MFG - Masseur-Legende Hans Fehringer hat was zu erzählen
Masseur-Legende Hans Fehringer hat was zu erzählen


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St. Pöltens gute Seite

Masseur-Legende Hans Fehringer hat was zu erzählen

Text Thomas Schöpf
Ausgabe 12/2022

Der Großraumhubschrauber von Benjamin Englisch kam nie, dafür Alfred Tatar mit einer Karottentorte. Im dicken Kuvert von Ernst Ogris war gar nicht soviel drin. Hans Fehringer hat in 20 Jahren als Kicker und vor allem 35 Jahren als Masseur einiges erlebt und freut sich schon auf die Weihnachtskarte von Antonin Panenka.

Novemberabend, es ist grau, kalt (5 Grad), nass und windig. Der SKN St. Pölten trägt sein letztes Zweitliga-Heimspiel 2022 in der NV Arena gegen SV Lafnitz aus. Ein VIP kann den Beginn der zweiten Hälfte nicht erwarten und kommt als Erster mit großem Vorsprung aus dem komfortablen, warmen Business-Bereich: Hans Fehringer (72). „Ich geh’ ja nicht wegen dem Essen hin“, lacht er ein paar Tage später auf diese Beobachtung angesprochen. Er will das Spiel sehen, alte Freunde und Weggefährten treffen. Dazwischen gönnt er sich „vielleicht ein Seiterl“. Fehringer hat selbst 20 Jahre lang gekickt und war 35 Jahre Masseur bei VSE, FCN, SCN, Flash und SKN St. Pölten. Entzugserscheinungen plagen den topfitten Pensionisten, der selbst nach wie vor mit Freunden kickt, keine. „Das wäre vielleicht passiert, hätte ich von einem Tag auf den anderen aufgehört. Aber ich war schon in den letzten Jahren nicht mehr immer überall dabei. Und außerdem kann ich jetzt mein größtes Geschenk genießen, und viel Zeit mit meiner Familie verbringen“, sagt Fehringer, zweifacher Vater, vierfacher Großvater und seit kurzem auch stolzer Uropa. Und ergänzt sofort: „So eine Frau, wie meine Elisabeth, musst du natürlich auch erst einmal finden, die so großes Verständnis für mein Hobby hat.“
Ein Kommen und Gehen
Unter 39 Cheftrainern hat Fehringer als Masseur gearbeitet. Je länger das Gespräch dauert, umso mehr gerät er ins Schwärmen und lobt die Vorzüge seiner Lieblinge. Ganz besonders schätzte Fehringer die Zusammenarbeit mit Thomas Parits und Karl Daxbacher: „Das waren Sirs.“ Mit Martin Scherb konnte er auch besonders gut. „Der ist ebenso ein Ehrenmann, wie Thomas Nentwich. Das sind alles Menschen mit Handschlagqualität“, betont Fehringer. Als Didi Kühbauer verpflichtet wurde, hatte Fehringer hingegen ein „bisschen Bammel“, weil der schon einmal einen Physio gestanzt hatte. „Aber der Didi ist auch ein ganz netter Kerl. Bei ihm musst’ halt Beruf und Privates strikt trennen“, weiß Fehringer, „in der Kabine hat es damals richtig geknistert. Bei ihm ist jeder Spieler mindestens schon eine halbe Stunde vor Trainingsbeginn bereit gewesen.“ Nachdem Hans und Didi einander besser kennen und schätzen gelernt hatten, bat Fehringer den Burgenländer, einmal ein Flascherl Wein aus seiner Heimat zum Kosten mitzunehmen: „Als ich ihm dann gesagt habe, dass der wirklich gut schmeckt, hat Didi gemeint: ‚Asso? Pur hast den getrunken? Wir nehmen den nur zum Spritzen.’“
Kulinarische Genüsse erlebten die Fehringers auch mit Alfred Tatar, einst Spieler, Co-Trainer (unter Kurt Garger) und Trainer in St. Pölten. „Der Fredl ist einer der g’scheitesten Menschen, die ich kenne“, erzählt Fehringer, „war damals auch schon Vorreiter in Sachen Ernährung. Süßes hat der nie angerührt.“ Mit einer Ausnahme! Als KSC-Spieler kam Tatar vor einem Heimspiel in Krems mittags in St. Pölten vorbei, um sich von Fehringer bandagieren zu lassen. Nach gutem Zureden verputzte Tatar zu seinem Glas Milch einen Faschingskrapfen. Weil ihm der so gut schmeckte, dann gleich noch einen. „Wir haben nur so geschaut und der Fredl hat zwei Stunden danach eine super Partie g’spielt“, lacht Fehringer. Richtig geschaut haben die Fehringers dann aber als Tatar, noch als aktiver Spieler, bei einem Geburtstag vom Hans überraschend mit einer selbst gebackenen Karottentorte aufgekreuzt ist. „Elisabeth hat mir am Abend dann gesagt, dass ich ihn unbedingt anrufen und sagen muss, dass das die beste Torte ihres Lebens war.“
Legendär war auch die Wiener Fahrgemeinschaft, die Tatar mit Mario Kempes, Leopold „Poldi“ Rotter und Hubert Baumgartner bildete. Einmal lief das Quartett in Zivilkleidung von der Strobl-Tankstelle (damals „Esso“, heute „Eni“) hektisch zum Training auf der Rennbahn, wo heute das Regierungsviertel liegt. Sie hatten sich wegen eines Staus auf der Autobahn verspätet gehabt und das Auto gleich dort abgestellt, um nicht vielleicht bei der Parkplatzsuche noch ein paar Minuten aufzureißen. Aber sie kamen zu spät und Parits brummte ihnen eine Strafe auf. „Dem Mario war’s wurscht“, lacht Fehringer, „aber der Hubert war völlig fertig, weil er in seiner langen Karriere sonst nie zu spät gekommen war.“
Poldi Rotter wie ein Ziehsohn
Wenn Fehringer auf den Poldi zu sprechen kommt, funkeln seine Augen erst so richtig: „Der ist wie ein Ziehsohn für mich! Wir haben nach wie vor sehr engen Kontakt, auf ihn ist als Mensch immer hundert Prozent Verlass. Als Spieler hat er stets alles gegeben von der ersten bis zur letzten Minute.“ In Leoben lief Rotter sogar einmal mit einer gebrochenen großen Zehe auf, bekam vor dem Spiel und in der Hälfte eine Spritze. „ Das müssen unglaubliche Schmerzen gewesen sein“, weiß Fehringer.
Eine „Hassliebe“ verband Fehringer hingegen mit Ernst Ogris. Als die Reviere aber erst einmal abgesteckt waren und der „Ogal“ wusste, wie weit er bei seinen Schmähs gehen durfte, lief es gut mit den beiden. Für viel Getuschel sorgte Ogris immer am Zahltag. Die Spieler bekamen damals noch jeden Monat ein Kuvert mit Geld in die Hand gedrückt und Ogris hatte darauf bestanden, in 50-Schilling-Scheinen ausgezahlt zu werden. Dementsprechend dick war sein Kuvert, das er allen ungefragt unter die Nase rieb. „In Wahrheit war er ein herzensguter Mensch und ist leider viel zu früh gestorben“,  bedauert Fehringer. Überhaupt fehlen ihm in der heutigen Zeit etwas die echten und die zugereisten St. Pöltner im Klub. „Der Didi Ramusch, Michael Paal oder der Rudi Steinbauer sind alle hier geblieben. Denen läufst ständig über den Weg. Am Voith Platz sind die meisten Spieler nach der Partie zum Corner bei der Tribüne und haben sich mit den Zuschauern unterhalten. Das gibt es heute fast nicht mehr. Wo sind beim SKN die St. Pöltner?“, fragt Fehringer und gibt selbst die Antwort, „ja, ein paar gibt es. Viele sind es aber nicht. Das habe ich der Vereinsführung auch schon persönlich gesagt.“
Kandisin hilft
Dass der Placebo-Effekt bei dem einen oder anderen Fußballer gut wirkt, kann Fehringer auch bestätigen. VSE-Stürmer Franz Zach hat er einst sehr erfolgreich mit Rasierschaum behandelt, weil er sonst gerade nichts greifbar hatte. „Einem anderen habe ich immer wieder ein Kandisin gegeben“, lacht Fehringer.
Recht bald durchschaut – im Gegensatz zu vielen anderen, auch Journalisten – hat Fehringer hingegen den selbst ernannten „Investorenvertreter“ Benjamin Englisch, der den FCN St. Pölten in „Flash“ umbenennen und dank Millionen aus Amerika in die Champions League führen wollte: „Als der gesagt hat, dass wir künftig nicht mehr mit dem Bus fahren brauchen, wenn wir in Lustenau spielen, sondern mit dem Großraum-Hubschrauber von Völtendorf dort hin fliegen, war mir klar, dass der einen Vogel hat.“ Großen Spaß hatte Fehringer mit seinen Wölfen auch noch nach dem Abstieg im Sommer 2021: „Wenn ich gerade da aufgehört hätte, wäre das komisch gewesen.“ Auch hinter den Kulissen kam er zu Einsätzen, als beispielsweise die Eismaschine streikte, oder Lampen ausgetauscht werden mussten. „Ich habe nämlich keine zwei linken Hände“, lacht der gelernte Elektriker.
Wichtige Traditionen
Ein besonderes Anliegen ist Fehringer, dass der traditionelle Weihnachtbesuch der SKN-Kicker in der Kinder-Abteilung des Universitätsklinikums St. Pölten weitergeführt wird: „Dabei unterstützt mich Martin Eckelbacher bestens.“ Die VIP-Karte auf Lebenszeit war sein schönstes (sehnlich gewünschtes) Abschiedsgeschenk. „Dass du als Masseur in St. Pölten einmal einen Europameister, Antonin Panenka, und einmal einen Weltmeister, Mario Kempes, auf der Bank liegen hast, ist sowieso nicht zu glauben“, sinniert Fehringer, „oder einen Lajos Detari!“ und klatscht sich dabei selbst auf den Kopf. „Dem Antonin werd’ ich zu Weihnachten wieder schreiben. Wir schicken uns immer Karten.“