MFG - In was für einer Stadt leben wir eigentlich...
In was für einer Stadt leben wir eigentlich...


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

In was für einer Stadt leben wir eigentlich...

Ausgabe 03/2013
In der seit Monaten ein Phantom sein Unwesen treibt: Der berüchtigte und gefürchtete El Milchbarto.
Gnadenlos streift er durch die Stadt, und schlägt zu, wo immer sich ihm die Gelegenheit einer unbewachten Plakatwand bietet: Flugs die weiße Spraydose in Anschlag gebracht, eiskalt auf den Auslöser gedrückt und schon ziert selbst die hartgesottensten Kerle und Alphamännchen ein Milchbart!
Und keiner ist vor ihm sicher, egal ob Landesvater, Onkel aus Amerika, Barockengerl oder Testimonial für Versicherungen, Energiekonzerne oder Fastfoodkette. Ja, selbst Hütten des Wirtschaftshofes, die nur unschuldigen Schotter und Gerätschaft für den Winterdienst zu bergen scheinen, (oder steckt gar mehr dahinter?!) drückt er seinen gefürchteten Stempel und Schriftzug auf.
Eine Stadt in Angst und Schrecken, die unter der großen Last der Verunsicherung zusehends ihren Verstand zu verlieren droht. Da ist eine quälende Frage: Wer ist der Unbekannte? Und vor allem: Was will er? El Milchbarto, erlöse uns!
In der die Heimatliebe zum Vater-(Bundes)-Land doch glatt nicht in die Herzen der Menschen geschrieben ist. Das ist das klare Ergebnis einer Feldstudie in der St. Pöltner Innenstadt. Nachdem lokale Medien und Polit-Gegner genüsslich ausgeschlachtet hatten, dass Frank Stronach beim ORF-Interview keine Zeile der Landeshymne zitieren konnte, wollten wir beweisen, dass selbstverständlich nur steirische Austro-Kanadier diese peinliche Wissenslücke in niederösterreichischer Heimatkunde haben: „Jeder normale Landeshauptstädter kann zumindest die erste Strophe der Hymne singen“, dachten wir – und liefen zur Beweisaufnahme durch die City. Und liefen eine Stunde. Und liefen zwei Stunden. Und baten um Gesangsproben. Oder Rezitation des ersten Verses unserer, ja UNSERER Landeshymne. Ohne Erfolg. Wir vernahmen irritiertes Lachen, hörten freundliche Absagen, aber keine Ansagen, die da lauteten: „Oh Heimat dich zu  lieben ...“ Einer, wirklich nur einer von 30 Befragten hat mit diesen hymnischen Worten auf unsere Frage geantwortet. Furchtbar!
In der es nicht der Anrufung des Heiligen Antonius bedarf, um verlorene Gegenstände wieder zu finden. Warum? Einfach weil die Leute hierzulande schlichtweg so ehrlich sind. Ganz auf „Schlampertoni“ die 300 Euro im Bankomat vergessen – die nächste Userin des Automates läuft einem nach und sagt „Sie haben da etwas vergessen.“ Ausgestreute Handschuhe, Hauben & Co. sind sowieo Kinkerlizchen und werden prompt aufgeklaubt. Eine schöne Überraschung erlebte auch eine Redakteurin des MFG, die noch immer staunt: „Da verliert man in St. Pölten einen winzigkleinen, unscheinbaren USB-Stick, und dann wird der doch glatt nach zwei Wochen retourniert – anonym, in einem handbeschrifteten und ausreichend frankierten Kuvert!“ Der ehrliche Finder muss den Stick angesteckt, reingeschaut „und aus einem der dreihundert Word-Dokumenten darauf eine Postadresse rausgesucht haben, an die er das Fundstück zurückschicken konnte. Meine Frage: Wie lieb ist das denn?“ Tja, sehr lieb – immerhin waren auf dem Stick auch MFG-Artikel!