MFG - Zwickerbussi
Zwickerbussi


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Zwickerbussi

Text Johannes Reichl
Ausgabe 09/2024
Ein bisschen ist das ja wie mit heranwachsenden Kindern. Wenn man sie lange nicht sieht, merkt man erst die unglaubliche Entwicklung, die sie seit dem letzten Besuch genommen haben. Ich erinnere mich diesbezüglich etwa noch herzhaft schmerzhaft an den alljährlichen Besuch von Tante Reserl, die ihre Begrüßung, garniert mit einem deftigen Zwickerbussi, immer mit den Worten „Ma, du bist aber groß geworden!“ eröffnete. 
Ein solches Aha-Erlebnis hatte unlängst auch Bestseller-Autorin Vea Kaiser. Nach längerer Abwesenheit verbrachte sie wieder einmal Zeit in St. Pölten, wo ihr, wie sie in ihrer Kolumne im freizeit-KURIER schreibt, ein „kurzer heftiger Urlaubsflirt“ passierte. „Ja, ich verknallte mich in St. Pölten, meine Geburtsstadt, die nie wieder länger als nötig zu betreten, ich mir nach der Matura geschworen hatte. […] Auf meinen Wegen durch die Stadt erlebte ich nicht das Landeshauptkaff von damals, sondern eine hippe und entspannte City.“ 
Als Elternteil (so wollen wir uns als Bürger jetzt einfach einmal nennen) freut man sich über derlei Lob natürlich. Zugleich ist es ein guter Anlass, bewusst einen Schritt zurück zu treten und den Junior quasi aus der Distanz näher zu betrachten – und ja, Vea Kaiser hat völlig recht. Da ist in den letzten Jahren ordentlich was weitergegangen, sowohl sphärisch, wie es die Autorin empfindet, als auch ganz konkret, was ja oft die Basis für das Sphärische schafft. Ein Wachstumsschub ist unverkennbar. Wachstumsschmerzen auch, wie manche meinen? Darüber lässt sich trefflich streiten, und das wird auch getan, was völlig legitim und wichtig ist. Eltern wollen ja im Idealfall immer das Beste für ihre Kinder – da tun Diskussionen über die richtigen (Erziehungs)Maßnahmen, über Ausstattung, Bildung, Arbeit, Kultur, Freizeit, Freunde etc. not. 
Die Stadt ist jedenfalls auf vielen Ebenen und auf vielerlei Weise gewachsen. Allein die neun neuen Plätze, die wir in dieser Ausgabe vorstellen, sind erst in den letzten zwölf Monaten ins Erscheinungsbild getreten. Ob sie auch das Potenzial zu neun Schätzen haben, wird sich weisen – für die meisten bin ich persönlich aber durchaus zuversichtlich. Manches muss sich halt erst zusammenwachsen, wie das so ist bei Heranwachsenden. Dem nicht genug sind zuletzt Weichen für die Zukunft gestellt worden, die ihre volle Kraft erst sukzessive entfalten werden, dies dafür aber umso nachhaltiger. Während dabei die Präsentation des Polizeisicherheitszentrums für rund 1.000 Mitarbeiter im Endausbau mit großem Trara kommuniziert wurde, schleicht manches auf eher leisen Sohlen daher. So wird aktuell bereits das ehemalige Alumnat in der Wiener Straße (Sie wissen schon, Codewort „Bubendummheiten“) in einen KPH Campus umgebaut. Bis zu 600 angehende Grundschullehrer werden dort ab 2025 studieren – und das mitten in der City. 
Nicht minder zukunftsträchtig ist der neue Grillparzer Campus (ja, „Campus“ ist offensichtlich gerade ein angesagtes Wort), wo die Rahmenbedingungen für die Musik- und Kunstschule mit ihrem breiten Angebot in allen Sparten kreativer Tätigkeit auf ein komplett neues, zeitgemäßes Level gehoben werden. Schließlich – mein persönlicher, weil nostalgischer Favorit – sei auch noch die die neue Stadtbücherei am Domplatz erwähnt. Auch so ein Möglichkeits- und Entfaltungsraum, wo das Denken geschult und der Horizont erweitert wird. Und ich frage mich, wie sich die Stadt unter diesen neuen Bedingungen weiterentwickeln wird? Was bedeuten diese Weichenstellungen für die Zukunft kommender Generationen?
Da geht es mir dann wie der Tante Reserl bei der Verabschiedung, wenn sie fast wehmütig meinte „Na ich bin schon gespannt, wie du nächstes Jahr aussiehst.“ Dann strich sie mir zärtlich durchs Haar und verabschiedete sich – ganz ohne Zwickerbussi, dafür mit einer innigen Umarmung und viel Liebe. Und das ist schließlich das Wichtigste, was Kinder brauchen, ob sie nun Leo, Babsi, Mohammed, St. Pölten oder Österreich heißen. Denken Sie daran, wenn Sie am 29. September zur Wahl gehen!