MFG - Institutionsverdrossen?
Institutionsverdrossen?


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Institutionsverdrossen?

Text Verena Hohengasser
Ausgabe 02/2008

Erstmals in Niederösterreich werden am Sonntag, dem 9. März auch unter 18 Jährige dazu aufgefordert, ihre Stimmen bei der Landtagswahl abzugeben. Allein im Gebiet St. Pölten Stadt sind mehr als 1500 Jugendliche von der neuen Regelung betroffen. Wahlen ab 16: Wir hörten uns bei jenen, die um die Gunst der Jugendlichen buhlen ebenso um, wie bei den Neowählern selbst.

Dass Steuer- oder Pensionsreform nur die wenigsten unter 18 Jährigen interessieren, überrascht nicht wirklich. Deshalb wird in den Parteizentralen derzeit fieberhaft versucht, „jugendfreundliche“ Themen auf den Tisch zu bringen. Der Einfallsreichtum scheint sich aber in Grenzen zu halten: Auffallend ist dabei, dass alles im Prinzip immer wieder auf Party hinausläuft.

Feiern bis die Wahlen kommen
Rechtzeitig noch vor den Wahlen lud etwa die JVP St. Pölten am 25. Jänner nach Pottenbrunn ins Maquie. Unter dem Motto „Jetzt erst recht“ stand „Die-ich-hab-noch-Prüfungen-und-geh-trotzdem-weg“ Party. Laut JVP-Jugendobmann Markus Krempl stelle dieses Fest lediglich den ersten Schritt in eine neue Richtung dar. Ziel sei es, das Image der Landeshauptstadt unter Jugendlichen zu verbessern.
Das sozialdemokratische Pendant veranstaltet die SJ St. Pölten am 15. und 16. Februar im VAZ. Für das „Sem!break Festival“ werden Konzert und DJ-Highlights verschiedener Stilrichtungen angekündigt . Außderm sollen auch junge Nachwuchsbands und DJs eine Plattform erhalten.

Wie abholen?
Mit der Senkung des Wahlalters wurde eine langjährige Forderung der Roten verwirklicht, ist Wieland von der SJ-Niederösterreich überzeugt. „Wählen mit 16 funktioniert. Das zeigen die jüngsten Vorkommnisse. Plötzlich kommt selbst in die bisher verstaubte Jugendpolitik des Landes Bewegung!“ Auf einmal sei von einem Discobus über eine Aufwertung der Lehrausbildung bis hin zu verbilligten Semestertickets für Niederösterreichs Studierende vieles möglich, was nach Meinung der SPÖ jahrelang am „Nein“ der ÖVP gescheitert ist.
Aber auch die Junge Volkspartei zeigt sich engagiert.  „Ich bin davon überzeugt, dass in der Landeshauptstadt eine andere Jugendpolitik möglich ist. Wir werden uns kein Blatt, wie die SP-Jugend, vor den Mund nehmen, und sagen, was wir uns denken“. Laut Krempl muss vor allem an einer Imageverbesserung für St. Pölten gearbeitet werden: „St. Pölten gilt unter den meisten Jugendlichen noch immer als langweiligste Haupststadt Österreichs, es geht also um die Frage, wie man St. Pölten jugendfreundlicher machen kann. Es ist wichtig, dass den Jugendlichen etwas Interessantes geboten wird. Das müssen Themen sein, die sie direkt betreffen, nur so kann wirkliches Interesse erzeugt werden.“
Aber mit der Senkung allein sei es noch lange nicht getan, meint die Jugendsprecherin der Grünen, Barbara Zwerschitz. Maßnahmen zur politischen Bildung innerhalb und außerhalb der Schulen müssten dringend gesetzt werden. „Entscheidend wird aber sein, die Partizipation von Jugendlichen am politischen Geschehen zu stärken. Jugendliche sollen nicht nur wählen dürfen, sondern sollen auch selbst gestalten!“ Die Politiker seien dringend aufgefordert, die aktive Teilnahme von Jugendlichen am politischen Geschehen zu fördern und zu ermutigen, denn „die Jugend ist ganz offensichtlich nicht politik-, sondern, wenn überhaupt, instituionsverdrossen!“

Ein Recht, das keiner nützt?
Und wie stehen nun  wie Betroffenen selbst zu ihrem neuen Recht? Werden sie davon Gebrauch machen? „Ich werde im März sicher wählen gehen“, lässt der 17jährige Gymnasiast Michael wissen. „Prinzipiell finde ich es gut, dass das Wahlalter gesenkt worden ist. Ich interessiere mich für Politik und fühle mich auch gut informiert. Von Werbeaktionen wie diesen SJ Festeln halte ich aber nicht viel. Das hat nichts mit Politik zu tun.“
Jugendliche, die gut informiert sind und auch Interesse für das politische Geschehen zeigen, sind aber eindeutig in der Minderheit: „Ich weiß, dass ich dürfte, aber ich glaube, ich werde nicht wählen gehen“, meint etwa die 17 jährige Kerstin, Lehrling bei LEINER. Und warum nicht? „Es gibt im Grunde keine Partei, die mir zusagt. Von der Werbung fühle ich mich überhaupt nicht angesprochen. Ich bin aber eigentlich auch nicht gut informiert, Politik interessiert mich nicht.“ Und auch die 17jährige Gymnasiastin Magdalena ist noch unentschlossen. „Ich weiß noch nicht, ob ich wählen gehe. Ehrlich gesagt habe ich nicht viel Ahnung. Die Wahlplakate auf der Straße sprechen mich nicht an. In der Schule erfahren wir auch nicht viel über das alles.“

Fleisch auf die Rippen
Um die Jugend besser zu informieren, organisiert nun die Landesschülervertretung Podiumsdiskussionen an Schulen, zu denen alle vier im Landtag vertretenen Parteien eingeladen werden. In diesem Rahmen sollen sich die Parteienvertreter vorstellen, damit  die Schüler mehr Überblick bekommen. In erster Linie ginge es nämlich darum, die Jugendlichen überhaupt zum Wählen zu bringen. Im selben Atemzug verweist Markus Krempel allerdings auch auf den negativen Beigeschmack der Aktion, dass Schulen nämlich künftig immer stärker als „Werbefläche“ genutzt werden könnten: „Die Schule sollte aber eigentlich ein geschützter Raum bleiben, in dem man Zeit und Ruhe hat, sich eigene Werte und Meinungen zu bilden. Ein eigenes Fach ‚politische Bildung’ wäre gut.“
Komisch eigentlich, dass sich, obwohl in den letzten Jahren wahrscheinlich auf jedem fünften Schulrucksack ein „W16“ Button der SJ baumelte, heute nur die wenigsten Jugendlichen sicher genug fühlen, ihre Stimme bei den Wahlen abzugeben. Erst wurde um das Recht gekämpft, dann wurde es erobert, und jetzt verliert man das Interesse? Oder war es nur von oben aufoktroyiert, gar nicht Jugendwunsch?
Wer weiß. Ein Aspekt wurde aber dennoch erreicht: der Jugend wurde Aufmerksamkeit zuteil. Jetzt ist es wichtig diese auch zu nutzen, denn sonst stehen die Jungwähler am Ende doch nur wieder – vielleicht sogar zu Recht – als nicht ernst zu nehmend da.