Krems zwischen Verdrängung und Aufarbeitung
Text
Johannes Mayerhofer
Ausgabe
Heute eine weltoffene Stadt, bekannt für Bildung und Kultur, damals Nazi-Hochburg, Gauhauptstadt und Schauplatz von NS-Verbrechen. Was erinnert hier noch an die NS-Zeit und ihre Opfer? Einige Fallbeispiele.
Erinnerung passiert nicht einfach, Erinnerung muss man aktiv betreiben. Dieser Leitspruch gilt nicht nur für das private, sondern auch für das gesellschaftliche Leben. In Krems ist es u. a. der Stadtpark, der Auskunft darüber gibt, in welche Erinnerungen die Stadt in vergangenen Jahrzehnten investieren wollte. Das „Denkmal der Sappeure und Pioniere“ ziert die östliche Ecke des Parks und ist gut fünf Meter hoch, im Park steht ein Denkmal zu Ehren eines KK Feldmarschalls. Sogar dem Wehrmachtsgeneral Karl Eibel hat man 1959 einen Stein gewidmet. Und dann natürlich ein Denkmal, das mahnt: „Südtirol nicht vergessen.“ Ganz in der Nähe, einer der prominentesten Plätze der Stadt, der Südtiroler Platz.
Dabei könnten Straßennamen und Denkmäler auch eine ganz andere Geschichte erzählen. Etwa jene der über 1.600 Sowjetsoldaten, die man bei Kriegsende 1945 im Kriegsgefangenenlager Stalag XVII B im nördlich Krems gelegenen Gneixendorf wortwörtlich verrotten ließ. „Die sowjetischen Besatzer beschlossen, der Kremser Bevölkerung diese Verbrechen direkt vor Augen zu führen. Sie exhumierten die Toten, setzten sie am Südtiroler Platz, direkt vor dem Gebäude des heutigen Landesgerichts bei und errichteten einen Obelisken mit rotem Stern“, erzählt der in Krems geborene Historiker Robert Streibel. Ende der 50er Jahre beschloss die Stadt Krems unter dem deutschnationalen Bürgermeister Franz Wilhelm, dieses „Denkmal der Schande“ wieder entfernen zu lassen. Die Leichen wurden exhumiert und fanden schließlich am Kremser Friedhof ihre letzte Ruhe. Heute erinnert an dieser Stelle nichts mehr an die Toten von Gneixendorf.
Dabei könnten Straßennamen und Denkmäler auch eine ganz andere Geschichte erzählen. Etwa jene der über 1.600 Sowjetsoldaten, die man bei Kriegsende 1945 im Kriegsgefangenenlager Stalag XVII B im nördlich Krems gelegenen Gneixendorf wortwörtlich verrotten ließ. „Die sowjetischen Besatzer beschlossen, der Kremser Bevölkerung diese Verbrechen direkt vor Augen zu führen. Sie exhumierten die Toten, setzten sie am Südtiroler Platz, direkt vor dem Gebäude des heutigen Landesgerichts bei und errichteten einen Obelisken mit rotem Stern“, erzählt der in Krems geborene Historiker Robert Streibel. Ende der 50er Jahre beschloss die Stadt Krems unter dem deutschnationalen Bürgermeister Franz Wilhelm, dieses „Denkmal der Schande“ wieder entfernen zu lassen. Die Leichen wurden exhumiert und fanden schließlich am Kremser Friedhof ihre letzte Ruhe. Heute erinnert an dieser Stelle nichts mehr an die Toten von Gneixendorf.
Dunkle Anfänge der Winzer Krems
Beim Thema „NS-Zeit in Krems“ ist wohl kaum jemand so bewandert wie Streibel. Erst im September 2018 sorgte er mit seinem Dokumentar-Roman „Der Wein des Vergessens“ – den er gemeinsam mit dem Historiker Bernhard Herrmann geschrieben hatte – für Furore. Die beiden Autoren zeigen darin die Geschichte des jüdischen Weinhändlers Paul Robitschek und seines Lebensgefährten August Rieger auf, deren Betrieb „arisiert“ und später zur international bekannten Weingenossenschaft „Winzer Krems“ wurde. „Die Winzergenossenschaft Krems würde es nicht geben, wenn es nicht die Arisierung des Weingutes von Paul Robitschek gegeben hätte. Die Gründungsgeschichte dieser Genossenschaft ist bis jetzt im Trüben geblieben, um es nobel zu formulieren“, bemüht sich Streibel um Diplomatie. Robitschek, der homosexuelle Jude mit einem der wichtigsten Weinbetriebe Österreichs, war den Kremser Nazis ein besonderes Feindbild. Wie in „Wein des Vergessens“ zu lesen ist, versuchte Robitschek seinen Betrieb durch einen Trick zu retten, indem er ihn im April 1938 an seinen nicht-jüdischen Lebensgefährten verkaufte. Doch keine Chance: Gerade der Verkauf an Riegler wurde im juristischen Prozedere als Argument „Spekulation“ gegen Robitschek verwendet. Am Ende des Prozesses, nach all der Verächtlichmachung und Verleumdung – bei der auch die Homosexualität Robitscheks eine Rolle spielte – stand ein etwa zehn Zentimeter dicker „Arisierungs-Akt“.
Wie reagierte man bei den Winzern Krems auf die Ankündigung des Doku-Romans? „Anfangs wollte man davon nichts wissen“, erzählt Robert Streibel. Auf eine Gesprächsanfrage hin reagierte der Geschäftsführer Franz Ehrenleitner telefonisch: „Ich bin nicht verantwortlich für das, was passiert ist, Punkt! Aus! Lassen Sie uns in Frieden. Es geht doch immer um Wiedergutmachungen, um Zahlungen. Das ist doch immer so, da müssen dann die Firmen zahlen. Lassen Sie uns in Frieden. Wen interessiert das heute?“
Es wurde von Seiten der Winzer Krems wohl nicht damit gerechnet, dass das Buch über die dunklen Anfänge dieser international renommierten Weingenossenschaft dermaßen viel Medienaufmerksamkeit erfahren würde. „Letztlich haben sie nun angekündigt, ihre Vergangenheit von einer Historikerin aufarbeiten zu lassen und ihre Homepage entsprechend zu verändern. Das Buch hat gewirkt“, berichtet Autor Streibel. Eine historische Aufarbeitung ist u. a. deshalb wichtig, weil es sich bei „Der Wein des Vergessens“ eben nicht um ein historisches Sachbuch, sondern um einen dokumentarischen Roman handelt. „80 Prozent der Geschichte“, so Streibel, „sind jedoch durch Dokumente, Briefe und Aussagen belegt.“
Beim Thema „NS-Zeit in Krems“ ist wohl kaum jemand so bewandert wie Streibel. Erst im September 2018 sorgte er mit seinem Dokumentar-Roman „Der Wein des Vergessens“ – den er gemeinsam mit dem Historiker Bernhard Herrmann geschrieben hatte – für Furore. Die beiden Autoren zeigen darin die Geschichte des jüdischen Weinhändlers Paul Robitschek und seines Lebensgefährten August Rieger auf, deren Betrieb „arisiert“ und später zur international bekannten Weingenossenschaft „Winzer Krems“ wurde. „Die Winzergenossenschaft Krems würde es nicht geben, wenn es nicht die Arisierung des Weingutes von Paul Robitschek gegeben hätte. Die Gründungsgeschichte dieser Genossenschaft ist bis jetzt im Trüben geblieben, um es nobel zu formulieren“, bemüht sich Streibel um Diplomatie. Robitschek, der homosexuelle Jude mit einem der wichtigsten Weinbetriebe Österreichs, war den Kremser Nazis ein besonderes Feindbild. Wie in „Wein des Vergessens“ zu lesen ist, versuchte Robitschek seinen Betrieb durch einen Trick zu retten, indem er ihn im April 1938 an seinen nicht-jüdischen Lebensgefährten verkaufte. Doch keine Chance: Gerade der Verkauf an Riegler wurde im juristischen Prozedere als Argument „Spekulation“ gegen Robitschek verwendet. Am Ende des Prozesses, nach all der Verächtlichmachung und Verleumdung – bei der auch die Homosexualität Robitscheks eine Rolle spielte – stand ein etwa zehn Zentimeter dicker „Arisierungs-Akt“.
Wie reagierte man bei den Winzern Krems auf die Ankündigung des Doku-Romans? „Anfangs wollte man davon nichts wissen“, erzählt Robert Streibel. Auf eine Gesprächsanfrage hin reagierte der Geschäftsführer Franz Ehrenleitner telefonisch: „Ich bin nicht verantwortlich für das, was passiert ist, Punkt! Aus! Lassen Sie uns in Frieden. Es geht doch immer um Wiedergutmachungen, um Zahlungen. Das ist doch immer so, da müssen dann die Firmen zahlen. Lassen Sie uns in Frieden. Wen interessiert das heute?“
Es wurde von Seiten der Winzer Krems wohl nicht damit gerechnet, dass das Buch über die dunklen Anfänge dieser international renommierten Weingenossenschaft dermaßen viel Medienaufmerksamkeit erfahren würde. „Letztlich haben sie nun angekündigt, ihre Vergangenheit von einer Historikerin aufarbeiten zu lassen und ihre Homepage entsprechend zu verändern. Das Buch hat gewirkt“, berichtet Autor Streibel. Eine historische Aufarbeitung ist u. a. deshalb wichtig, weil es sich bei „Der Wein des Vergessens“ eben nicht um ein historisches Sachbuch, sondern um einen dokumentarischen Roman handelt. „80 Prozent der Geschichte“, so Streibel, „sind jedoch durch Dokumente, Briefe und Aussagen belegt.“
„Krems hatte eine Synagoge?“
So reagieren viele Kremser, wenn sie vom früheren „Judentempel“ der um 1900 rund 200 Köpfe zählenden jüdischen Gemeinde der Stadt hören. Tatsächlich stand bis ins Jahr 1978 eine Synagoge in der Kremser Dinstlstraße Nummer 3, ganz in der Nähe des Bahnhofes. Sie war die einzige weitgehend unbeschadete Synagoge der Nachkriegszeit in Niederösterreich. Und das grenzt aus mehreren Gründen fast an ein Wunder. Einerseits überstand sie die Pogromnacht im November 1938 – in der zahlreiche Synagogen niedergebrannt wurden – und sogar den Bombenangriff auf Krems im April 1945, der die meisten benachbarten Gebäude dem Erdboden gleichmachte. Andererseits gab es auch schon Jahre und Jahrzehnte vor der Pogromnacht und sogar vor dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland eine Stimmung in Krems, die den Juden alles andere als freundlich gesinnt war. Nahe legt das etwa ein Statement des Kremser Gemeinderates Hermann Stingl, der im Gemeinderat 1892 zum geplanten Bau der Synagoge folgendes zu Protokoll gab: „Ich bin drei Jahre in Krems und verfolge die Entwicklung der Stadt, aber eine solche Judenstadt war Krems noch nie. (…) Sie wissen ja ferner, was die religiösen Bräuche der Juden für ein Geschrei verursachen. Wollen Sie nun, dass in der Ringstraße sich dieses erhebe? Ich hasse keinen Juden, aber ich sage, der Boden ist christlich-germanisch und da hat kein Jude etwas zu schaffen.“
Fakt ist: Krems war Jahrzehnte nach dieser Rede eine herausragende Nazi-Hochburg. „Es gab hier bereits in den 1920ern eine Nazi-Partei und Adolf Hitler kam 1921 nach Krems und hielt eine Rede“, beschreibt Stadt-Historiker Ernst Kalt. Den genauen Ort dieser Veranstaltung wolle er aber nicht verraten: „Das könnte das heutige Etablissement wohl schädigen.“ Letztlich gab es mit Franz Retter bereits Anfang der 30er-Jahre einen NSDAPler als Kremser Bürgermeister. Die NS-Geschichte beginnt in Krems also nicht erst mit dem März 1938, nicht erst mit der Ernennung zur Gauhauptstadt von Niederdonau. Angesichts dieser Tatsachen überrascht es nicht, dass es in Krems bereits zwei Monate vor den 1938er November-Pogromen zu Übergriffen gegen Juden kam. Die Nazis trieben die Juden der Stadt zusammen, zwangen sie, die Synagoge aus zu räumen, um Platz zu schaffen für die sudetendeutschen Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei. „Vor der Synagoge stand der Pöbel Spalier. Die Juden wurden bespuckt, getreten und gedemütigt, die Inneneinrichtung weitgehend zerstört“, erzählt Kalt. Etliche Bürger wollten sich das „Spektakel“ nicht entgehen lassen. Man wollte „Juden einmal beim Arbeiten sehen“, so manche Wortlaute.
Mit bitterer Stimme bekräftigt er seine Überzeugung: „Die Synagoge hätte nicht abgerissen werden müssen.“ Schändungen, Verwüstungen, Pogrome, Bombenangriffe – nach einem komplexen behördlichen Verfahren musste der „Judentempel“ 1978 einem Büro- und Geschäftsgebäude weichen. Juden? Die gab es ja schließlich nicht mehr in Krems. Heute beherbergt die Dinstlstraße 3 ein Wettlokal. Es ist in erster Linie Leuten wie Kalt und Streibel zu verdanken, dass 2016 eine Gedenkstelle mit dem Abbild der alten Synagoge errichtet wurde.
So reagieren viele Kremser, wenn sie vom früheren „Judentempel“ der um 1900 rund 200 Köpfe zählenden jüdischen Gemeinde der Stadt hören. Tatsächlich stand bis ins Jahr 1978 eine Synagoge in der Kremser Dinstlstraße Nummer 3, ganz in der Nähe des Bahnhofes. Sie war die einzige weitgehend unbeschadete Synagoge der Nachkriegszeit in Niederösterreich. Und das grenzt aus mehreren Gründen fast an ein Wunder. Einerseits überstand sie die Pogromnacht im November 1938 – in der zahlreiche Synagogen niedergebrannt wurden – und sogar den Bombenangriff auf Krems im April 1945, der die meisten benachbarten Gebäude dem Erdboden gleichmachte. Andererseits gab es auch schon Jahre und Jahrzehnte vor der Pogromnacht und sogar vor dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland eine Stimmung in Krems, die den Juden alles andere als freundlich gesinnt war. Nahe legt das etwa ein Statement des Kremser Gemeinderates Hermann Stingl, der im Gemeinderat 1892 zum geplanten Bau der Synagoge folgendes zu Protokoll gab: „Ich bin drei Jahre in Krems und verfolge die Entwicklung der Stadt, aber eine solche Judenstadt war Krems noch nie. (…) Sie wissen ja ferner, was die religiösen Bräuche der Juden für ein Geschrei verursachen. Wollen Sie nun, dass in der Ringstraße sich dieses erhebe? Ich hasse keinen Juden, aber ich sage, der Boden ist christlich-germanisch und da hat kein Jude etwas zu schaffen.“
Fakt ist: Krems war Jahrzehnte nach dieser Rede eine herausragende Nazi-Hochburg. „Es gab hier bereits in den 1920ern eine Nazi-Partei und Adolf Hitler kam 1921 nach Krems und hielt eine Rede“, beschreibt Stadt-Historiker Ernst Kalt. Den genauen Ort dieser Veranstaltung wolle er aber nicht verraten: „Das könnte das heutige Etablissement wohl schädigen.“ Letztlich gab es mit Franz Retter bereits Anfang der 30er-Jahre einen NSDAPler als Kremser Bürgermeister. Die NS-Geschichte beginnt in Krems also nicht erst mit dem März 1938, nicht erst mit der Ernennung zur Gauhauptstadt von Niederdonau. Angesichts dieser Tatsachen überrascht es nicht, dass es in Krems bereits zwei Monate vor den 1938er November-Pogromen zu Übergriffen gegen Juden kam. Die Nazis trieben die Juden der Stadt zusammen, zwangen sie, die Synagoge aus zu räumen, um Platz zu schaffen für die sudetendeutschen Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei. „Vor der Synagoge stand der Pöbel Spalier. Die Juden wurden bespuckt, getreten und gedemütigt, die Inneneinrichtung weitgehend zerstört“, erzählt Kalt. Etliche Bürger wollten sich das „Spektakel“ nicht entgehen lassen. Man wollte „Juden einmal beim Arbeiten sehen“, so manche Wortlaute.
Mit bitterer Stimme bekräftigt er seine Überzeugung: „Die Synagoge hätte nicht abgerissen werden müssen.“ Schändungen, Verwüstungen, Pogrome, Bombenangriffe – nach einem komplexen behördlichen Verfahren musste der „Judentempel“ 1978 einem Büro- und Geschäftsgebäude weichen. Juden? Die gab es ja schließlich nicht mehr in Krems. Heute beherbergt die Dinstlstraße 3 ein Wettlokal. Es ist in erster Linie Leuten wie Kalt und Streibel zu verdanken, dass 2016 eine Gedenkstelle mit dem Abbild der alten Synagoge errichtet wurde.
„Manchmal reicht es nicht, Tee zu trinken“
Fünf Gehminuten weiter, beim bekannten „Steiner Tor“, befindet sich ein kleiner Teeladen. Hier pflegt man einen sehr offenen Umgang mit der NS-Geschichte von Krems. Vor dem Krieg befand sich im Gebäude der Schwedengasse 2 der Wäscheladen der jüdischen Familie Neuner. 1938 wurde das Geschäft von der SA geplündert, die verhassten Inhaber wurden auch körperlich attackiert, zusammengeschlagen. Nach dem gescheiterten Versuch, in Palästina ein neues Leben zu beginnen, kehrten sie nach Nazi-Deutschland zurück und wurden 1942 nach Minsk und Theresienstadt deportiert. „Ich habe der Filialleiterin die Geschichte der Familie Neuner erzählt und war überrascht, wie positiv dieses Feedback aufgenommen wurde“, erzählt Streibel. Das Ergebnis: Heute berichten Gedenktafeln vom Schicksal der Neuners und einer zweiten jüdischen Familie. Auf Streibels Initiative hin verkauft das Geschäft seinen „Glückstee“ nun als „Mazel Tov“-Tee. „Mazel Tov“ ist ein Glückwunschspruch bei jüdischen Hochzeiten. Die Rückseite der Verpackung ziert ein Foto des jüdischen Hochzeitspaares Jakob und Katharina Sachs. Beide heirateten in Krems, kamen aber später in Auschwitz um. Robert Streibel zeigt sich froh über die Offenheit und Initiative, mahnt jedoch: „Manchmal reicht es nicht, einfach Tee zu trinken. Es ist wichtig, gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten!“
Fünf Gehminuten weiter, beim bekannten „Steiner Tor“, befindet sich ein kleiner Teeladen. Hier pflegt man einen sehr offenen Umgang mit der NS-Geschichte von Krems. Vor dem Krieg befand sich im Gebäude der Schwedengasse 2 der Wäscheladen der jüdischen Familie Neuner. 1938 wurde das Geschäft von der SA geplündert, die verhassten Inhaber wurden auch körperlich attackiert, zusammengeschlagen. Nach dem gescheiterten Versuch, in Palästina ein neues Leben zu beginnen, kehrten sie nach Nazi-Deutschland zurück und wurden 1942 nach Minsk und Theresienstadt deportiert. „Ich habe der Filialleiterin die Geschichte der Familie Neuner erzählt und war überrascht, wie positiv dieses Feedback aufgenommen wurde“, erzählt Streibel. Das Ergebnis: Heute berichten Gedenktafeln vom Schicksal der Neuners und einer zweiten jüdischen Familie. Auf Streibels Initiative hin verkauft das Geschäft seinen „Glückstee“ nun als „Mazel Tov“-Tee. „Mazel Tov“ ist ein Glückwunschspruch bei jüdischen Hochzeiten. Die Rückseite der Verpackung ziert ein Foto des jüdischen Hochzeitspaares Jakob und Katharina Sachs. Beide heirateten in Krems, kamen aber später in Auschwitz um. Robert Streibel zeigt sich froh über die Offenheit und Initiative, mahnt jedoch: „Manchmal reicht es nicht, einfach Tee zu trinken. Es ist wichtig, gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten!“