MFG - Ein Rohrböck
Ein Rohrböck


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Ein Rohrböck

Text Andreas Reichebner
Ausgabe 12/2022

Eingebettet zwischen den Freak Brothers, Beavis and Butt-Head und Robert Crumb, beeinflusst also von der US-amerikanischen Underground-Comix-Szene, ist der St. Pöltner Andreas Rohrböck gerade auf der Suche nach seinem ureigenen Stil. Erste Erfolge kann er dabei schon verbuchen. Eben erst erhielt er, aka. MADIG & VULGAIRE den Deutschen Karikaturenpreis 2022 als Bester Newcomer.


Eigentlich könnte diese Geschichte, schon bevor sie begonnen hat, hier enden. Denn Andreas Rohrböck glaubt selbst nicht daran, dass seine rotzigen und, wie er selbst sagt, schändlichen Cartoons, diejenigen erreichen, „die sie am dringendsten brauchen.“ Zu sehr sind die Menschen, denen er seine tiefschwarzen und dabei doch sehr zuckerlbunten Cartoons gerne ins Gesicht schleudern würde, in ihren eigenen Bubbles vergraben. „Mich nervt die Ignoranz der Menschen gegenüber Dingen, die wichtig sind“, so der 32-jährige Rohrböck, der mit dem Karikaturenzeichnen 2013/14 während seines Studiums an der NDU in St. Pölten begonnen hat. Aber warum dann überhaupt zeichnen? „Man kann sich einreden, dass man die erwischt, aber man erreicht sie nicht“, so der Zeichner, der seine Cartoons digital erstehen lässt, „es ist letztendlich nur für die eigene Szene.“ Ganz so ist das aber freilich nicht, denn als er heuer eine seiner Arbeiten beim Deutschen Karikaturenpreis einreichte, wurde er prompt mit dem Newcomerpreis ausgestattet. Gut, auch eine eingeengte Szene, könnte man meinen, aber dadurch eröffnen sich dem in Krems aufgewachsenen Grafik-Designer nun abseits seiner Cartoons-Blase einige Möglichkeiten, ins Visier einer breiteren Öffentlichkeit zu gelangen. Und das möchte Rohrböck auch: „Das wäre schon cool, auch für Zeitungen Cartoons zu machen, etwas von mir abgedruckt zu sehen.“ Aber was er dabei auf keinen Fall machen würde, „meine künstlerische Freiheit möchte ich nicht absoften.“

Subversiv
Seine Cartoons, die mit gesellschaftlichen Werten und Tabus spielen, sollen nicht harmlos werden, nicht dem größten gemeinsamen Humor unterworfen sein. Wie sagt ein gezeichneter Protagonist einer seiner madig vulgären Bildergeschichten auf die Frage: „Stimmt das, dass ihr Leute aus St. Pölten etwas gefühlskalt seid? – Das ist ein Klischee. Bei der Beerdigung meiner Mutter hab ich sogar gelacht.“ 
Rohrböcks Cartoons möchten verstören, ziehen den Betrachter in die Komplizenschaft. „Darf ich darüber lachen?“ ist eine Frage, die man sich sogleich stellt, wenn man mit seinen rotzig-frechen, tief in den Abgründen nicht nur der niederösterreichischen Seele wühlenden, den amoralischen Dreck hervorquellenlassenden Werken konfrontiert ist. Subkultureller, subversiver Humor, das zeichnet die Arbeiten von Rohrböck, der sich durch die Schule quälte, aus. „Wer geht schon gerne in die Schule? Unser Schulsystem tötet doch jeden Gedanken“, ereifert sich der als MADIG & VULGAIRE bekannte Zeichner über seine Jahre im Gymnasium und in der HAK Krems, die er nur durch „ein verrücktes Gekritzel“ in seine Schulbücher hinein, überstanden hat. Erst auf der NDU in St. Pölten lernte er Gleichgesinnte kennen. „Die sind so wie ich“, war eine neue Erfahrung für den am iPad Werkenden. Jetzt juckt es Rohrböck, mit seinen Cartoons so ein bisserl nebenbei Geld zu verdienen und auch ausstellungsmäßig etwas zu tun, „vielleicht auch ein Buch herausbringen.“

Ziel, ein ganz eigener Stil
Wie er zu seinen Motiven kommt? „Die Themen sind immer da, irgendwas fällt mir immer ein. Zu Beginn wollte ich nichts zu gesellschaftlichen Themen zeichnen, das kam erst später, weil einfach aktuelle Themen immer mitschwingen“, erzählt Rohrböck. „Ich habe auch mehrfach meinen Stil gewechselt, möchte in Richtung Alleinstellungsmerkmal kommen, eine Marke schaffen, meinen Namen bekannter machen. Jeder soll, wenn er etwas sieht von mir, gleich wissen ‚Aha, das ist der‘ – das bin ich.“ Warum er digital mit dem iPad zeichnet? „Erste Entwürfe, grobe Skizzen sind zwar immer mit der Hand gezeichnet, aber irgendwann kenne ich mich dann vor lauter Strichen nicht mehr aus.“ Da fällt es ihm im digitalen Umfeld leichter, seine Bildgeschichten zu produzieren. „Es hat allerdings einen entscheidenden Nachteil, dass es kein richtiges Original gibt“, so der Cartoonist, der schon einige Sommerworkshops bei der Karikaturenakademie in Kassel belegte.
Warum der Name MADIG & VULGAIRE? „Es gibt eine Mode- und Luxusmarke, die ZADIG & VOLTAIRE heißt, da habe ich für eine Drogeriekette Grafiken dazu gemacht“, so Rohrböck, der sich dadurch inspirieren ließ. Aber eigentlich würde er jetzt lieber seinen eigenen Namen unter den Bildern sehen, seine eigene Marke kreieren. Im Prozess der Stilfindung wäre das dann auch ein Thema.

Vorwiegend Männer
Auf Rohrböcks Cartoons tummeln sich gehörig viele Männer, die sich um Werte, gesellschaftliche, moralische Überlegungen und Tabus einen feuchten Dreck scheren. Warum so wenig Frauen auf den Cartoons zu sehen sind, beantwortet er lapidar: „Ich kann keine Frauen zeichnen.“
Seit 2016 lebt er in St. Pölten, vorher war er in Krems beheimatet. „Krems ist zwar schöner vom Ansehen her, aber fad. Krems ist fertig, eine richtige Touristenstadt. St. Pölten ist ein rohes Ding, wo man etwas verändern kann, hier lebt die Szene.“ Beim KUNST:WERK, dem Ausstellungsprojekt des St. Pöltner Künstlerbundes  wurde er noch abgelehnt, bei KulturhauptSTART St. Pölten hat er schon angedockt. „Es ist cool, öffentlich auszustellen.“ Und cool, helle Köpfe in der Stadt zu wissen, die für schrägen Humor in schrägen Zeiten sorgen.

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