist die Folge: Bin ich Türke? Bin ich Österreicher? Bin ich beides? Jemand, dem das Gefühl der Zughörigkeit nicht vermittelt werden kann – und es sei nun völlig dahingestellt, ob aus eigenem oder Fremdverschulden, „der verankert sich umso mehr in seiner Tradition, seiner Religion, dem, was er kennt und was ihm Heimat darstellt“, ist Soylu überzeugt.
Damit sind wir wohl bei einem Grundaspekt der Integrationsdebatten angekommen, wobei Soylu prinzipiell davon überzeugt ist, „dass DIE Integration, von der immer alle groß reden, in Wahrheit nur über Generationen funktioniert.“ All die Navratils, Kokoschkas und wie sie alle heißen sind bester Beweis dafür. Letztlich geht es darum, einander gegenseitig abzuholen. Was Soylu in den Debatten am meisten stört ist „dieser Stehsatz ‚Ihr müsst euch anpassen!‘ Wie soll das etwa ein Kind anstellen, wenn es schon grundsätzlich schwer zu verkraften ist, nicht dazuzugehören, es den Eindruck hat, keine Chance zu bekommen?“
Gerade hier müsse der Staat, die Gesellschaft ansetzen. „Aktuell haben die Jugendlichen wenig Perspektiven. Sie bekommen nur Forderungen um die Ohren geworfen: Macht dies, macht das, lernt Deutsch. Der Staat müsste aber auch vermitteln ‚Ihr seid anerkannt, seid hier zuhause, gehört dazu und werdet gleich behandelt.‘“ Konkret fordert Soylu etwa mehr Lehrstellen, ebenso müsse die Integrationsarbeit in den Schulen „wo zum Glück schon viel passiert“ noch weiter flexibler gestaltet werden. Schließlich schlägt er vor, dass Kinder, die nicht Deutsch können, „schon ein Jahr vorher in den Kindergarten gehen, um die Sprache lernen!“
All dies würde Erfolg zeitigen. Für Soylu war es ein weiter Weg vom isolierten türkischen Gastarbeiterkind zum integrierten österreichischen Wirten, der sich seiner Wurzeln bewusst ist. Er hat sich aus der Doppelmühle befreit, weiß wer er ist. Jedenfalls sehr österreichisch. „Jetzt ist für mich das Schöne und in gewisser Weise auch die Genugtuung, dass ich das Gefühl habe, ich kann auch schimpfen, kritisieren und öffentlich meine Meinung sagen wie alle anderen, selbst wenn ich ‚optisch‘ noch immer ein Türke bin und mich die Leute bisweilen mit gebrochenem Deutsch anreden“, lacht er. Nachsatz, was als Beleg manifester Integration betrachtet werden mag: „Das hat sicher auch mit dem EGON zu tun!“ Das eben mehr als „nur“ ein Lokal ist – nicht nur für die Gäste, sondern auch für Soylu selbst! Infos zum Thema:
Förderungswürdig
Im Hinblick auf die unterschiedlich hohe Förderung diverser (Jugend/Szene) Kulturinitiativen in St. Pölten richtete MFG folgende Fragen an die Abteilung Kunst und Kultur des Landes NÖ.
1.Nach welchen Kriterien erfolgt die Vergabe von Kultursubventionen des Landes NÖ? Wonach richtet sich die Höhe?
3.Wie sind die bisweilen großen Unterschiede zwischen geförderten Einrichtungen, die zum Teil ähnliche Programmierungen machen, zu erklären – z. B. in Sachen Kleinkunst cinema paradiso gegenüber EGON oder Seedose?
4.Werden die Vergaben vorort gescoutet und auf ihre Relevanz geprüft? Wie verschafft man sich ein Bild – was z. B. rechtfertigt 27.500 Euro für LAMES gegenüber Veranstaltern wie EGON, Seedose etc., die 1/3 davon bekommen?
5.Warum werden manche Förderansuchen wie z. B. vom Warehouse, die vergleichbares Programm wie etwa Café Publik oder Club3/Cinema Paradiso machen, abgelehnt?
6.Inwieweit wird die Gesamtszene einer Örtlichkeit berücksichtigt, so dass die Förderung eines Protagonisten nicht zu einer Konkurrenzierung anderer Betreiber führt? Abteilungsleiter Hermann Dikowitsch übermittelte hierzu folgende Stellungnahme: „Ein mannigfaltiges Kulturgeschehen kann nicht nach rein betriebswirtschaftlichen Prinzipien ermöglicht werden, sondern bedarf der Unterstützung durch die öffentliche Hand. [...] Die Förderung der Unabhängigkeit und der Freiheit von Kunst und Kultur stehen dabei im Zentrum. Aus Sicht der Abteilung Kunst und Kultur ist die Begleitung und Beratung von Projektträgern ein wichtiges Anliegen, um eine ziel- und zweckorientierte Verwendung der Mittel zu gewährleisten.
Die Vergabe von Kulturförderungen des Landes Niederösterreich erfolgt nach den Kriterien des Niederösterreichischen Kulturfördergesetzes 1996 und den dazu erlassenen Richtlinien. Kulturförderung soll demnach kein starres Regulativ sein, welches das Kulturleben in den Regionen beeinflusst. Die Kulturförderung soll Rahmenbedingungen schaffen, die kulturelle Vielfalt ermöglichen und das kreative Potential zur Entfaltung bringen. Die Landesförderung dient auch der Unterstützung privater Kulturinitiativen und soll zugleich die kulturelle Eigenständigkeit des Landes Niederösterreich stärken. Daher wird jedes Förderansuchen einer Einzelprüfung unterzogen. Die künstlerische Qualität des Projektes, die regionale Impulskraft sowie der Finanzierungsbedarf sind Bemessungsgrundlagen für die Fördervergabe. Das Ziel der Förderung ist nicht die Gleichbehandlung im Sinne der Ausschüttung gleich hoher Förderbeiträge, sondern individuell abgestimmte Förderungen, die ein vielfältiges kulturelles Schaffen ermöglichen sollen."