So viele Ideen in meinem Kopf
Ausgabe
Ihr Text „Junge Hunde“ spaltete die kritische Jury beim Bachmann-Preis 2012 in zwei Lager, ließ aber nicht nur ihre Fangemeinde bei der Online-Abstimmung kräftig voten. Fazit, die junge, in St. Pölten geborene Autorin Cornelia Travnicek holte sich heuer den von der BKS Bank gestifteten, begehrten Ingeborg Bachmann-Publikumspreis.
Zehn Minuten vorher bin ich dann sehr nervös und aufgeregt gewesen“, reüssiert Cornelia Travnicek die Zeitspanne, ehe sie mit dem Lesen vor der Jury begann, „aber dann habe ich wieder das Grundvertrauen in meinen Text bekommen.“ Wie sie mit dieser Art Prüfungssituation, die ja mehr einem Tribunal gleicht, fertig wurde? „Vor meiner Matura war ich nervöser, weil ich wusste, dass ich, wenn ich dabei durchfalle, wiederkommen muss. Gut, das machen manche beim Bachmann-Preis auch, wiederkommen, wenn sie nicht überzeugen können, aber so gesehen, war es für mich hier leichter.“
Selbstsicher, das ist die junge 25-jährige Autorin, die in Wien und Traismauer lebt. „Meine Selbstsicherheit ist aber hart erarbeitet“, so Travnicek, die sich als Schülerin kaum in der Lage sah, vor der Klasse ein Gedicht aufzusagen.
Im Laufe dieser Entwicklung stellte sich dann für Travnicek die Frage, warum Zuhörer überhaupt Lesungen besuchen. „Du musst einfach gut lesen, damit sie kommen. Es ist ja irrsinnig anstrengend, für beide Seiten. Aber wenn es gut geht und man vom Publikum etwas retour bekommt, dann ist man erleichtert“, gibt sich die Autorin da ganz als Pragmatikerin.
Mit „Junge Hunde“ wählte sie für Klagenfurt einen Text aus, der vordergründig vom Erinnern an die Jugend der Protagonistin handelt, die Leserschaft aber auch mit dem Sterben und dem Abschied vom Elternhaus und der Begleitung, Abschiebung des Vaters ins Altersheim konfrontiert. „Es ist ein in sich geschlossener Text, mit Verschachtelungen, die ich gern habe“, so Travnicek. Sehr bewusst so konstruiert, und doch kommt er sehr leicht daher. Daran schieden sich auch die Geister der Jury. Text entzweite Bachmann-Jury
Während die eine Fraktion unter der Wortführung von Meike Feßmann und Hubert Winkels, der ihren Text auch für den Bewerb vorschlug, gerade diese Leichtigkeit, diesen scheinbar naiven Erzählton, „warmen Pragmatismus“ und die „tollen Einfälle“ sowie die „wunderbaren kleinen Handgriffe und Tricks“ lobte, kam besonders Kritik von Corinna Caduff, die einen eigenen Stil und den Mangel an Tiefe des Textes für sich vergeblich suchte, und Paul Jandl, der die Sprache „banal und simpel“ und ohne „tiefe Geheimnisse“ fand.
„Ich habe gewisse Vorstellungen, was ein Text auslösen soll, welches Stimmungsbild, welches Stimmungsmosaik er erzeugt. Ich komme ja aus der Lyrik. Da lässt man mit 10 Zeilen ein bestimmtes Gefühl erstehen. Und ich finde nicht, dass ich noch keinen eigenen Stil habe, das merke ich auch bei den Rückmeldungen meiner Leser. Meine Texte erkennt man absolut wieder. Die Diskussion um meine Geschichte habe ich aber ganz interessant gefunden“, erzählt die junge Autorin über ihren Literaturauftritt in Klagenfurt.
Nur den Einwand von Carduff, dass sie auf der ersten Seite dreimal das Wort „groß“ verwendete, fand sie etwas eigenartig. „Da musste ich lachen.“ Richtig gestört hat Cornelia Travnicek bei der intellektuellen Zerpflückung ihres Textes dann aber der Satz: „Sie sind ja erst 25 …“
Muss man älter sein, um ernst zu nehmende Literatur zu schreiben? „Am Vormittag lasen Autoren vor, die 24 Jahre alt waren, und da war das auch kein Thema. In der Literatur bin ich ein Küken. Es ist immer wieder das Thema des Jungseins. Bei der jungen Autorin, dem jungen Autor unterstellt man gleich einmal dem Text Fehlerhaftigkeit, das Gleiche wird aber bei arrivierten Autoren als Absicht bezeichnet“, gibt sich Travnicek kämpferisch. Schließlich verkaufen sich jetzt gerade junge Autorinnen sehr gut, „aber manchmal hat man das Gefühl nicht ernst genommen zu werden.“ Literatur muss verstören und unterhalten
Ernst genommen wurde sie aber am Ende der Jurydiskussion dann doch, denn im heißen Diskurs um die Frage, muss Literatur ausnahmslos verstören oder darf sie dabei nicht auch unterhalten, einigten sie sich auf beides.
Wie sagt die Autorin selbst dazu: „Jeder Text erreicht seine Leute, in jedem kann man den Einstieg verpassen oder nicht, für mich muss Literatur eben verstören und unterhalten.“ Und das Publikumsvoting gab ihr Recht. Sie erhielt den Bachmann-Publikumspreis, gestiftet von der BKS Bank, in der Höhe von 7.000 Euro, verbunden mit einem Stadtschreiberstipendium in Klagenfurt. Ihr Bezug zu Bachmann
Welchen Bezug sie eigentlich zu Ingeborg Bachmann hat? „Ich bin schon sehr früh mit ihren Gedichten in Berührung gekommen, habe mir ihre Bücher selbst gekauft. Bin über ihre Lyrik zur Lyrik gekommen.“ Wie Bachmann in „Malina“ hat Travnicek auch in ihrem Text „Junge Hunde“ mit Märchensequenzen gearbeitet, die sich vom scheinbar Realen des Textes unterscheiden, ein bewusste Annäherung an die große Schriftstellerin, die über das Schreiben oft als „eine der schmerzlichsten Todesarten“ und „ein unzureichender Ersatz für unerfüllte Liebe“ sprach. „Das ist eine literaturwissenschaftliche Frage, das sollen andere, vielleicht in 50 Jahren entscheiden“, gibt sich Travnicek wieder pragmatisch und lächelt. Fragen aufwerfen
Nach ihrem jüngst herausgekommenen, fünften Buch, dem Roman „Chucks“, und ihrem Auftritt beim Bachmann-Preis will sie nun zwei bis zweieinhalb Jahr warten, bis ein neues Buch erscheinen soll. „Das ist so ein richtiger Abstand, ich werde viele Lesungen machen und arbeite natürlich auch schon an einem neuen Roman.“
Den schreibt sie im Zug, während sie von Wien (wo sie einen Halbtagsjob als Programmiererin am Zentrum für Virtual Reality im Wiener Tech Gate hat und Sinologie studiert) nach Krems (wo sie ihre „tea-licious“ Bubbletea Boutique betreibt) pendelt sowie in ihrem Heimatort Traismauer. „Chucks habe ich vorwiegend in der Straßenbahn geschrieben, aber wenn wer neben mir sitzt, dann geht das nicht. Alles, was im Werden ist, darf keiner sehen. Da bin ich das erste und wichtigste Publikum meiner Texte.“
Warum sie eigentlich schreibt? „Weil sonst meine Geschichten nicht weggehen, ich hab so viele Ideen, da wäre mein Kopf ziemlich hoch.“ Auch wenn sie ihre langen Dreadlocks nach oben steckt, „das wär‘ kein zusätzlicher Stauraum.“
Von Mai bis September 2013 wird sie dann Stadtschreiberin in Klagenfurt. „Ich kann natürlich wegen meines Geschäftes und Berufes nicht 100% dort sein, aber ich möchte die Klagenfurter überraschen, Projekte für den öffentlichen Raum gestalten. Zwar mich nicht gleich unbeliebt machen, aber doch nach dem sokratischen Ansatz, wonach Kunst Fragen aufwerfen soll und nicht Antwort geben, arbeiten. Und da gibt es schon konkrete Fragen, die ich in Kärnten stellen kann.“
Ob es von der leidenschaftlichen Motorradfahrerin, die gern mit ihrer Suzuki 650 SV, ihrem „Naked Bike“ herumcruised, auch einmal einen Bikerroman geben wird? „So gut kann ich nicht fahren, das wäre dann höchstens eine Komödie.“
Am 19. Oktober liest Cornelia Travnicek im Rahmen von „Blätterwirbel“ um 10 Uhr im Stadtmuseum St. Pölten und in der Reihe „Österreich liest“ um 18 Uhr in der Stadtbücherei St. Pölten aus ihrem Roman „Chucks“.
Selbstsicher, das ist die junge 25-jährige Autorin, die in Wien und Traismauer lebt. „Meine Selbstsicherheit ist aber hart erarbeitet“, so Travnicek, die sich als Schülerin kaum in der Lage sah, vor der Klasse ein Gedicht aufzusagen.
Im Laufe dieser Entwicklung stellte sich dann für Travnicek die Frage, warum Zuhörer überhaupt Lesungen besuchen. „Du musst einfach gut lesen, damit sie kommen. Es ist ja irrsinnig anstrengend, für beide Seiten. Aber wenn es gut geht und man vom Publikum etwas retour bekommt, dann ist man erleichtert“, gibt sich die Autorin da ganz als Pragmatikerin.
Mit „Junge Hunde“ wählte sie für Klagenfurt einen Text aus, der vordergründig vom Erinnern an die Jugend der Protagonistin handelt, die Leserschaft aber auch mit dem Sterben und dem Abschied vom Elternhaus und der Begleitung, Abschiebung des Vaters ins Altersheim konfrontiert. „Es ist ein in sich geschlossener Text, mit Verschachtelungen, die ich gern habe“, so Travnicek. Sehr bewusst so konstruiert, und doch kommt er sehr leicht daher. Daran schieden sich auch die Geister der Jury. Text entzweite Bachmann-Jury
Während die eine Fraktion unter der Wortführung von Meike Feßmann und Hubert Winkels, der ihren Text auch für den Bewerb vorschlug, gerade diese Leichtigkeit, diesen scheinbar naiven Erzählton, „warmen Pragmatismus“ und die „tollen Einfälle“ sowie die „wunderbaren kleinen Handgriffe und Tricks“ lobte, kam besonders Kritik von Corinna Caduff, die einen eigenen Stil und den Mangel an Tiefe des Textes für sich vergeblich suchte, und Paul Jandl, der die Sprache „banal und simpel“ und ohne „tiefe Geheimnisse“ fand.
„Ich habe gewisse Vorstellungen, was ein Text auslösen soll, welches Stimmungsbild, welches Stimmungsmosaik er erzeugt. Ich komme ja aus der Lyrik. Da lässt man mit 10 Zeilen ein bestimmtes Gefühl erstehen. Und ich finde nicht, dass ich noch keinen eigenen Stil habe, das merke ich auch bei den Rückmeldungen meiner Leser. Meine Texte erkennt man absolut wieder. Die Diskussion um meine Geschichte habe ich aber ganz interessant gefunden“, erzählt die junge Autorin über ihren Literaturauftritt in Klagenfurt.
Nur den Einwand von Carduff, dass sie auf der ersten Seite dreimal das Wort „groß“ verwendete, fand sie etwas eigenartig. „Da musste ich lachen.“ Richtig gestört hat Cornelia Travnicek bei der intellektuellen Zerpflückung ihres Textes dann aber der Satz: „Sie sind ja erst 25 …“
Muss man älter sein, um ernst zu nehmende Literatur zu schreiben? „Am Vormittag lasen Autoren vor, die 24 Jahre alt waren, und da war das auch kein Thema. In der Literatur bin ich ein Küken. Es ist immer wieder das Thema des Jungseins. Bei der jungen Autorin, dem jungen Autor unterstellt man gleich einmal dem Text Fehlerhaftigkeit, das Gleiche wird aber bei arrivierten Autoren als Absicht bezeichnet“, gibt sich Travnicek kämpferisch. Schließlich verkaufen sich jetzt gerade junge Autorinnen sehr gut, „aber manchmal hat man das Gefühl nicht ernst genommen zu werden.“ Literatur muss verstören und unterhalten
Ernst genommen wurde sie aber am Ende der Jurydiskussion dann doch, denn im heißen Diskurs um die Frage, muss Literatur ausnahmslos verstören oder darf sie dabei nicht auch unterhalten, einigten sie sich auf beides.
Wie sagt die Autorin selbst dazu: „Jeder Text erreicht seine Leute, in jedem kann man den Einstieg verpassen oder nicht, für mich muss Literatur eben verstören und unterhalten.“ Und das Publikumsvoting gab ihr Recht. Sie erhielt den Bachmann-Publikumspreis, gestiftet von der BKS Bank, in der Höhe von 7.000 Euro, verbunden mit einem Stadtschreiberstipendium in Klagenfurt. Ihr Bezug zu Bachmann
Welchen Bezug sie eigentlich zu Ingeborg Bachmann hat? „Ich bin schon sehr früh mit ihren Gedichten in Berührung gekommen, habe mir ihre Bücher selbst gekauft. Bin über ihre Lyrik zur Lyrik gekommen.“ Wie Bachmann in „Malina“ hat Travnicek auch in ihrem Text „Junge Hunde“ mit Märchensequenzen gearbeitet, die sich vom scheinbar Realen des Textes unterscheiden, ein bewusste Annäherung an die große Schriftstellerin, die über das Schreiben oft als „eine der schmerzlichsten Todesarten“ und „ein unzureichender Ersatz für unerfüllte Liebe“ sprach. „Das ist eine literaturwissenschaftliche Frage, das sollen andere, vielleicht in 50 Jahren entscheiden“, gibt sich Travnicek wieder pragmatisch und lächelt. Fragen aufwerfen
Nach ihrem jüngst herausgekommenen, fünften Buch, dem Roman „Chucks“, und ihrem Auftritt beim Bachmann-Preis will sie nun zwei bis zweieinhalb Jahr warten, bis ein neues Buch erscheinen soll. „Das ist so ein richtiger Abstand, ich werde viele Lesungen machen und arbeite natürlich auch schon an einem neuen Roman.“
Den schreibt sie im Zug, während sie von Wien (wo sie einen Halbtagsjob als Programmiererin am Zentrum für Virtual Reality im Wiener Tech Gate hat und Sinologie studiert) nach Krems (wo sie ihre „tea-licious“ Bubbletea Boutique betreibt) pendelt sowie in ihrem Heimatort Traismauer. „Chucks habe ich vorwiegend in der Straßenbahn geschrieben, aber wenn wer neben mir sitzt, dann geht das nicht. Alles, was im Werden ist, darf keiner sehen. Da bin ich das erste und wichtigste Publikum meiner Texte.“
Warum sie eigentlich schreibt? „Weil sonst meine Geschichten nicht weggehen, ich hab so viele Ideen, da wäre mein Kopf ziemlich hoch.“ Auch wenn sie ihre langen Dreadlocks nach oben steckt, „das wär‘ kein zusätzlicher Stauraum.“
Von Mai bis September 2013 wird sie dann Stadtschreiberin in Klagenfurt. „Ich kann natürlich wegen meines Geschäftes und Berufes nicht 100% dort sein, aber ich möchte die Klagenfurter überraschen, Projekte für den öffentlichen Raum gestalten. Zwar mich nicht gleich unbeliebt machen, aber doch nach dem sokratischen Ansatz, wonach Kunst Fragen aufwerfen soll und nicht Antwort geben, arbeiten. Und da gibt es schon konkrete Fragen, die ich in Kärnten stellen kann.“
Ob es von der leidenschaftlichen Motorradfahrerin, die gern mit ihrer Suzuki 650 SV, ihrem „Naked Bike“ herumcruised, auch einmal einen Bikerroman geben wird? „So gut kann ich nicht fahren, das wäre dann höchstens eine Komödie.“
Am 19. Oktober liest Cornelia Travnicek im Rahmen von „Blätterwirbel“ um 10 Uhr im Stadtmuseum St. Pölten und in der Reihe „Österreich liest“ um 18 Uhr in der Stadtbücherei St. Pölten aus ihrem Roman „Chucks“.