MFG - Der talentierte Mr. Renz
Der talentierte Mr. Renz


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Der talentierte Mr. Renz

Text Johannes Reichl
Ausgabe 03/2023

Es gibt ja die „Einidraher“ (wenn Sie das Wort sofort verstehen, gratuliere!), Blender und Dampfplauderer, die gern erzählen, was für unglaubliche Superchecker sie nicht sind und wie viel sie nicht schon auf die Beine gestellt haben. Bei näherem Betrachten entpuppt sich das „Viel“ dann zumeist v. a. als VIEL heiße Luft. Und dann gibt es Menschen wie Lukas Renz. Die tatsächlich so viel gleichzeitig leisten – noch dazu mit Erfolg – dass man sich fragt: Wie zum Teufel macht er das? Nun – wir fragten nach und trafen den Tausendsassa im Café EMMI.


Leicht verspätet, am Handy hängend, trickst der junge Unternehmer im Kaffeehaus ein und gibt noch schnell letzte Anweisungen, bevor er sich mit einem „Tschuldige die Verspätung“ zu mir setzt. Renz bestellt ein Bärnstein, what else, handelt es sich doch um seine eigene gemeinsam mit Martin Paul gegründete Getränkemarke. St. Pöltens erfolgreichster, jedenfalls aber bekanntester Jungunternehmer zählt dabei nicht zur Kategorie „Businessfuzzi“ im Slimfit-Anzug, sondern wirkt im legeren Pullover eher wie der Kumpel von nebenan: sympathisch, offen, kommunikativ. Die Erfolgsgeschichte von Bärnstein  hat er schon gefühlte 1.000x – auch bei uns im MFG – erzählt, daher im Schnelldurchlauf: Als Freund Martin – damals Wirt im Vagötz‘God in St. Georgen – auf der Suche nach einem trendigen antialkoholischen Getränk ist, am besten was Regionales, bringt Renz – frisch aus Bahrain retour – die bei uns nicht bekannte grüne Kaffeebohne als Grundingredienz ins Spiel. Die beiden beginnen im Schankraum herumzuexperimentieren und heben 2015 schließlich Bärnstein, „Österreichs kraftgebenden Moment für Genießer aus Grünem Kaffee“, aus der Taufe. Man könnte es auch als die nachhaltigere und gesündere Variante von sonst synthetischen Energydrinks nennen, womit die Jungunternehmer jedenfalls voll den Zeitgeist treffen. In Folge räumen sie so gut wie alle Start-up-Preise ab. Der GEWINN listet sie unter die Top 100 Jungunternehmer Österreichs, Bärnstein wird unter die „Top 3 Marken Österreichs“ gewählt und der Falstaff vergibt 93 von 100 möglichen Punkten für das neue Trendgetränk. Der Markteinstieg glückt also famos. Die wohl noch größere Leistung besteht aber darin, dass sich Bärnstein auch heute, knapp acht Jahre später noch immer „in einem der heiß umkämpftesten Märkte behauptet“ und bei Lebensmittelhändlern wie SPAR ebenso gelistet ist wie in zahlreichen Lokalen Österreichs ausgeschenkt wird. Für Renz ist Bärnstein zu Beginn jedenfalls auch die erste Station, „wo ich mir sozusagen unternehmerisch die Hörner abstoßen, mich ausprobieren konnte.“

Unternehmervirus
Wenn man den 27-Jährigen fragt, wo er sich das Unternehmervirus überhaupt eingefangen hat, verweist er auf sein Elternhaus. Papa Leopold war unter anderem jahrelang Gemeinde- und Stadtrat in Wilhelmsburg und hat als Initiator und Herz des Vereins „Schloss Kreisbach“ selbiges vor dem Verfall gerettet – eine Lebensaufgabe für die ganze Familie. „Meine Eltern kommen ja beide ursprünglich aus landwirtschaftlichen Betrieben, und Schloss Kreisbach wurde zu so etwas wie unserem ‚Unternehmen‘, wir haben dort ja auch die Gastrokonzession. Es wurde im Grunde genommen immer gearbeitet und die Eltern haben uns schon früh vermittelt, dass von nichts auch nichts kommt, dass man also anpacken muss, wenn man etwas erreichen will.“ So hilft der Junior ständig im Betrieb mit, räumt Tische ab, steht hinter der Schank, wäscht Geschirr oder packt bei den diversen Renovierungsarbeiten an. 
Schulisch absolviert er klassisch die Volksschule, danach geht er in St. Pölten in die Tourismusschule, die ihm sozusagen auch das Tor zur Welt öffnet. Im Zuge diverser Praktika sammelt er erste Erfahrungen außerhalb heimatlicher Gefilde. „Ich hab im Casino in Baden gearbeitet, in München, in Italien und schließlich gut vier Monate in Bahrain/Arabien.“ Vor allem dieser Aufenthalt ist eine in jeder Hinsicht prägende Erfahrung, weil Renz dort nicht nur auf eine komplett andere Kultur trifft, sondern sich auch mit der ständigen Möglichkeit von Terroranschlägen konfrontiert sieht, was ihm ein Gefühl von Endlichkeit bewusst macht. „Irgendwie hab ich begriffen, dass es wichtig ist, seine Ziele und Ideen zu verwirklichen, weil das Leben einfach zu kurz ist, um halbe Sachen zu machen – man weiß nie, wann es vorbei ist.“ Schließlich ist Bahrain auch jener Ort, wo er, wie bereits erwähnt, grünen Kaffee kennenlernt – womit wir zu Bärnstein zurückkehren.

Bärnstein & more
Im kongenialen Duo mit Martin Paul „mir macht es Riesenspaß Strategien zu entwickeln, während Martin mehr vom Operativen herkommt“ brauen die Jungspunde ja nicht einfach nur irgendeine Brause, sondern entwickeln Bärnstein sukzessive zur starken Marke weiter. Als Vehikel dazu dient die gemeinsam gegründete Agentur „Promonaut“, in der sie ihr profundes Werbe-Know-how, insbesondere im Gastro- und Lebensmittelbereich, mit konkreten Vorort-Umsetzungsmöglichkeiten wie Verkostungen, Samplings, Roadhows & Co. verschmelzen. Der Auftritt ist dabei so durchschlagend und auffällig, dass alsbald andere Unternehmen und Institutionen in Abwandlung zur berühmten Szene aus „Harry & Sally“ zum Schluss kommen: „Das will ich auch!“ Selbst vermeintliche Mitkonkurrenten wie Egger Getränke beauftragen die Promonauten „so dass wir im Zuge der Egger-Genusstour im Egger-Truck durch die Lande gezogen sind und Bierverkostungen durchgeführt haben.“ 
Die damals gesponnenen Bande mit dem Getränkeriesen sollten sich noch weiter vertiefen. Renz, mittlerweile in Sachen Produkt- und Markenentwicklung, Markenauftritt, Vertrieb & Co. absoluter Profi, gründete 2020 gemeinsam mit Michael Hameseder „der mehr von der Optimierung von Wertschöpfungsketten, Controlling und Energieeffizienz Ecke kommt “ die Consulting-Agentur HaRe. Diese bietet eine empirische Unternehmensberatungspalette an, wobei man die Sachen aber sehr prozess­orientiert angeht. Vielfalt ist dabei Trumpf. HaRe unterstützt zum Beispiel Klein- und Mittelbetriebe beim Vertrieb und Marketing, hat für die AMA die Doku-Serie „AB HOF“ für young farmer mitbegleitet, betreut Künstler, die sich am internationalen Markt positionieren möchten, setzt Workshops für Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer oder private Unternehmen um, ist beauftragt mit der Entwicklung von neuen Vertriebskanälen für eine nationale Handelskette oder erarbeitet für den SKN eine neue Markenstrategie „mit einer klaren, regionalen Linie, so dass man weiß, wofür der Verein steht.“ 
Last but not least vertieft man auch die Zusammenarbeit mit Egger Getränke und hat mittlerweile das komplette strategische und operative Marketing sowie den gesamten Eventbereich des Getränkeherstellers übernommen. „Unter anderem möchten wir Egger Getränke direkt in St. Pölten noch stärker verankern, weil es ist unser Bier im wahrsten Sinne des Wortes, und darauf können wir stolz sein!“ Wie Renz als klassischem Netzwerker überhaupt die Idee gefällt, dass zwei St. Pöltner Unternehmen an einem Strang ziehen. Das hat aber nichts mit engstirnigem Lokalpatriotismus zu tun, sondern entspringt seiner Überzeugung, dass man eine Art Heimat von Gleichgesinnten schaffen muss „die einander ergänzen, schätzen und gemeinsam Freude an der Arbeit haben, was für jeden einzelnen auch persönlich erfüllend ist.“ Diese „Heimat“ hat dabei keine Grenzen, sondern kann die gesamte Welt umspannen, womit wir zum nächsten „Renz-Baby“ kommen: HydroSolid. Wobei das Baby eher das Potential zum Riesen hat.

It’s Wasserstoff, stupid!
Bei diesem Start-up ist sein Mitstreiter Bruder Michael, der aus einer ganz anderen Ecke kommt: „Er arbeitet seit 17 Jahren im Energiesektor – insbesondere im Bereich Erneuerbare wie Photovoltaik, Wasserkraft, Windkraft und Biogas.“ Auf seinen Reisen nach Afrika, Vietnam, Südamerika, in den Mittleren Osten und diverse Entwicklungsländer ist er immer wieder mit einem grundlegenden Problem konfrontiert: Wie versorge ich abgelegene Regionen mit Energie, „die nicht, wie in unseren Breiten, an ausgebaute Energienetze angeschlossen sind.“ Wie kommt die Energie überhaupt dorthin, und wie kann ich sie nachhaltig und kostengünstig speichern. Genau in diesem Zukunfts-Segment möchten die Brüder unternehmerisch aktiv werden, wobei das Energieträgermedium von Beginn an klar ist: Wasserstoff. „Im Zuge unserer Marktanalyse stellten wir fest, dass es zwar schon gute Elektrolyseure gibt, ebenso jede Menge Forschung hinsichtlich Brennstoffzellen, dass die eigentliche Schwachstelle im System aber die Frage der Speicherung ist. Denn ohne kostengünstige Speicher bringt mir alles andere gar nichts.“ So vergrößern sie das Team um einen befreundeten Chemiker und einen Juristen und beginnen in einer Garage am Fabriksgelände eines Freundes mit diversen Speichermedien zu experimentieren. Klar ist, es muss ein Feststoff sein, in dem man den Wasserstoff binden kann, um ihn ideal transportieren und vor Ort wieder umwandeln zu können. Im Laufe der Labor-Versuche entwickeln die Brüder ein eigenes Material, das sie sich patentieren lassen. Danach lassen sie ihr neues Unternehmen „HydroSolid“ vom Stapel und … gehen durch die Decke. „Es war, als hätten wir in eine Blase hineingestochen!“, erinnert sich Renz. Zumal spätestens mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges das Thema Energie­unabhängigkeit und Energiewende noch dringlicher in den Fokus rückt. Institutionen, Firmen, Großindus­trie, Staaten, aber auch Private – alle sind an der innovativen Lösung von HydroSolid interessiert. „Aktuell flattern jeden Tag vier bis zehn Anfragen herein“, verrät Renz. „Das ist schon geil, weil praktisch alle großen Wasserstoffexperten bei uns am Tisch setzen.“ Das theoretische Auftragsvolumen in den Büchern liegt mittlerweile bei über 20 Millionen Dollar! Theoretisch deshalb, weil man für die Umsetzung der Projekte, die in Kooperation erfolgen, diverse Fördertöpfe anzapfen muss – und hier spießt es mitunter. „Sebastian Kurz hat ja als Kanzler einmal vollmundig gemeint, Österreich soll Wasserstoffnation Nummer 1 der Welt werden. Nur, so wird das nicht funktionieren“, schüttelt Renz den Kopf, denn die Mühlen der Verwaltung mahlen nicht nur langsam, sondern muten bisweilen „regelrecht innovationsfeindlich an.“ Beirren lassen sich die Unternehmer davon freilich nicht. „Es ist ja alles da: Das Know-how. Die Auftragslage. Die Kunden. Jetzt müssen wir einfach strategisch kühlen Kopf bewahren und mit den richtigen Leuten wachsen, Schritt für Schritt. Die Branche ist jedenfalls heiß. Wir sind genau im richtigen Segment unterwegs.“

Einer unter 30
Das sehen nicht nur die Gebrüder Renz so, sondern das unterstreichen auch zahlreiche Auszeichnungen für HydroSolid. So wurde das Unternehmen 2022 für den besten Businessplan Österreichs, als bestes Greentech-Unternehmen und bestes Start-up Österreichs ausgezeichnet. Des Weiteren hat es HydroSolid in den hochspezialisierten Inkubator der Europäischen Weltraumagentur ESA geschafft und darf jetzt Weltraumtechnologie zur Weiterentwicklung deren irdischer Technologie verwenden. Am bemerkenswertesten war aber vielleicht die Berücksichtigung von Lukas Renz in den „Top 30 unter 30“ des renommierten Wirtschaftsmagazins Forbes, das alljährlich die 30 spannendsten Persönlichkeiten unter 30 Jahren im deutschsprachigen Raum wählt – sozusagen die heißesten „Humanaktien“ der Zukunft. Für den Jungunternehmer nicht nur eine „Auszeichnung für das ganze Team“, sondern zugleich Anerkennung für die vielen Momente „in denen nicht immer alles funktioniert. In denen du nachts wachliegst und grübelst, wie es weitergehen soll. Jeder Unternehmer kennt das – und kennt er es nicht, ist er kein richtiger Unternehmer“, lacht er. Dass mit dem „Ruhm“ auch die Neider gestiegen sind, nimmt Renz relativ gelassen: „Die sehen ja nicht, dass ich jahrelang keinen einzigen Cent verdient habe – darauf wären sie wohl nicht neidisch!“, lacht Renz. „Aber wie heißt es so schön: Neid ist bekanntlich die höchste Anerkennung – den muss man sich erst verdienen!“ Im Falle des Unternehmers vor allem durch harte Arbeit und ein Pensum am Rande zur Selbstausbeutung. Als er mir quasi so en passant erzählt, dass er nebenbei auch noch weitere kleinere Projekte vorantreibt, in der Wirtschaftskammer als Bezirkssprecher der Fachgruppe Unternehmensberatung engagiert ist, fürs Lebensministerium als Berater bei Gesetzesänderungen in Sachen Lebensmittel-Codex eingebunden ist, für viele Vorträge, Workshops sowie Präsentationen gebucht wird oder immer wieder mal – unentgeltlich – in die Rolle des Mentors für angehende Unternehmer schlüpft „weil ich auch selbst immer wieder erfahrene Leute und Experten einfach angerufen habe, ob sie mir weiterhelfen können, und am Ende des Tages davon meist beide Seiten profitieren“, frage ich mich: Wie zum Teufel macht das der Renz? Vor allem: Wie bringt er all das unter, ohne in ein veritables Burnout zu schlittern? Seine schlichte Antwort. „Mit Spaß! Ich glaube, das ist der beste Puffer, um nicht auszubrennen. Wenn du hingegen nicht magst, was du tust, bist du gefährdet! Aber ich liebe es einfach, Dinge besser zu machen, mich selbst zu verwirklichen, Projekte aufzureißen und voranzutreiben.“ Zudem hat er, wenn man so will, dazu gelernt bzw. lassen es heute größere Ressourcen zu, sich besser zu organisieren. „Ich habe mittlerweile eine Assistentin, die mir bei der Terminkoordination hilft. Außerdem schaffe ich es, den Sonntag weitestgehend terminfrei zu halten und auch am Samstag, soweit möglich, Freiräume zu schaffen.“ 
Momente, um die Akkus wieder aufzuladen. Denn fertig ist Renz noch lange nicht, dazu sprüht der Jungspund viel zu sehr vor Ideen und Unternehmergeist. Und tatsächlich steht er mit seinen 27 Lenzen – wenn er auch schon viel auf die Beine gestellt hat – noch immer am Anfang seiner Karriere, so dass man gespannt ist, in welch hohe Sphären diese noch führen mag, wenn er sie schon mit solch Paukenschlägen begonnen hat. Vielleicht dereinst in eine andere Liste von Forbes? Zuzutrauen ist es ihm allemal, dem talentierten Mr. Renz!