MFG - Under Construction – Wie es mit St. Pöltens (Bau-)Projekten weitergeht
Under Construction – Wie es mit St. Pöltens (Bau-)Projekten weitergeht


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St. Pöltens gute Seite

Under Construction – Wie es mit St. Pöltens (Bau-)Projekten weitergeht

Text Johannes Mayerhofer
Ausgabe 09/2024

Was wird das Rewe-Frischezentrum bringen? Wie lange leidet St. Pölten noch am Mülldeponie-Gestank? Ist die Domplatz-Garage 2025 noch realistisch? MFG bietet ein Update zu den brennendsten Fragen rund um Bauprojekte.


Nicht ohne politische und aktivistische Kontroversen gingen die bisherigen Pläne zur Errichtung eines Rewe-Frischelagers in Hart über die Bühne. Nach deren Bekanntwerden formierte sich Widerstand vonseiten der St. Pöltner Grünen. Auch die Zivilgesellschaft machte mobil. So sammelte die „Initiative Bodenschutz St. Pölten“ Anfang 2023 rund 3.200 Unterschriften gegen das Frischelager, welches auf einer Fläche von 20 Hektar entstehen soll. Dies entspräche 25 Fußballfeldern. Die Stadt St. Pölten hob und hebt die aus ihrer Sicht überwiegenden Vorteile des Frischelagers hervor. Das Projekt bringe eine „Stärkung des Wirtschaftsstandortes“, ermögliche „kürzere Lieferwege“ der Produkte und sichere die Rewe-Arbeitsplätze, denn das alte Rewe-Zentrallager am Kopal-Gelände werde aufgelassen. Die Grünen und die „Bodenschutz“-Aktivisten kritisieren dahingegen neben „Landfraß“ auch die laut verkehrstechnischer Ersteinschätzung 1.000 zusätzlichen Lkw pro Tag, welche  durch das Lager verursacht würden.
Aus Sicht der Grünen und der „Bodenschutz“-Gruppe sei das Projekt jedoch nicht nur ökologisch fatal, sondern obendrein gesetzeswidrig: Die  Flächen, welche Rewe für die Realisierung des Projekts gekauft hat, liegen an der Traisen. Baulandwidmungen in derartigen Hochwassergefährdungszonen müssten allerdings seit einer Novelle des Raumordnungsgesetzes von 1999 innerhalb von fünf Jahren in Grünland umgewidmet werden, so kein Hochwasserschutz vorliegt. Da es einen solchen auf den neuen Rewe-Gründen nie gab, hätten diese also spätestens 2005 Grünland werden müssen, argumentieren die grünen Projektgegner und reichten eine Aufsichtsbeschwerde beim Land Niederösterreich ein. Die Entscheidung des Landes im Juni 2024 schlug bei Rewe-Kritikern ein wie eine Bombe: Eine Grünflächenwidmung müsse nicht erfolgen, da bereits ein Hochwasserschutzprojekt in Planung sei. Tatsächlich hatte die Stadt St. Pölten im Dezember 2023 beim Land NÖ einen Antrag eingebracht, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Projekt „Hochwasserschutzprojekt KG Hart“ nötig sei. „Hier fehlen mir ehrlich gesagt nach wie vor die Worte. Die NÖ Landesregierung hat über ein Jahr zur Entscheidungsfindung gebraucht und meiner Meinung nach zu Gunsten der Stadt sehr viel Zeit verstreichen lassen. Somit hat man der Stadt St. Pölten genug Zeit gegeben, um ein Hochwasserschutzprojekt zu planen und einzureichen“, mutmaßt „Bodenschutz“-Sprecherin Romana Drexler erbost.  Da die Stadt den Hochwasserschutz nur bis zum letzten Rewe-Grundstück plant, müssten die Flächen der angrenzenden Grundstücksbesitzer auf Grünland umgewidmet werden. Aufgeben wolle ihre Initiative trotz des Machtwortes des Landes NÖ allerdings nicht: „Wir stehen erst am Anfang. Wir werden jede Chance nutzen, die sich für uns ergibt. Außerdem wird aus heutiger Sicht der gesamte Rewe-Bau UVP-pflichtig sein und hier werden wir als Bürgerinitiative mit Sicherheit Parteienstellung fordern.“

Sprang Stadt St. Pölten bei Umweltprüfung für Rewe ein?
Bei einer UVP wird festgestellt, ob ein Projekt mit den Umweltschutzgesetzen übereinstimmt. Ist ein Projekt nach geltenden Gesetzen unvertretbar, heißt das einen Projekt-Stopp. Da UVPs in der Regel sehr aufwändig und kostspielig sind, werden diese von Bauwerbern, wo nur möglich, vermieden. Hochsus­pekt erscheint den Rewe-Gegnern folgender Umstand: Der Konzern beantragte bereits im März 2023 die wasserrechtliche Genehmigung für die Errichtung eines Hochwasserschutzes beim Magistrat. Da der Zusammenhang zwischen Hochwasserschutz und dem Bauprojekt in diesem Fall evident gewesen wäre, hätte das zwingend eine UVP nötig gemacht. Als dieses Szenario drohte, zog Rewe seinen Antrag zurück. Sechs Monate später erfolgte, wie bereits oben erwähnt, der Antrag der Stadt bezüglich der Notwendigkeit einer UVP für eine 350 Meter lange und 20 Meter breite Mulde als Hochwasserschutzmaßnahme. 
Das Land sieht darin keinen Zusammenhang mit dem Rewe-Projekt, eine teure und aufwändige UVP sei daher nicht nötig. Kritiker der Vorgänge meinen, St. Pölten wäre für Rewe eingesprungen, um die Errichtung eines Hochwasserschutzes ohne UVP zu ermöglichen. Gegen diese Interpretation beziehen die Verantwortlichen Stellung. „Festzuhalten ist, dass es zum damaligen Zeitpunkt und bis heute kein einreichfähiges Projekt für dieses Bauvorhaben gab, beziehungsweise gibt“, erklärt Pressesprecher Thomas Kainz. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Rewe-Hochwasserschutzprojektes erfasste dieses 13 Grundstücke. „Das nunmehrige Hochwasserschutzprojekt, welches von der Stadt eingereicht wurde, umfasst 17 Grundstücke und ist damit etwas grundsätzlich anderes“,  hält Kainz fest. Verwaltungsgerichtliche Urteile bestätigen dies, eine Revision dagegen wurde zurückgewiesen.
Während die Projekt-Gegner weitere Schritte vorbereiten (und noch nicht viel darüber preisgeben), bleibt die Frage der Güterabwägung. Liegen positive Effekte vor, die die Verbauung 20 Hektar potentiellen Grünlandes rechtfertigen? „Stärkung des Wirtschaftsstandortes“ ist ein schwammiges Argument, das man konkret messbar machen müsste. Bezüglich der geschätzt 250 erhaltenen Arbeitsplätze gießt Peter Klein, Architekt zweier Rewe-Lager, Wasser in den Wein. „Das kommt mir zu viel vor. In modernen Lebensmittellagern arbeitet eine Handvoll Menschen, sie sind automatisiert, theoretisch brauchen sie keinen einzigen Mitarbeiter. Auch in älteren Lagern arbeiten wenige Menschen, meistens Hilfskräfte wie Staplerfahrer“, erklärt er. Stadt-Pressesprecher Kainz versucht, im Gleichklang mit einer MFG-Beantwortung des Rewe-Konzerns, pessimistische Einschätzungen zu zerstreuen. Die Anzahl der genauen Arbeitsplätze könne man erst nach Vorliegen genehmigungsfähiger Projektunterlagen beantworten. „Es wurde auch immer der positive Faktor eines möglichen Lebensmittel-Lagers im Stadtgebiet im Fall eines Blackouts oder anderer Katastrophen bzw. im Sinne des Bevölkerungsschutzes genannt.“

Müllmenge „Am Ziegelofen“ seit 2019 um 1.100 Prozent gestiegen
Im Westen St. Pöltens brodelt unterdessen der Konflikt um Geruchsbelästigung durch die Mülldeponie „Am Ziegelofen“ weiter. Für Wilhelm Maurer, direkt Betroffener und Sprecher der Initiative „Landeshauptstadt Luft“, und etwa 20 Nachbarn gehören spontane Grill­abende oder gemütliche Zeiten auf der Terrasse der Vergangenheit an. „Was ich machen kann oder nicht hängt nicht nur von der Außentemperatur, sondern auch von der Windrichtung und der Menge des angelieferten oder deponierten Mülls ab“, sagt er dem MFG-Magazin. Maurer schildert bitter: „Meine Frau und ich haben unser Haus in der neuen Siedlung ‚Eisberg Süd‘ mühsam mit dem Ersparnissen unseres Arbeitslebens gekauft und uns auf die Aussagen der länger dort lebenden Nachbarn verlassen, dass die Mülldeponie ‚nie ein echtes Problem‘ gewesen sei. Bis 2019 war diese Aussage auch korrekt.“ 2018 verkaufte die Stadt St. Pölten die Deponie „Am Ziegelofen“ an die Zöchling Abfallverwertungs GmbH aus Hainfeld. Seitdem hat sich das Müllaufkommen massiv gesteigert, wie eine Anfrage der St. Pöltner Grünen an das ebenfalls grüne Klimaministerium ergab (siehe Grafik).
Diese Entwicklung hänge laut Grünen-Stadträtin Christina Engel-Unterberger mit den veränderten Abfallimporten vor allem aus Italien  und Slowenien zusammen. Beim Betreiber Zöchling GmbH erklärt man die Schwankungen mit veränderten Wirtschaftslagen und verweist auf die Einhaltung der genehmigten Kapazitäten. „Besonders auffällig ist der Höhepunkt im Jahr 2021 mit über 35.000 Tonnen, gefolgt von einem leichten Rückgang in den Jahren 2022 und 2023, die aber immer noch deutlich über den Mengen von 2019 liegen“, so Engel-Unterberger. Was die Grüne aufregt: „Warum gab es kein ordentliches Genehmigungsverfahren sondern nur Einzelbescheide, obwohl es sich ab 2019 mit zahlreichen zusätzlichen Abfallarten und erhöhten Abfallmengen um wesentliche Änderungen der Anlage handelt? Warum wurden die Grenzwerte erhöht? Welche langfris­tigen Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen? Wie bringen wir den Bürgermeister dazu, aktiv an der Lösung des Problems mitzuarbeiten?“

Betroffene müssen bis 2027 Nase zuhalten
Kritik an Untätigkeit will sich die St. Pöltner Stadtregierung gewiss nicht gefallen lassen. „Die Zuständigkeit liegt hier eindeutig beim Land NÖ“, hält Pressesprecher Thomas Kainz eingangs fest. „Dennoch wurde die Stadt auf Initiative von Bürgermeis­ter Matthias Stadler aktiv und hat mit dem Betreiber eine Vereinbarung inklusive Pönalzahlungen bei Nichteinhaltung getroffen.“ Der Deal von 2021 sah, beziehungsweise sieht im Gegenzug für eine Grundstückserweiterung den Bau einer neuen Halle vor, um der Gestanksproblematik Herr zu werden. „Das finale Projekt ‚Erweiterung Zwischenlager‘ sowie den Bau der Halle, in der Haus- und Sperrmüll der Stadt St. Pölten gelagert werden sollen, und eigener Einhausung für den Biomüll wurde im Jahr 2022 eingereicht“, erklärt Kainz weiter. Seitdem habe es viele Behördenverhandlungen und Nachreichungen von Gutachten an die Sachverständigen des Landes NÖ gegeben. Die Stadtregierung hoffe allerdings auf eine Bewilligung bis Jahresende. Stellungnahmen über Geruchsbelästigungen leite man stets an die Landesregierung weiter. Die Zöchling GmbH äußert sich zu Projektdetails und den Status Quo der neuen Halle lakonisch. Das Projekt ist eingereicht, einen ungefähr avisierten Termin für einen Baustart und Details der Halle könne man nicht nennen, da noch keine Bewilligung vorliege. Ungeachtet dieser schwammigen Aussichten steht aktuell nur eine Jahreszahl, nämlich 2027.
„Das ist der vertragliche Zeitrahmen zwischen Betreiber und Stadt, den wir im Jänner 2023 im Gemeinderat diskutiert haben“, erklärt Deponie-Kritikerin Engel-Unterberger. Das damals vorgelegte Konzept sah sehr wohl einen Baubeginn vor, nämlich März 2025. Von da an solle es dann noch maximal 24 Monate bis zur Inbetriebnahme der neuen Halle dauern. Was sagt „Landeshauptstadt Luft“-Sprecher Maurer dazu? Können und wollen die Bewohner so lange noch die „Zähne zusammenbeißen“ oder treffender formuliert: die „Nase zuhalten“? Angesichts der seit 2019 verelffachten Müllmenge sei die geplante Halle aus seiner Sicht und der Sicht der Initiative „too little, too late“ und ein „Ablenkungsmanöver mit unzureichenden Mitteln.“ „Wir bezweifeln, dass ab Hallenfertigstellung sämtliche geruchsintensiven Prozessschritte inklusive der Zwischenlagerung von ‚gut abgelegenem‘ Müll dort durchgeführt werden können“, zeigt sich Maurer skeptisch. Außerdem sei die Strafzahlung nach seiner Ansicht „lächerlich gering“.  Nach geltender Regelung beträgt die Pönale jährlich maximal 50.000 Euro, mit einem absoluten Deckel von 150.000 Euro. Aktuell kämpfen Maurer und die Initiative vor dem Landesverwaltungsgericht um Parteistellung, unterstützt werden sie durch den Grün-Alternativen Verein zur Unterstützung von Bürgerinitiativen, der sich aus freiwilligen Gehaltsabzügen grüner Nationalratsabgeordneter finanziert.

Noch viele Fragezeichen rund um den „Südsee“
Auch rund um den „Südsee“ gab es in den letzten Monaten etwas Bewegung, auf alle Fälle politische Ankündigungen. Das geplante Naherholungsgebiet zwischen Spratzern und St. Georgen soll bis 2030 entstehen. Dieses sei laut Stadt-Sprecher Kainz unter anderem notwendig, weil „St. Pölten wächst und der Bedarf an Freizeit- und Erholungseinrichtungen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen ist“. Allerdings war es das dann schon mit konkreten Details, denn vieles sei noch offen. So ist noch nicht klar, ob ein großer See, oder mehrere kleine entstehen sollen. Auch das „Ob“ und  „Wie“ eines naturbelassenen Bereiches sind nebulös. Die MFG-Fragen nach möglichen Verwendungen des Aushubmaterials und der Tiefe des Grundwasserstauers beantwortete die Stadt ebenfalls noch nicht. Gerade bezüglich des Faktors „Grundwasser“ gab es bereits Kritik der Stadt-VP. Eine Gefährdung des Grundwassers sei noch nicht ausgeschlossen. Bezüglich der Kosten des Projektes könne man erst dann sprechen, wenn die oben gelisteten unbekannten Variablen geklärt seien, so Kainz. Kurz zusammengefasst: Die Stadtregierung weiß, dass etwas kommt, sie weiß nur noch nicht genau, was.

Domplatz-Garage kommt mit einem Jahr Verspätung
Konkrete Ankündigungen gibt es immerhin für die „Domviertel-Garage“, die eigentlich zeitgleich mit der Domplatzeröffnung hätte kommen sollen. „Das Projekt wird in Bälde bei der Baubehörde abgegeben und wir rechnen bis nächsten Frühling mit einem Bescheid. Bis dahin sollten auch alle archäologischen Arbeiten abgeschlossen sein“, erklärt Walter Benda, Geschäftsführer der Benda Immobilien Gruppe, welche das Projekt umsetzt. 
Die Bauzeit schätzt er auf 18 Monate. „Das würde bedeuten, dass die Garage bis etwa Ende 2026 mitsamt der geplanten 280 Stellplätze fertig wäre.“ Die Netto-Investitionssumme liegt bei 12 Millionen Euro.