MFG - Von der Bedeutung des Wortes Aber
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St. Pöltens gute Seite

Von der Bedeutung des Wortes Aber

Text Johannes Reichl
Ausgabe 02/2015
Die Anschläge auf Charlie Hebdo, die Gräueltaten des IS haben tiefe Verunsicherung ausgelöst. Dieser Tage ist in diesem Zusammenhang wieder viel von „unseren“ christlichen Werten des Abendlandes die Rede, die wir verteidigen müssten und die gerne als eine Art Gegenentwurf zu jenen des Islam stilisiert werden. Der Fundamentalste dabei scheint mir Nächstenliebe zu sein, weil er alle anderen wie Toleranz, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit miteinschließt. Dieser Wert ist unteilbar. Jesus, religiöserseits gerne als Autorität zitiert, hat nicht gesagt „Liebe deinen nächsten wie dich selbst, aber ...“
Umso bitterer stößt dieses relativierende „ja, aber“ im allgemeinen Sprachgebrauch auf, wo es heute wieder eine längst überwunden geglaubte Fremdenfeindlichkeit ans Tageslicht befördert.
Wie tief diese sitzt, offenbart sich groteskerweise am deutlichsten dort, wo sie gar nicht so gemeint ist. Wenn mir etwa der Chef einer Firma sagt: „Da schick ich Ihnen Ahmet vorbei – der ist aber eh ein ganz Netter und Verlässlicher.“ Warum die Relativierung? Weil Ahmet ein fremdklingender Name ist? Weil er aus Albanien kommt? Moslem ist?
Oder sie bricht sich in Alltagsdiskussionen Bahn mit Leuten, die mir erklären, dass das mit DEN Ausländern ja immer schlimmer wird, liest man ja immer in der Zeitung, von den Einbrüchen und so, und dass man da schon etwas tun muss, weil wir stehen ja knapp vor der „Überfremdung“, sind schon „Minderheit im eigenen Land“. Wenn ich dann nachfrage, „Wie viele Ausländer kennst du persönlich?“, „Wo stören die dich konkret“, „Welche schlimmen Erfahrungen hast DU gemacht?“ – dann ernte ich zumeist ein: „Ich nicht, aber ...“
Oder Intellektuelle, die 1993 noch am Lichtermeer gegen Fremdenhass protestierten, mir jetzt aber unter dem pseudotoleranten Motto „Religionsfreiheit ist ja gut und schön, aber ...“ erklären, dass das halt schon ein Wahnsinn ist mit diesen Zwangsheiraten und Burka-Trägerinnen, und überhaupt die vielen jungen Frauen, die Kopftuch tragen – die also a priori von patriarchalem Zwang ausgehen, ohne mit den Kopftuchträgerinnen jemals selbst gesprochen zu haben, die dies meist aus freien Stücken tun.
Aber das wird nicht geglaubt, weil da ein über die Jahre heran gezüchtetes Grundmisstrauen gegenüber Fremden, den Moslems im Besonderen besteht. Wie oft habe ich in den letzten Wochen gehört: „Die müssen sich halt einmal distanzieren vom IS, vom Anschlag auf Charlie Hebdo, von den Dschihadisten.“ Nur genau das tun sie (ab Seite 36). Und sie tun es nicht wischiwaschi, sondern eindeutig. Sie finden die Anschläge verwerflich und haben selbst Angst vorm IS. Sie empfinden Karikaturen über Heilige zwar als Beleidigung, dies könne aber nie Rechtfertigung für Gewalt sein. Sie sind schockiert über die Radikalisierung eines 14-jährigen St. Pöltners, der im Internet Anleitungen zum Bombenbasteln heruntersaugt. Und sie sagen: Kommt zu uns in die Moschee, macht euch selbst ein Bild. Nur – das macht keiner. Stattdessen reimt man sich lieber, aus dumpfen Ängsten gespeist, einfach zusammen, welch Bombenbauer und Hassprediger dort wohl ihr Unwesen treiben. Das ist nicht nur dumm, sondern moralisch verwerflich – und gefährlich.
Es ist ein Zeichen dafür, dass man den Hasspredigern – nicht den islamischen, sondern jenen, die hemdsärmelig in Bierzelten und Wirtshäusern gegen DIE Ausländer predigen, die in Redaktionsstuben sitzen und eine angeblich „islamische Dauergefährdung“ herbeischreiben – längst selbst auf den Leim gegangen ist. Jene Hassprediger, die alle, die ihre kruden Ansichten nicht teilen, durch die Diffamierung als „Naivlinge“, als „Gutmenschen“ mundtot machen möchten, derer es ja viel zu viele gäbe.
Gerade diese Hassprediger sind aber, egal aus welcher Ecke sie kommen, ob von links oder rechts, ob aus dem Islam oder dem Christentum, ob aus der Politik oder der Wirtschaft, die wahren Feinde des Staates und unserer Freiheit. Sie sind die Sämänner der Zwietracht, die den unteilbaren Begriff Nächstenliebe zu einem „Wir“ und „Die“ pervertieren wollen. „Mensch ist aber Mensch“ sagt Helmut Weber (ab Seite 48). Weber ist ein guter Mensch, ein Gutmensch – und davon gibt es nicht zu viele, sondern viel zu wenige. Ohne Wenn und Aber ...