Das Vergleichsphantom
Text
Michael Müllner
Ausgabe
Die Stadt St. Pölten versichert im SWAP-Streit, dass sie keine Vergleichsverhandlungen führt. Doch warum kocht immer wieder das Gespenst streng geheimer Gespräche hoch? Sie wären absurd. Aber das ist ja kein Grund.
Über den Rechtsstreit zwischen St. Pölten und der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien (kurz: RLB) haben wir schon oft und intensiv berichtet. Es geht um rund 80 Millionen Euro Schaden – zu zahlen von Stadtbürgern und/oder der RLB. Da kann man schon mal drum streiten.
St. Pöltens Rechtsanwalt Lukas Aigner gründete vor Kurzem eine eigene Kanzlei, wodurch es nötig war, dass der Gemeinderat formell das bestehende Mandat auf die neue Kanzlei übertrug. Der Gemeinderat beschloss somit jüngst, dass Aigner bevollmächtigt ist „die Stadt in allen Angelegenheiten, insbesondere im Zusammenhang mit SWAP-Geschäften mit der RLB, vor Gericht, vor Verwaltungsbehörden sowie auch außerbehördlich zu vertreten, Zustellungen anzunehmen, Klage zu führen, Rechtsmittel zu ergreifen, Grundbuchsgesuche zu unterfertigen, Geld- und Geldeswert in Empfang zu nehmen, Vergleiche abzuschließen…“ Halt! Vergleiche abzuschließen?
„Es handelt sich um eine übliche Prozessvollmacht, die dem Anwalt die Möglichkeit einräumt, die Interessen der Stadt bestmöglich zu vertreten“, erklärt Rathaussprecher Martin Koutny. Und weiter: „Sollte die Stadt zu Gesprächen über einen Vergleich eingeladen werden, so macht es natürlich Sinn, wenn unser Anwalt daran teilnehmen kann. Die Vollmacht ist im Rechtsalltag üblich und stellt keine Besonderheit dar. Und jedem – auch der Bank – ist klar, dass natürlich ein Ergebnis einer Vergleichsverhandlung vom Gemeinderat zu beschließen wäre.“
Zudem führt Koutny aus, dass derartige Vollmachten auch beim Rechtsstreit der Stadt mit dem Land NÖ über den Krankenhaus-Standortbeitrag vorgelegen haben. Anwälte verhandeln, der Gemeinderat beschließt. Das sei auch bisher beim Mandat von Lukas Aigner schon so gewesen, bekräftigt man im Rathaus. „Warum hier jetzt eine künstliche Aufregung geschaffen wird, versteht kein Mensch“, heißt es im Rathaus in Richtung der ÖVP.
Das sollte man dann doch etwas präzisieren. In einem Beschluss aus dem Jahr 2011 heißt es nämlich doch recht allgemein „die Kanzlei sei in diesem Sinne zu bevollmächtigen und zu beauftragen Klage einzubringen und alle damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Schritte zu setzen.“ Einzelne Schritte, wie eben Vergleichsverhandlungen, waren damals nicht angeführt. Der Passus war eben einfach sehr allgemein gehalten.
Nun könnte man sagen: Okay, seit einem Jahr wurde nicht verhandelt, die ganze Diskussion um den gescheiterten Ablehnungsantrag wird von der Stadt auch nur mehr künstlich in die Länge gezogen, da hören halt manche das Gras wachsen und wissen nicht, was sie schreiben sollen. Mag sein. Auch gut möglich, dass es sich bei der Formulierung im aktuellen Gemeinderatsantrag einfach um eine andere, neuere, juristisch präziser formulierte „Standard-Vollmacht“ handelt und dass sich tatsächlich keiner was dabei gedacht hatte, als eben auch explizit der Vergleichsabschluss vom Mandat umfasst worden war. Und dass das so natürlich nicht ernstgemeint sein kann, das ist zweifelsohne allen klar. Natürlich kann der Gemeinderat die Verantwortung für einen Vergleichsabschluss nicht an Herrn Aigner delegieren. Das lässt weder das Stadtrecht noch der politische Hausverstand zu. Aber Nachfragen wird man ja noch dürfen.
Zumal derzeit wieder das „Vergleichsphantom“ umgeht. Man hört von Gerüchten, dass angeblich doch was Wahres dran sei, dass es angeblich doch Gesprächsbereitschaft der Bank gebe, die Sache aus der Welt zu schaffen. Martin Koutny hingegen bekräftigt: „Nein, weder die Stadt noch ihre Vertreter führen Vergleichsverhandlungen.“
Also nicht heute. Aber vielleicht morgen? Ob denn angedacht sei, die Öffentlichkeit unverzüglich zu informieren, wenn es in Zukunft derartige Verhandlungen gäbe? Koutny: „Es hängt von den Verhandlungspartnern ab, ob etwaige Vergleichsgespräche der Vertraulichkeit unterliegen würden. Üblicherweise – das sagt schon der gesunde Menschenverstand – wird während den Gesprächen die Vertraulichkeit vereinbart.“ Na Gott sei dank. Somit dürfen wir weiterhin spekulieren, dass es eventuell doch mal in Zukunft zu „Geheimverhandlungen“ kommt und dass uns die Verantwortlichen mit bestem Wissen und Gewissen darüber im Unklaren lassen werden.
Falls es denn eines Tages soweit ist, dann wird es zumindest Martin Ogris nicht stören. Er hat den Herrschaften oft genug ins Gewissen geredet, sie mögen sich doch ernsthaft um einen Vergleich kümmern. Nur interessiert hat’s bisher halte keinen. Kein Wunder. Bei einem Schaden von 80 Millionen Euro tut ein Vergleich, so oder so beiden Streitparteien wirklich weh.
Jedenfalls wird Ogris wohl zwangsläufig in den nächsten Monaten dann doch mal wieder dem Zivilprozess am Handelsgericht Wien zum STP-SWAP vorsitzen. Derzeit liegt das Verfahren noch immer auf Eis, weil St. Pölten in der Widerklage (zum gleichen Thema) den Ablehnungsantrag nicht zurückgezogen hat. Kurz zusammengefasst: Die Stadt behauptet, der Richter sei befangen und wollte ihn deshalb absetzen lassen. In letzter Instanz stellte das Oberlandesgericht Wien fest, dass der Richter nicht befangen ist und somit bleibt.
Parallel dazu wurde aber von der Bank am 12. November 2014 über das Streitthema eine „Widerklage“ eingebracht, auch diese wird nun von Richter Ogris verhandelt, auch hier stellte die Stadt einen Befangenheitsantrag. Nun muss auch über diesen Antrag der Ablehnungssenat am Handelsgericht Wien entscheiden. Dass er sich inhaltlich von seiner ersten Entscheidung löst und nun – ohne neuen Erkenntnissen – plötzlich den Richter als Befangen sieht, glaubt keiner. Theoretisch könnte St. Pölten auch in dieser Runde noch mal in Berufung gehen und das Verfahren somit weitere Monate verzögern.
Eine seltsame Taktik, denn eigentlich siehst sich die Stadt ja im Recht und hat ursprünglich die Bank geklagt. Weshalb der Verdacht im Raum steht, dass vor der nächsten Gemeinderatswahl 2016 in St. Pölten wohl gar keine große Eile herrscht, ein erstes Urteil zu erreichen. Oder aber… es gibt wen anderen, der im Hintergrund bremst… Genau: Das Vergleichsphantom!
St. Pöltens Rechtsanwalt Lukas Aigner gründete vor Kurzem eine eigene Kanzlei, wodurch es nötig war, dass der Gemeinderat formell das bestehende Mandat auf die neue Kanzlei übertrug. Der Gemeinderat beschloss somit jüngst, dass Aigner bevollmächtigt ist „die Stadt in allen Angelegenheiten, insbesondere im Zusammenhang mit SWAP-Geschäften mit der RLB, vor Gericht, vor Verwaltungsbehörden sowie auch außerbehördlich zu vertreten, Zustellungen anzunehmen, Klage zu führen, Rechtsmittel zu ergreifen, Grundbuchsgesuche zu unterfertigen, Geld- und Geldeswert in Empfang zu nehmen, Vergleiche abzuschließen…“ Halt! Vergleiche abzuschließen?
„Es handelt sich um eine übliche Prozessvollmacht, die dem Anwalt die Möglichkeit einräumt, die Interessen der Stadt bestmöglich zu vertreten“, erklärt Rathaussprecher Martin Koutny. Und weiter: „Sollte die Stadt zu Gesprächen über einen Vergleich eingeladen werden, so macht es natürlich Sinn, wenn unser Anwalt daran teilnehmen kann. Die Vollmacht ist im Rechtsalltag üblich und stellt keine Besonderheit dar. Und jedem – auch der Bank – ist klar, dass natürlich ein Ergebnis einer Vergleichsverhandlung vom Gemeinderat zu beschließen wäre.“
Zudem führt Koutny aus, dass derartige Vollmachten auch beim Rechtsstreit der Stadt mit dem Land NÖ über den Krankenhaus-Standortbeitrag vorgelegen haben. Anwälte verhandeln, der Gemeinderat beschließt. Das sei auch bisher beim Mandat von Lukas Aigner schon so gewesen, bekräftigt man im Rathaus. „Warum hier jetzt eine künstliche Aufregung geschaffen wird, versteht kein Mensch“, heißt es im Rathaus in Richtung der ÖVP.
Das sollte man dann doch etwas präzisieren. In einem Beschluss aus dem Jahr 2011 heißt es nämlich doch recht allgemein „die Kanzlei sei in diesem Sinne zu bevollmächtigen und zu beauftragen Klage einzubringen und alle damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Schritte zu setzen.“ Einzelne Schritte, wie eben Vergleichsverhandlungen, waren damals nicht angeführt. Der Passus war eben einfach sehr allgemein gehalten.
Nun könnte man sagen: Okay, seit einem Jahr wurde nicht verhandelt, die ganze Diskussion um den gescheiterten Ablehnungsantrag wird von der Stadt auch nur mehr künstlich in die Länge gezogen, da hören halt manche das Gras wachsen und wissen nicht, was sie schreiben sollen. Mag sein. Auch gut möglich, dass es sich bei der Formulierung im aktuellen Gemeinderatsantrag einfach um eine andere, neuere, juristisch präziser formulierte „Standard-Vollmacht“ handelt und dass sich tatsächlich keiner was dabei gedacht hatte, als eben auch explizit der Vergleichsabschluss vom Mandat umfasst worden war. Und dass das so natürlich nicht ernstgemeint sein kann, das ist zweifelsohne allen klar. Natürlich kann der Gemeinderat die Verantwortung für einen Vergleichsabschluss nicht an Herrn Aigner delegieren. Das lässt weder das Stadtrecht noch der politische Hausverstand zu. Aber Nachfragen wird man ja noch dürfen.
Zumal derzeit wieder das „Vergleichsphantom“ umgeht. Man hört von Gerüchten, dass angeblich doch was Wahres dran sei, dass es angeblich doch Gesprächsbereitschaft der Bank gebe, die Sache aus der Welt zu schaffen. Martin Koutny hingegen bekräftigt: „Nein, weder die Stadt noch ihre Vertreter führen Vergleichsverhandlungen.“
Also nicht heute. Aber vielleicht morgen? Ob denn angedacht sei, die Öffentlichkeit unverzüglich zu informieren, wenn es in Zukunft derartige Verhandlungen gäbe? Koutny: „Es hängt von den Verhandlungspartnern ab, ob etwaige Vergleichsgespräche der Vertraulichkeit unterliegen würden. Üblicherweise – das sagt schon der gesunde Menschenverstand – wird während den Gesprächen die Vertraulichkeit vereinbart.“ Na Gott sei dank. Somit dürfen wir weiterhin spekulieren, dass es eventuell doch mal in Zukunft zu „Geheimverhandlungen“ kommt und dass uns die Verantwortlichen mit bestem Wissen und Gewissen darüber im Unklaren lassen werden.
Falls es denn eines Tages soweit ist, dann wird es zumindest Martin Ogris nicht stören. Er hat den Herrschaften oft genug ins Gewissen geredet, sie mögen sich doch ernsthaft um einen Vergleich kümmern. Nur interessiert hat’s bisher halte keinen. Kein Wunder. Bei einem Schaden von 80 Millionen Euro tut ein Vergleich, so oder so beiden Streitparteien wirklich weh.
Jedenfalls wird Ogris wohl zwangsläufig in den nächsten Monaten dann doch mal wieder dem Zivilprozess am Handelsgericht Wien zum STP-SWAP vorsitzen. Derzeit liegt das Verfahren noch immer auf Eis, weil St. Pölten in der Widerklage (zum gleichen Thema) den Ablehnungsantrag nicht zurückgezogen hat. Kurz zusammengefasst: Die Stadt behauptet, der Richter sei befangen und wollte ihn deshalb absetzen lassen. In letzter Instanz stellte das Oberlandesgericht Wien fest, dass der Richter nicht befangen ist und somit bleibt.
Parallel dazu wurde aber von der Bank am 12. November 2014 über das Streitthema eine „Widerklage“ eingebracht, auch diese wird nun von Richter Ogris verhandelt, auch hier stellte die Stadt einen Befangenheitsantrag. Nun muss auch über diesen Antrag der Ablehnungssenat am Handelsgericht Wien entscheiden. Dass er sich inhaltlich von seiner ersten Entscheidung löst und nun – ohne neuen Erkenntnissen – plötzlich den Richter als Befangen sieht, glaubt keiner. Theoretisch könnte St. Pölten auch in dieser Runde noch mal in Berufung gehen und das Verfahren somit weitere Monate verzögern.
Eine seltsame Taktik, denn eigentlich siehst sich die Stadt ja im Recht und hat ursprünglich die Bank geklagt. Weshalb der Verdacht im Raum steht, dass vor der nächsten Gemeinderatswahl 2016 in St. Pölten wohl gar keine große Eile herrscht, ein erstes Urteil zu erreichen. Oder aber… es gibt wen anderen, der im Hintergrund bremst… Genau: Das Vergleichsphantom!